Vergaberecht : Öffentliche Auftragsvergabe: Was die Russland-Sanktionen dafür bedeuten
Auftragsvergabeverbot an Unternehmen mit Russland-Bezug
Mit der im April 2022 veröffentlichten Verordnung (EU) 2022/576 über restriktive Maßnahmen angesichts des Kriegs in der Ukraine wurden von der Europäischen Union erstmals Sanktionen erlassen, die unmittelbar die Vergabe und die Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen betreffen. Dabei geht die Europäische Union sehr weit. Konkret dürfen Aufträge und Konzessionen nicht mehr an russische Staatsangehörige und – praktisch relevanter – an russische Unternehmen vergeben werden. Dieses Verbot gilt bereits seit 9. April 2022.
Bereits geschlossene Verträge dürfen ab dem 11. Oktober 2022 (wenn sie nach dem 9. April geschlossen wurden, sogar sofort) nicht weiter erfüllt werden. Sie werden in der Praxis vielfach zu kündigen sein.
Betroffen sind von diesen Sanktionen nicht nur "echte" russische Unternehmen, sondern auch Unternehmen mit ausgeprägtem Russland-Bezug, zum Beispiel nicht russische Unternehmen, die zu mehr als 50% von russischen Unternehmen oder Staatsangehörigen gehalten werden. Dabei kommen auch indirekte Beteiligungen in Frage.
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Darüber hinaus sind auch Subunternehmer und sogar Lieferanten von den Zuschlags- und Vertragserfüllungsverboten erfasst, sofern sie mehr als 10% des Auftrags- beziehungsweise Konzessionswertes abdecken.
Zuschlagsentscheidungen, die unter Verletzung des beschriebenen Zuschlagsverbotes ergehen, sind rechtswidrig und können im Rahmen des Vergaberechtsschutzes bekämpft werden. Sie wären gegebenenfalls für nichtig zu erklären.
Praktische Probleme
Vor allem zwei Punkte im Rahmen der Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbote bereiten in der Praxis Probleme:
Einerseits die Tatsache, dass auch (wichtige) Subunternehmer und selbst Lieferanten erfasst sind. Das macht die Prüfung der Zuschlagsfähigkeit von Angeboten für Auftraggeber schwieriger (und jedenfalls aufwändiger), stellt aber auch Bieter vor große Herausforderungen. Die meisten Auftraggeber werden nämlich versuchen, die Prüfung der Subunternehmer und Lieferanten an die Bieter auszulagern und sich die Einhaltung der Richtline im Wege von Eigenerklärungen und ähnlichen Instrumenten vom jeweiligen Bieter bestätigen zu lassen. Da Falscherklärungen hier besonders unangenehme – insbesondere schadenersatzrechtliche – Folgen haben könnten, werden Bieter dabei kein Risiko eingehen wollen. Sie werden daher in der Praxis gezwungen sein, selbst eine entsprechende Prüfung durchzuführen und zu dokumentieren, wobei sie wiederum auf die Mitarbeit ihrer Partnerunternehmen angewiesen sind. Gerade bei größeren Projekten mit Arbeitsgemeinschaften und vielen Subunternehmern und Lieferanten aus unterschiedlichen Ländern wird dabei manches Unternehmen rasch an seine Grenzen stoßen.
Die zweite Problematik besteht darin, dass eben nicht nur russische Unternehmen, sondern auch "russisch beherrschte" Unternehmen von der Richtlinie erfasst sind. Dass das auch in Österreich Handlungsbedarf auslösen kann, hat sich in der Praxis schon gezeigt. Besonders bei komplexen Eigentumsstrukturen kann es hier im Einzelfall schwierig sein, festzumachen, wer überhaupt sanktioniert ist und wie eine rechtlich haltbare Lösung aussehen kann.
In jedem Fall werden Vergabeverfahren durch die neue Verordnung einmal mehr nicht unkomplizierter. Mag das Motiv der Sanktionen politisch auch verständlich sein, wird damit jedenfalls sowohl den öffentlichen Auftraggebern als auch den (auch europäischen) Unternehmen einiges zugemutet. In ohnehin herausfordernden Zeiten von Lieferengpässen und verrücktspielenden Baustoffpreisen haben diese nun eine zusätzliche Hürde zu nehmen. Es bleibt zu hoffen, dass sich hier in der Praxis rasch ein pragmatischer Modus im Umgang mit den Sanktionen einspielt. Bisher ist das leider nicht der Fall.
Tipps für die Vergabepraxis
- Bieter sollten besonders bei der Kooperation in Arbeitsgemeinschaften und bei der Beiziehung von Subunternehmern und Lieferanten darauf achten, den Hintergrund ihrer Partner zu kennen und diesen entsprechend dokumentieren. Insbesondere bei der Abgabe von – nun sicher häufiger verlangten – einschlägigen Eigenerklärungen bestehen sonst erhebliche Risiken auch über die Zuschlagserteilung hinaus.
- Unternehmen, die von den Sanktionen selbst betroffen sind, ist dringend eine eingehende Beratung empfohlen, wie allenfalls eine Sanierung erfolgen kann. In der Regel wird eine Änderung im Gesellschafterbereich erforderlich sein. Bei der Abgabe von Eigenerklärung ist jedenfalls darauf zu achten, dass keine Angaben gemacht werden, die als Falschangaben angesehen werden könnten. Hier drohen neben unmittelbaren vergaberechtlichen Folgen (Ausscheiden des Angebotes, Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung etc) vor allem schadenersatzrechtliche Konsequenzen.
- Öffentlichen Auftraggebern ist bei einschlägigen Ausschreibungen zu empfehlen, schon in den Ausschreibungen entsprechende Hinweise auf die Sanktionsbestimmungen aufzunehmen und den Bietern klare Vorgaben für zu erbringende Nachweise zu machen. Andernfalls kann die Prüfung der Einhaltung der Sanktionsbestimmungen leicht ausufern.