Roadmap Nachhaltigkeit am Bau 2025 : Vom "Omnibus" überfahren - relativiert die EU den Green Deal?

Small toy retro bus in the middle of Europe map. Travel by car concept.
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Sollte die Omnibus-Verordnung[1] in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden, sind Erleichterungen bezüglich der betroffenen Betriebsgrößen, des Umfanges der nachzuweisenden Nachhaltigkeitskriterien, bezüglich der Länge der eigenverantwortlich zu prüfenden Lieferkette sowie auch des Zeitpunktes der Gültigkeit zu erwarten.

[1] https://commission.europa.eu/publications/omnibus-i_en?prefLang=de

Was steckt hinter Omnibus?

Die Omnibus-Richtlinie wurde ins Leben gerufen, um bestehende EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu überarbeiten. In den letzten Jahren wurden mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und der EU-Taxonomie immer mehr Berichtspflichten eingeführt, die Unternehmen oft als übermäßig komplex empfanden. Die EU-Kommission will nun nachjustieren: Weniger Bürokratie, mehr Effizienz, lautet das Motto.

Das Ziel: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen von einem geringeren Verwaltungsaufwand profitieren. Große Konzerne bleiben zwar weiterhin in der Pflicht, aber auch für sie könnten sich Vereinfachungen ergeben. Öffentliche Auftraggeber müssen sich nun überlegen, wie sie ihre Vergabekriterien anpassen – und ob Nachhaltigkeitsvorgaben in den Hintergrund rücken.

>> Lesen Sie dazu auch: EU-"Omnibus" - was ändert sich für Österreichs Bauwirtschaft?

Ähnliches ist vor Weihnachten bereits bezüglich der Entwaldungsverordnung[1] beschlossen worden, deren Einführung kurzfristig um ein Jahr verschoben wurde, um den Unternehmen ausreichend Zeit zur Vorbereitung zu geben.

Doch sollte der Umfang der Erleichterungen nicht überschätzt werden. Einerseits muss der Entwurf noch durch den üblichen legislativen Prozess der europäischen Union, inklusive Trilog-Verhandlungen mit europäischem Rat und Parlament. Hier kann sich noch einiges ändern.

Andererseits sind nur ein überschaubarer Anteil der umfangreichen[2] Rechtsakte und Verordnungen des europäischen Green Deal von den Erleichterungen betroffen.
 

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32023R1115

[2] https://www.kraisbau.at/rechtsrahmen

Hier ein Überblick über die zu erwartenden Veränderungen:

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Vorgeschlagene Erleichterungen

Bezugnehmend auf den „Report zur künftigen europäischen Wettbewerbsfähigkeit[1]“ des früheren Präsidenten der EZB, Mario Draghi beabsichtigt die vorgeschlagene Direktive 2025/0044 deutliche Erleichterungen für Unternehmen gegenüber der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) EU 2022/2464[2] und Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) EU 2024/1760[3]. Auch die Taxonomieverordnung (EUTAX) EU 2020/852[4] ist betroffen.
 

[1] https://commission.europa.eu/topics/eu-competitiveness/draghi-report_en

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32022L2464

[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202401760

[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A32020R0852

CSRD – Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Schwellenwerte für europäische und Drittlandunternehmen werden deutlich erhöht, wodurch die Anzahl der unmittelbar betroffenen Unternehmen erheblich reduziert wird und nur mehr Großunternehmen umfasst. 

Wichtiger ist jedoch die drastische Reduktion der nachzuweisenden Datenpunkte und vor allem die Änderung bezüglich des Umfanges betroffener Lieferanten bei denen Daten für die eigene Berichterstattung abzufragen sind. 

Berichtspflichtige Unternehmen müssen keine Daten mehr von Lieferanten anfragen, welche selbst nicht der CSRD Berichtspflicht unterliegen. Dies ist vor allem für KMU-Unternehmen, welche als Zulieferer für berichtspflichtige Unternehmen tätig sind, eine erhebliche Entlastung und deckt sich mit dem allgemeinen Ziel der EU-Strategie, KMU im Wettbewerb vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen.

Die doppelte Wesentlichkeitsprüfung bleibt bestehen, ebenso die rechtliche Gleichwertigkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung zum kaufmännischen und steuerlichen Jahresabschluss – inklusive Testat durch Wirtschaftsprüfung und äquivalenter Sanktionsandrohung.

CSDDD – Lieferkettenrichtlinie

Neben der zeitlichen Verschiebung der Erstanwendung um ein Jahr bringt vor allem die drastische (und vielfach geforderte) Reduzierung der selbst zu bewertenden Lieferkettenteilnehmer wichtige Erleichterungen mit sich.

Der stark kritisierte Zwang, sämtliche Unternehmen über die gesamte Lieferkette hinweg verantwortlich selbst zu überprüfen wurde durch eine Prüfpflicht aller direkten Zulieferer ersetzt. Nur bei begründetem Verdacht müssen auch die Vorlieferanten einer Prüfung unterzogen werden. Die wiederkehrenden Prüfungen können nun alle fünf Jahre durchgeführt werden, statt vorher beschlossen jährlich.

Weiters wurde die Möglichkeit des „Golden Plating“ für Mitgliedsstaaten außer Kraft gesetzt sodass europaweit dieselben Anforderungen gelten.

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EUTAX – Taxonomieverordnung

Auch diese Verordnung richtet sich nun unmittelbar nur mehr an Großunternehmen – diese Regelung wurde sinnvollerweise an die CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung angepasst. 

Die Möglichkeit der freiwilligen Berichterstattung bleibt bestehen. Aufgrund der bestehenden, auf Nachhaltigkeitsnachweise bezugnehmenden Refinanzierungsregeln der EZB gegenüber den Geschäftsbanken wird die freiwillige Berichterstattung weiterhin eine Rolle spielen. 

Eine nun mögliche Wesentlichkeitsprüfung ermöglicht es, auf die Berücksichtigung von nebensächlichen Aktivitäten (< 10%) zu verzichten, wodurch der Aufwand ebenfalls reduziert wird.

Entwarnung oder Panikmodus?

Die genannten Änderungen haben in der Nachhaltigkeits-Community zu erheblicher Verunsicherung geführt, welche auch umwelttechnisch progressiven Unternehmen Sorgenfalten verursacht. Ist die Werthaltigkeit bereits beschlossener oder getätigter Investitionen in Frage gestellt? Sind die neuen, umwelttechnisch vorteilhaften Produkte noch verkaufbar, oder behindert die Omnibus-Verordnung die Markteinführung?

Die kommende Änderung der Rechtslage bringt weder völlige Entwarnung im Bereich der Nachweispflichten mit sich, noch berechtigt sie zu ökologischer oder ökonomischer Panik. Viele der Änderungen werden schon lange diskutiert und sind weitgehend konsensuale Erleichterungen, welche nötig sind, um den Green Deal im zwischenzeitlich drastisch verschärften interkontinentalen Wettbewerb überhaupt umsetzbar zu machen.

Kreislauffähigkeit wird digitalisiert

Die Umsetzung wichtiger Rechtsrahmen wie der Ökodesignverordnung[1] EU 2024/1781 (ESPR) und der neuen europäische Bauproduktenverordnung[2] EU 2024/3110 (CPR) bleibt weiterhin im Zeitplan und inhaltlich unverändert.

Davon sind laut EUROSTAT[3] über 2.4 Millionen produzierende Unternehmen betroffen, welche die umfangreichen Regeln zum kreislauffähigen Produktdesign mit langer Lebensdauer ebenso zu erfüllen haben wie die maschinenlesbaren Dokumentationspflichten über die neuen Leistungs- und Konformitätserklärungen (derzeit standardisiert in der CEN TC 442 WG 12) und die digitalen Produktpässe nach CEN / CENELEC JTC 24. 

Damit wird eine leicht zugängliche Datenbasis geschaffen, welche künftige Nachhaltigkeitsberechnungen weitgehend automatisiert umsetzbar macht.
 

[1] https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/ecodesign-requirements-for-sustainable-products.html

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32024R3110

[3] https://ec.europa.eu/eurostat/documents/15216629/19617658/KS-ET-24-001-EN-N.pdf/1e0609f7-7014-e3bc-a0d3-f173c1f1f575?version=4.0&t=1721303309387

Neuer Ansatz: Wirtschaftliche Benefits anstelle behördlichen Zwanges

Bereits heute spielen hervorragende Nachhaltigkeits- und Energieverbrauchskennwerte eine große Rolle in der Immobilienbewertung. Geplante Mietendeckel für thermisch schlecht sanierte Wohngebäude und ähnliche Maßnahmen werden dies noch weiter verstärken.

Die Europäische Union bringt mit verschiedenen Maßnahmen die Nachhaltigkeitsbewertung auf eine marktwirtschaftliche Ebene und beabsichtigt, sie gleichzeitig digital und effizient durchführbar zu gestalten.

Dadurch wird die gewünschte Verhaltensänderung hin zu ökologisch vertretbarer wirtschaftlicher Tätigkeit möglicherweise von Zwangsmaßnahmen unabhängig, und schwerwiegende bürokratische Beeinträchtigungen am Ende entbehrlich. 

Der Omnibus ist nicht das Ende des „Green Deal“.