Urban Mining : Erste europäische Rohstofflager-Stadt am Start
Mit dem Pilot-Vorhaben will Heidelberg als Pionier der Kreislaufwirtschaft in der Stadtentwicklung und im Städtebau vorangehen. Für Jürgen Odszuck, der als Erster Bürgermeister zuständig für die Ressorts Stadtentwicklung und Bauen ist, bedeutet Urban Mining eine Möglichkeit, um die Klimaziele der Kommune zu erreichen: "Bis spätestens 2050 wollen wir klimaneutral werden und den Energiebedarf der Kommune um die Hälfte senken. Das schaffen wir nur, wenn wir uns bereits jetzt mit dem enormen Energie- und Ressourcenverbrauch auseinandersetzen, den Bautätigkeiten verursachen. Urban Mining als eine Art moderner Bergbau in der Stadt kommt dabei eine Schlüsselrolle zu."
Ziel des Pilotprojekts in Heidelberg ist eine vollständige ökonomische und ökologische Analyse des gesamten Gebäudebestands, der in einem digitalen Materialkataster zusammengefasst wird. Das Kataster soll fortan Auskunft darüber geben, welches Material in welcher Qualität und in welcher Menge verbaut wurde. "Dadurch lassen sich Deponien und Aufbereitungsflächen entsprechend planen und eine regionale Wertschöpfung durch regionale Lieferketten und neue Geschäftsmodelle anstoßen. Das verringert die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen oder lange Transportwege", erklärt Jürgen Odszuck.
190 Tonnen Rohstoffe pro Person in Deutschland
Grundlage für das Kataster bildet der vom Umweltberatungsinstitut EPEA entwickelte Urban Mining Screener. Dabei handelt es sich um ein Programm, das anhand von Gebäudedaten wie beispielsweise Bauort, Baujahr, Gebäudevolumen oder Gebäudetyp deren materielle Zusammensetzung auf Knopfdruck schätzen kann. Mit dem Patrick-Henry-Village (siehe Kasten) wurde bereits eine Fläche erfasst.
Im nächsten Schritt soll das Kataster auf den gesamten Gebäudebestand Heidelbergs ausgeweitet werden. "Das Kataster liefert damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage für zukünftige Quartiersentwicklungen", erklärt Matthias Heinrich, Urban Mining-Spezialist bei EPEA. "
In ganz Deutschland summiert sich die Rohstoffsubstanz der Gebäude auf etwa 15 bis 16 Milliarden Tonnen, das sind 190 Tonnen pro Person. Unter Berücksichtigung des Tiefbaus wie Straßen ist ein Rohstofflager von fast 29 Milliarden Tonnen entstanden.
Mit der ortsansässigen HeidelbergCement AG unterstützt eines der weltweit größten Baustoffunternehmen das Pilotprojekt. Begleitet wird die Stadt außerdem durch die Material-Plattform Madaster, die Konzeption liegt beim Umweltberatungsinstitut EPEA, einer Tochter des Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE.
Patrick-Henry-Village als gigantisches Rohstofflager in der Stadt
Das Kataster der Stadt Heidelberg erfasst bereits erste Gebäude wie das Patrick-Henry-Village:
Diese ehemalige Wohnsiedlung für Angehörige der US-Armee, ist mit rund 100 Hektar die größte Konversionsfläche Heidelbergs. Die bestehenden 325 Gebäude müssen für die neue Siedlung saniert oder abgerissen werden. Sie stellen ein gigantisches Rohstofflager dar, wie der Urban Mining Screener berechnet hat:
465.884 Tonnen Material, davon entfällt etwa die Hälfte auf Beton, ein Fünftel auf Mauersteine und gut fünf Prozent auf Metalle.
Langfristig sollen hier Wohnungen für 10.000 Menschen und Raum für rund 5.000 Arbeitsplätze entstehen.