Österreich : ÖBV: gemeinsam gegen den Preisschock und Materialknappheit
Ob Stahl, Holz, Bitumen oder auch Kupfer: Auf den österreichischen Baustellen werden derzeit fast alle Baumaterialien knapp und teuer. Höhere Baukosten sind die Folge. Jetzt wurde eine Initiative in der Österreichischen Bautechnik Vereinigung gestartet, um hier als Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam dagegen anzukämpfen!
Nicht ausschließlich wegen, aber verstärkt durch die Corona-Krise, kam und kommt es auf Österreichs Baustellen zu Preissteigerungen und Lieferengpässen bei den Baumaterialien.
Da dies aufgrund von Bauzeitverlängerungen und damit verbunden höheren Baukosten in gleichem Maße für Auftraggeber, Auftragnehmer, Subunternehmer und Lieferanten von Nachteil ist, hat der Vorstand der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) im Mai 2021 beschlossen, dass ein paritätisch aus Auftraggebern- und Auftragnehmern-Experten besetzter Arbeitskreis eine Vorgangsweise zum Umgang mit den aktuellen Preiserhöhungen und Lieferengpässen zahlreicher Baumaterialien unter dem Geist der „kooperativen Projektabwicklung“ darlegen und gleichzeitig eine Handlungsempfehlung für die Ausschreibung neuer Projekte bieten soll.
In nur sieben, zeitlich rasch aufeinanderfolgenden Sitzungen wurde somit dem Gedanken der Kooperation folgend von dem Expertengremium, dem Vertreter der Auftraggeberseite – wie ÖBB, ASFINAG, WIENER LINIEN und BIG – sowie der Auftragnehmerseite wie STRABAG, PORR, SWIETELSKY, und HABAU – angehörten, ein Leitfaden erstellt, der sich mit Preisveränderungen und Lieferengpässen auseinandersetzt.
Bei diesem neuen ÖBV-Leitfaden handelt es sich um eine Empfehlung des Arbeitskreises. Dieser gliedert sich in vier Bereiche, wobei unterschieden wird in bereits bestehende Verträge und zukünftige Ausschreibungen, jeweils damit verbunden die Themen Preisveränderungen sowie Lieferengpässe/Lieferausfälle. Beim Thema Preisveränderungen wird auch darauf Rücksicht genommen, ob veränderliche Preise oder Festpreise vereinbart wurden bzw. werden sollen.
Der Anwendungszeitraum für die Empfehlungen im Leitfaden ist mit derzeit 1. Jänner - 30. September 2021 zeitlich begrenzt, eine Verlängerung ist jedoch, nach Evaluierung durch den Arbeitskreis, möglich.
Explizit festgestellt wird, dass die derzeitigen Preisveränderungen und Lieferengpässe multikausal (z.B. auch aufgrund von Naturkatastrophen oder Unfällen) sind und nicht ausschließlich auf COVID-19 zurückzuführen sind. Auch gilt es festzustellen, dass der Grundsatz der Vertragseinhaltung ein hohes Gut ist, von dem nur unter besonders ins Gewicht fallenden Situationen abgewichen werden sollte. Daher ist im Anwendungsfall des Leitfadens ein sensibler Umgang erforderlich.
Betreffend der Preisveränderungen wird im Leitfaden empfohlen, dass in Fällen, in welchen die vereinbarte Preisumrechnungsgrundlage eine der beiden Seiten in einem nicht zumutbaren Ausmaß benachteiligt, diese z.B. durch Wahl eines anderen, sachgerechteren Index, anzupassen. Als Orientierung und Hilfestellung wurde im Zuge des Leitfadens hierfür ein Berechnungsmodell erstellt.
Ebenso dem Gedanken der „kooperativen Projektabwicklung“ folgend wurden anstelle einer nahezu unmöglichen Beweisbarkeit gemeinsam von Auftraggeber- und Auftragnehmer-Seite Kriterien für eine Glaubhaftmachung der „objektiven Nichtverfügbarkeit“ (= kompletter Lieferausfall) festgelegt.
Für zukünftige Ausschreibungen empfiehlt der Arbeitskreis, im Regelfall zu veränderlichen Preisen mit möglichst treffsicheren und sachgerechten (Sub)Indizes auszuschreiben sowie nach Möglichkeit zusätzliche Dispositionsfristen und eine Flexibilisierung der Bauzeit vorzusehen.
Die Experten des ÖBV-Arbeitskreises sind überzeugt davon, dass durch die Anwendung des Leitfadens, herausgegeben durch die Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV) in ihrer Rolle als neutrale Plattform, es möglich ist, jetzt rasch und unbürokratisch auf die für alle am Baugeschehen beteiligten Unternehmungen herausfordernden Ereignisse reagieren und gemeinsam diese bewältigen zu können!