Nachhaltigkeit : Öko-Bilanz von Baustoffen: weg von der reinen Herstellung
Die wichtigsten Punkte
Mit möglichst wenig Material möglichst viel Effekt erreichen
Ausgangspunkt der Umweltbilanzierungsüberlegungen in Bauers Forschung an der TU Wien im Institut für Tragwerksplanung ist die ewige Frage nach einem tatsächlich effizienten Einsatz von Baumaterial. „Man möchte ja gern mit möglichst wenig Material möglichst viel Effekt erreichen“, sagt Bauer. „Das erzeugt anmutige Konstruktionen, das gefällt uns und das hat auch etwas mit Ästhetik zu tun. Das ist sozusagen die klassische Geschichte. Und nun kann, soll und muss man sich zusätzlich die Frage stellen: Wie schaut das jetzt aus der Umweltbilanz heraus? Ist es wirklich so, dass automatisch ein. geringeres Gewicht zu einer besseren Umweltbilanz führt? Und da kann man jetzt einmal uneingeschränkt sagen: so direkt geht das natürlich nicht.“
Baustoffe im Faktencheck - lesen Sie HIER, welche Argumente jeweils für welche Baustoffe sprechen und wie der Entwicklungsstand jeweils ist!
Würde man etwa einen umweltgerechten Träger bauen wollen und dazu die verschiedenen Materialien vergleichen mit deren bekannten Vorteilen – „dass zum Beispiel Beton gut auf Druck ist, Stahl auf Zug und Druck sehr gut, dass auch Holz sehr leistungsfähig ist, vor allem in Bezug auf seine Masse“ -, dürfte man nicht nur beim Gewicht per se stehenbleiben, sondern es ginge natürlich auch darum, die Leistungsfähigkeit des Materials und den damit verbundenen Aufwand an Ressourcen zu beziffern. Dazu aber braucht man verlässliche Werte.
Fragen nach Beginn, Umfang und Ende des Prozesses unterschiedlich gelöst
Man müsse, so Bauer, zum Beispiel wissen, wie viel CO2 ein Träger aus Stahl, Holz, Aluminium oder Stahlbeton nicht nur in der Herstellung braucht, sondern auch in der Montage, im Lebenszyklus des Gebäudes und dann wieder bei der Entsorgung. „Dabei sind uns ein paar Sachen aufgefallen, zum Beispiel dass man ja eigentlich in Europa wissen müsste, welchen CO2-Impact eine Tonne oder ein Kilogramm Stahl in unserer Umwelt hat. Aber dabei können sie je nach verwendeter Datenbank einen Faktor zwischen eins und vier an Streuung finden!“ Dabei würde man noch rein über den DACH-Raum Österreich, Deutschland, Schweiz reden. In der EU habe man allerdings Gott sei Dank eine Norm verabschiedet, die zumindest die Begrifflichkeiten vereinheitlichen würde.
Dennoch bleiben die Fragen nach dem Beginn, dem Umfang und dem Ende des Prozesses unterschiedlich gelöst – und das, obwohl sie ökologisch so bedeutend sind.
Bauer: „Trotz aller Normierung kommen die DACH-Staaten aber auf unterschiedliche Werte und das ist jetzt nicht mehr ganz so einfach. Denn wenn ich jetzt wissen will, wie die Gesamt CO2-Bilanz eines Trägers aussieht, muss ich natürlich nicht nur wissen, wie groß und schwer der Träger ist, sondern welchen CO2 Impact pro Kilogramm ich habe.“
Welche Datenbank in welchem Land?
In Sachen ökologischer Betrachtung der Baustoffe wird in Österreich die Datenbank "Baubook" verwendet. Sie betrachtet die Baustoffe allerdings nur im Herstellungsprozess. Daher verwenden manche lieber die bundesdeutsche "Ökobaudat". In der Schweiz ist "Ecobau" die erste Anlaufstelle.
Österreich fokussiert bis jetzt nur auf Herstellung
„Und die Österreicher haben sich in ihrer Datenbank aus Gründen, die aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar sind, allein auf den Bereich der Herstellung fokussiert. Und da Stahl mit ganz grob 2,4 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Stahl eine nicht sehr schöne Bilanz, vor allem wenn man die herkömmlichen Verfahren anschaut.“ „Herkömmlich“ deshalb, weil bereits daran gearbeitet wird, etwa unter dem Schlagwort „grüner Stahl“ die Verfahren dergestalt zu modernisieren, dass man die graue Energie über Elektrizität in den Prozess bringt und damit über nachhaltige Energiegewinnung mittels Windkraft, Photovoltaik etc. die CO2-Bilanz enorm verbessern (den Fußabdruck auf ca. 25 Prozent reduzieren) kann.
Bleiben wir aber beim normalen Stahl. Hier, so Peter Bauer, ist es auch nicht egal, ob man die sehr hohe Stahl-Recyclingquote in Europa, die mehr als 85 % beträgt, in die Berechnung hinein zieht oder nicht. „Das machen etwa die Schweizer in ihrer Datenbank. Dann steht dem nur mehr das gegenüber, was sie zum Aufschmelzen wieder brauchen -aber das ist schon wesentlich weniger Aufwand, als das Ganze vom Erz zu lösen. Dann kommen sie plötzlich auf etwa 1/3 des Wertes gegenüber einer vollständigen Neuherstellung.
Lebenszyklus, Leistungsfähigkeit und Recycling
Wenn man sich demgegenüber zum Beispiel Holz ansähe, werde in der Herstellung zwar jedenfalls CO2 gebunden. In dem Moment, wo sie das Holz am Ende des Lebenszyklus aber verbrennen, habe man eine CO2-Bilanz von Null, weil das gebundene CO2 durch Thermische Verwertung zur Gänze wieder frei wird. Peter Bauer: „Die Österreicher haben in ihrer Datenbank dort aber ein Minus stehen, weil sie ja nur den Herstellungsprozess in ihre Beobachtungen einbeziehen. In dieser Betrachtung wird ein Holzträger immer gegen jedes andere Material gewinnen, weil ihnen die Optimierung auch nicht den bestmöglichen Holzträger ausrechnet, sondern den schwersten und dicksten möglichen, den sie noch einbauen können, denn je mehr CO2-Speicher über die Masse, desto positiver ist es beim Optimieren. Beim Stahlträger wird im Gegensatz dazu ein Optimierer immer gegen das kleinstmögliche Startgewicht streben, bei dem der Träger gerade noch die Leistung erfüllt.“
Nähme man aber die Schweizer Datenbank-Werte her, so könnte man zeigen, dass ab gewissen Spannweiten bei einer gewissen Auslastung der Stahlträger schon eine bessere Umweltbilanz hat als jener aus Holz. Stahl verbraucht zwar immer noch viel mehr CO2, aber es ist mit einem Faktor zehn an Festigkeit und an Elastizität wesentlich leistungsfähiger als Holz. Würde man da dann noch einen Stahl einsetzen, der besonders günstige CO2 Bilanzen hat und wenig graue Energie braucht, dann würde man damit den Holzträger bei weitem schlagen.
Dass wir wirklich nachhaltig bauen, gehört einmal gefälligst in die Gesetzgebung hinein.Peter Bauer, TU Wien
Kein reines Sandkastenspiel
Könnte man da nicht auch einfach die Schweizer Datenbank verwenden? Peter Bauer: „Die Frage ist: Wozu brauche. Ich das überhaupt? Ich kann jedenfalls als Lehrender und auch als Planer und als Ziviltechniker sagen: dass wir wirklich nachhaltig bauen, gehört einmal gefälligst in die Gesetzgebung hinein. Wir wollen 2040 oder 2050 CO2-neutral sein - und ich kann heute noch so bauen wie in der 1960ern. Ich muss keine CO2 Bilanz nachweisen. Ich muss nicht nachweisen, wie mein Gebäude After Life wieder zerlegbar ist, wie gut ich recyceln kann, wie gut ich es re-usen kann und das ist einfach unverantwortlich. Deswegen wäre ich ein Freund davon, dass man endlich einmal diese Dinge wirklich und zwar schleunigst und zügigst ausrollt, denn wenn sich viele damit beschäftigen und nicht nur Universitäten, wird dann plötzlich, glaube ich, eine große Diskussion vonstattengehen und sagen: ja, das führt doch in die Irre, mit einer reinen Herstellungsbetrachtung können wir das nicht machen.“