SOLID 10/2020 : Die Macht der Zinsen

Bei Werklohnstreitigkeiten wird oftmals nur deswegen eine außergerichtliche Einigung zwischen dem AN und dem AG erzielt, weil angesichts eines mehrjährigen Gerichtsverfahrens nicht nur Prozesskosten, sondern vor allem auch erhebliche Verzugszinsen anfallen würden. Dementsprechend können Verzugszinsen aus Sicht des AN häufig als Schlüssel zum Erfolg bezeichnet werden.

Zinsen sind nicht Zinsen

Werden Zahlungen vom AG nicht fristgerecht geleistet, gebühren dem AN für den offenen Betrag vom Ende der Zahlungsfrist an Verzugszinsen. Regelmäßig wird von ANs jedoch übersehen, dass bei Leistungsabweichungen unter Umständen auch zusätzliche Bauzinsen vom AG gefordert werden können. Bauzinsen (Werklohn) sind von Verzugszinsen (pauschalierter Schadenersatz) streng zu trennen.

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Unter Bauzinsen versteht man die vom AN der Angebotskalkulation zugrunde gelegten Vorfinanzierungskosten der Bauleistung. Der aktuellen ÖNORM B 2061 entsprechend ist die Höhe der vom AN projektbezogen kalkulierten Finanzierungskosten im Formblatt K2 als Zuschlag anzugeben (in der alten ÖNORM B 2061 erfolgte dies im Formblatt K3). Die Bauzinsen aller vertraglichen Leistungen werden über den Gesamtzuschlag durch Abrechnung der vereinbarten Preise vergütet.

Aus bauwirtschaftlicher Sicht betrachtet lässt sich die laut Bauvertrag vorgesehene (und damit kalkulierbare) Vorfinanzierungsspanne als Zeitraum zwischen dem gewichteten Zeitpunkt der Ausgaben im Zuge der Leistungserbringung und der Fälligkeit der Teilrechnung, in welcher die erbrachten Leistungen erstmals verrechnet wurden, verstehen.

Verlängert sich der Vorfinanzierungszeitraum infolge von Leistungsabweichungen, entstehen dem AN höhere Vorfinanzierungskosten. Dies ist dann der Fall, wenn der monetäre Mehraufwand vom AN nicht sofort ermittelt und dementsprechend auch nicht zur Verrechnung gebracht werden kann. Dieser Mehraufwand (zusätzliche Bauzinsen) ist vom AG zu vergüten.

Höhe der Verzugszinsen

Bei nicht fristgerecht geleisteten Zahlungen ist der Gläubiger berechtigt, vom Schuldner Verzugszinsen zu fordern. Die Höhe der Verzugszinsen ergibt sich entweder aus einer vertraglichen Regelung oder aus dem Gesetz. Bei nicht unternehmerischen Geschäften, dh bei Geschäften zwischen Privaten oder bei Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern, gilt ein gesetzlicher Verzugszinsensatz von 4 % p.a.

Im Unterschied dazu sind die gesetzlichen Verzugszinsen bei unternehmerischen Geschäften wesentlich höher: Werden Zahlungen aus Gründen, die der AG zu verantworten hat, nicht fristgerecht geleistet, gebühren dem AN für den offenen Betrag vom Ende der Zahlungsfrist an, Zinsen iHv 9,2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz. Der Basiszinssatz beträgt derzeit -0,62 %, dh die Verzugszinsen belaufen sich aktuell auf 8,58 % p.a. Soweit der AG für die Verzögerung aber nicht verantwortlich ist, hat er nur 4 % Zinsen p.a. zu entrichten. Diese gesetzliche Regelung deckt sich mit jener in der ÖNORM B 2110.

Der AG ist nur in Ausnahmefällen für die Verzögerung nicht verantwortlich, dh in der Regel gelangen die höheren Verzugszinsen iHv 9,2 % über dem Basiszinssatz zur Anwendung. Abgesehen davon obliegt es dem AG zu behaupten und zu beweisen, dass er für die Verzögerungen nicht verantwortlich ist. Der diesbezügliche Nachweis kann vom AG jedoch nur sehr schwer erbracht werden.

Vertragliche Regelungen zu Verzugszinsen häufig gesetzwidrig

Die gesetzlichen Bestimmungen zu den Verzugszinsen sind auf eine Zahlungsverzugsrichtlinie der Europäischen Union zurückzuführen. Ziel dieser Bestimmungen ist es, den Belastungen der Unternehmen infolge übermäßig langer Zahlungsfristen und Zahlungsverzögerungen durch abschreckende Rechtsfolgen entgegenzuwirken. Dadurch sollen insbesondere die Liquidität der Unternehmen verbessert und Insolvenzen verhindert werden.

Dieser Zweck könnte jedoch leicht durch entsprechende vertragliche Bestimmungen (zB sehr lange Zahlungsfristen, niedriger Verzugszinssatz) vereitelt werden. Um dies zu verhindern, sieht das Gesetz hierfür restriktive Grenzen vor, dh für den Gläubiger grob nachteilige Bestimmungen sind gesetzeswidrig (nichtig). Die gröbliche Benachteiligung ist insbesondere danach zu beurteilen, inwieweit die Regelung von der Übung des redlichen Verkehrs abweicht und ob es einen sachlichen Grund für die Abweichung gibt.

Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass sich die gesetzlichen Regelungen zum Zahlungsverzug mit jenen in der ÖNORM B 2110 im Wesentlichen decken. Ebenso können die Vertragsbedingungen vom AG in der Regel einseitig „diktiert“ werden und es besteht für den AN keine Verhandlungsmöglichkeit. Dementsprechend sind vertragliche Bestimmungen, die niedrigere als die gesetzlichen Verzugszinsen vorsehen, regelmäßig gröblich benachteiligend und infolgedessen nichtig. Dies trifft im Übrigen auch auf zu lange Zahlungsfristen zu.

Verzugszinsen & COVID-19

Aufgrund der COVID-19-Pandemie hat der österreichische Gesetzgeber für Schuldner temporäre Erleichterungen eingeführt. Unter anderem wurde die Höhe der Verzugszinsen auf 4 % p.a. beschränkt. Diese Erleichterung gilt jedoch nur dann, wenn zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sind, wie etwa Vertragsabschluss vor dem 01. April 2020, die Forderung muss im Zeitraum 01. April bis 30. Juni 2020 fällig geworden sein und der Zahlungsverzug des Schuldners muss infolge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt worden sein. Diese Voraussetzungen sind alle vom Schuldner zu behaupten und zu beweisen.

Keypoints / Tipps für die Praxis:

Entsteht dem AN infolge von Umständen aus der Sphäre des AG ein Mehraufwand bei der Vorfinanzierung, sollte dieser bei der Ermittlung von MKFs mitberücksichtigt und vom AG gefordert werden (zusätzliche Bauzinsen).

Für den Fall, dass der AG den Werklohn (und somit auch die Bauzinsen) nicht fristgerecht leistet, gebühren dem AN für den offenen Betrag vom Ende der Zahlungsfrist an Verzugszinsen. Diese werden auf Basis des offenen Werklohns inkl. Umsatzsteuer ermittelt. Die Verzugszinsen unterliegen jedoch keiner Umsatzsteuer.

Damit Verzugszinsen anfallen können, muss der Werklohn in Rechnung gestellt und fällig werden. Dementsprechend sollten vom AN nicht nur unstrittige, sondern auch strittige Leistungen so bald wie möglich verrechnet werden. Um Verzugszinsen zu vermeiden, sollte der AG wiederum die Werklohnforderungen des AN umgehend prüfen und auch fristgerecht bezahlen.

Da es sich bei Verzugszinsen um Schadenersatz handelt, sind diese vom AN nicht in Rechnung zu stellen. Der AG hat diese schlicht zu bezahlen. Für ANs empfiehlt es sich dennoch die Höhe der Verzugszinsen zu ermitteln und dem AG in einem Aufforderungsschreiben mitzuteilen.

Bei der gerichtlichen Geltendmachung des offenen Werklohns und den diesbezüglich bereits angefallenen Verzugszinsen können vom AN zusätzlich auch noch Zinseszinsen iHv 4 % gefordert werden.

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RA Mag. Wolfgang Müller leitet die Praxisgruppe Immobilien- und Baurecht von WOLF THEISS sowie das Baurechtsteam der Kanzlei.

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RA Dr. Michael Müller, Bakk. ist Rechtsanwalt im Baurechtsteam bei WOLF THEISS und Generalsekretär der ÖGEBAU.

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