Baupraxis : Wenn Beton zu heiß wird
Die in der neuen ÖBV-Richtlinie beschriebenen klinkerreduzierten Bindemittel im Beton mit Standard BS 2 bewirken durch eine reduzierte Frührissneigung eine Qualitätsverbesserung im Bauwerk. Auch kann ein weiterer positiver Beitrag zur klimafreundlicheren Betonproduktion erreicht werden.
Anwendungsbereiche der Richtlinie sind dabei im Besonderen Betonbauwerke mit
* massiger Bauteilgeometrie
* höheren Festigkeiten
* hohen Umweltanforderungen (Expositionsklassen), die hohe Bindemittelgehalte erfordern.
Grundsätzlich sind jedoch die Überlegungen zu einer temperaturoptimierten Betonrezeptur nicht an die oben angeführten Anwendungsbereiche gebunden. Die Regelungen gemäß dieser Richtlinie haben somit allgemeine Gültigkeit für alle temperaturoptimierten Betone.
Ausgangssituation
Hinweise zu Temperaturobergrenzen sind schon seit geraumer Zeit in diversen Normen und Regelwerken abgebildet.
* So gibt z.B. die ÖNORM EN 13670 „Ausführung von Tragwerken aus Beton“ aus dem Jahr 2010 vor, sofern nicht anders festgelegt oder nachgewiesen, dass die Höchsttemperatur des Betons in einem Bauteil, das einer nassen bzw. wechselnd nassen Umgebung ausgesetzt ist, 70 °C nicht überschreiten darf. Bei Überschreiten dieser Kerntemperatur besteht die Gefahr von erhöhter Riss- und Ettringitbildung was zu Gefügestörungen mit negativem Einfluss auf die geforderten Festigkeiten und die Dauerhaftigkeit führen kann.
* Ebenso griff die im Jahr 2018 als Überarbeitung erschienene Betonnorm ÖNORM B 4710-1 „Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung, Verwendung und Konformität - Teil 1: Regeln zur Umsetzung der ÖNORM EN 206 für Normal- und Schwerbeton“ mit ihrem informativen Anhang F „Abschätzung der Kerntemperatur im Bauteil“ das Thema auf und weist darauf hin, dass ab etwa 60°C jedenfalls Maßnahmen getroffen werden sollten, die zu einer Verringerung der Temperaturrissgefahr führen.
* Auch die Richtlinien der Österreichischen Bautechnik Vereinigung haben schon seit 1999 Begrenzungen der maximal zulässige Betontemperatur im Bauwerk für spezielle Anwendungen, wie für Wasserundurchlässige Betonbauwerke - Weiße Wannen, festgelegt. Infolge von Zwangs- und/oder Eigenspannungen ist mit schädlichen Rissen schon ab einer Kerntemperatur von 50 °C zu rechnen.
Anwendungsbereiche abseits von Spezialanwendungen
Vor dem Hintergrund des fehlenden breiten Verständnisses abseits von Spezialanwendungen wurde bei der letzten Überarbeitung der ÖBV-Richtlinie „Wasserundurchlässige Betonbauwerke – Weiße Wannen“ beschlossen, sich des Themas gesondert anzunehmen.
Dementsprechend wurden bei der Überarbeitung der Richtlinie die noch 2009 enthaltenen Betonstandards BS 2 und BSH nicht übernommen und ein eigenes Regelwerk geschaffen.
Um diesen Betonen die erforderliche Wertigkeit zu geben, wurden die Anwendungsbereiche umfangreicher als ursprünglich behandelt. Dies wird zukünftig den breiteren Einsatz dieser Betone sicherstellen und soll deren Schattendasein beenden.
Wie schon zuvor erwähnt ergab sich eine wesentliche Notwendigkeit durch die im Jahr 2018 als Überarbeitung erschienene Betonnorm ÖNORM B 4710-1. Im Anhang F werden Abbindetemperaturen bei 20°C Umgebungstemperatur von gängigen Betonsorten und Bauteildicken von 0,4; 0,8 und 1,5 m für wärmeentwicklungsreduzierte Betone der Klassen WE1 und WE2, dargestellt. Dabei ergeben sich für 13 der 24 angeführten Betone Temperaturen von 59 – 80°C. Diese Temperaturentwicklungen sind zwar bei Betonexperten bekannt, wurden aber hier erstmals in der wichtigsten österreichischen Betonnorm aufgelistet, um das Bewusstsein von reduzierten Abbindetemperaturen als Qualitätsmerkmal zu stärken.
Maßnahmen zur Verringerung der Rissgefahr
Die neue ÖBV-Richtline „Betone mit reduzierter Frührissneigung“ zeigt mögliche Maßnahmen zur Verringerung der Rissgefahr auf, wobei unter Einhaltung der Planungsgrundsätze und der Konstruktiven Maßnahmen der ÖBV-Richtlinie „Qualitätssicherung für Beton von Ingenieurbauwerken“, ein bewährtes Konzept zur Herstellung von Betonen mit reduzierter Frührissneigung etabliert werden soll.
Die beschriebenen Maßnahmen werden bei der Verwendung eines BS 2 systembedingt durch die Erfüllung der nachfolgenden Kriterien sichergestellt:
* verringerte Temperaturerhöhung
* verringerte Rissgefahr
* dichteres Betongefüge
* ergänzende betontechnologische Prüfnachweise
* verlängerte Ausschalfrist, definierte Nachbehandlung
* Abschätzung der zu erwartenden Abbindetemperaturen
Zusatzmaßnahmen zu Regelbetonsorten
Je nach Einwirkungen aus der Umgebung sieht die ÖNORM B 4710-1 entsprechende Expositionsklassen für den Beton vor.
Da die Regelbetonsorten des Betonstandards BS 2 hinsichtlich ihrer Zusammensetzungen die Expositionen nicht immer in vollem Umfang abdecken können und sollte ein Nachweis am Festbeton nicht möglich sein, sind Zusatzmaßnahmen notwendig, welche die chemischen und physikalischen Einwirkungen, denen der Betonbauteil ausgesetzt ist, reduzieren bzw. verhindern.
Je nach Einsatzgebiet sind Zusatzmaßnahmen vorzusehen wie Erhöhung der Betondeckung, Aufbringen eines Epoxidharzversiegelungssystems, Aufbringen einer Beschichtung (insbesondere bei Parkdecks, siehe ÖBV-Richtlinie „Garagen und Parkdecks“) oder eine Sandwichbauweise.
Da speziell die Nachbehandlung einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Betonbauwerkes hat, wurden dafür eigene Musterpositionen geschaffen die dementsprechend auszuschreiben sind.
Betone genau auswählen
Allgemein sollten nur die tatsächlichen Anforderungen ausgewählt werden, da zu hohe Festigkeiten und/oder Expositionsklassen die Wärmeentwicklung und das Schwinden erhöhen und damit die Risssicherheit vermindert wird. Dies könnte zu einer Verschlechterung der Bauteilqualität führen.
Für häufige Anwendungen wurden Regelbetonsorten BS 2 A, B, C, D1 und D2 festgelegt. Für diese wurden neben den Anforderungen an die Betonzusammensetzung natürlich auch die Anforderungen an die Ausgangsstoffe, Betontemperaturen, Mindestausschalfristen, Nachbehandlung sowie Eignungs-, Konformitäts- und Bauwerksprüfung festgelegt.
Die Regelbetonsorten des Betonstandards BS 2 wurden hinsichtlich optimierter Wärmeentwicklung des Betons und damit bestmöglicher Rissvermeidung entwickelt. Dabei wird auch gezielt die Nacherhärtung zur Beurteilung der Druckfestigkeitsklasse bei einem möglichst späten Betonalter von 56 bzw. 90 Tagen genutzt.
Nachhaltigkeit bei BS2: die Bindemittel entscheiden
Aufgrund der Anforderung, dass bei der Erhärtung die Hydratationswärme möglichst gering sein soll, werden für die Regelbetonsorten Bindemittel verwendet, welche eine niedrige Temperaturentwicklung verursachen. Dies wird durch die Reduzierung des Zementklinkeranteils, welcher hauptverantwortlich für die Temperaturentwicklung ist, erreicht. Dazu wird ein Teil des Bindemittels mit aufbereiteten hydraulisch wirksamen Zusatzstoffen, kurz AHWZ genannt, ersetzt. AHWZ sind dabei vor allem Hüttensand und (die in Österreich kaum noch vorhandene) Flugasche. Im Gegensatz zu Zementen, die extra für die Betonerzeugung hergestellt werden, sind aufbereitete hydraulisch wirksame Zusatzstoffe Sekundärrohstoffe, die in anderen Abläufen der Industrie als Restprodukte anfallen. Aufgrund der Tatsache, dass keine zusätzliche Energie zur Gewinnung von AHWZ notwendig ist und dadurch keine weiteren Mengen an CO2 freigesetzt werden, ist die Umweltbilanz von AHWZ um einiges besser als jene des Klinkers.
In dem Bewusstsein, dass die Betonherstellung rund 5 Prozent zur weltweiten CO2-Produktion der Industrie beiträgt, ist der Ersatz von Klinker im Bindemittel auch im Sinne der Nachhaltigkeit herauszustreichen. Auch wenn die Österreichischen Zementwerke im internationalen Vergleich die wenigsten Treibhausgase emittieren, wird mit dem Betonstandard BS 2 eine weitere Reduktion erreicht.
Der Gründruck der ÖBV-Richtline „Betone mit reduzierter Frührissneigung“ ist bereits auf der Webseite der ÖBV unter www.bautechnik.pro erhältlich. Der Weißdruck folgt demnächst.