Immobilien : Mikro-Wohnen hilft beim Energiesparen

Mikroappartment Tripel

Die 672 Micro-Apartments im Youniq Vienna Triiiple sind voll eingerichtet.

- © MANFRED SODIA photography

Oft verwundert es, wie lange diverse Produkte beziehungsweise – mit Bezug auf den Immobiliensektor – Assetklassen schon existieren. So auch im Fall von Mikroapartments, die es, wenn man von der modernen Begrifflichkeit absieht, schon seit geraumer Zeit in Europa gibt.
Bereits bei dem Modell der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky in den 1920er-Jahren ging es um die optimale Ausnutzung von Raum und um Effizienz, genauso wie bei der Werkbundsiedlung in Wien Hietzing oder der Weißenhofsiedlung in Stuttgart. „Die Basis wurde also architekturhistorisch betrachtet schon sehr früh gelegt. In der heutigen Zeit geht es darum, wie wir mit den modernen Anforderungen damit umgehen und welche nachhaltigen Konzepte wir daraus entwickeln können“, berichtet Florian Rode (siehe Interview). Er ist Partner bei HPN architects, die das Ende vorigen Jahres fertiggestellte Ari-Rath-Haus in der Muthgasse in Wien Döbling planten. Das elfstöckige Gebäude zählt 313 Mikroapartments.

Einige Monate früher, konkret im Mai 2021, wurde in Wien ein weiteres Micro-Living-Gebäude finalisiert. Es handelt sich um das Youniq Vienna Triiiple, das 672 Kleinapartments umfasst. Realisiert wurde es auf 35 Etagen in einem der drei Türme des Triiiple bei der Erdberger Lände im 3. Bezirk. Das deutsche Immobilien-Investmentunternehmen Corestate hatte den Monolithen bereits 2017 von Soravia und ARE Austrian Real Estate erworben.

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SOLID Bau - Fachmagazin

Wenig Fläche, wenig Energiebedarf

Fertigstellungen von großen Projekten wie diesen beiden scheinen zu belegen, dass der Trend zu Mikroapartments hierzulande anhält. Das trotz der Covid-19-Pandemie, die die nicht nur die Österreicher mehr Wohnfläche begehren ließ. Stichwort: ein Raum für Homeoffice. Jedoch befinden sich keine weiteren Großprojekte in der Pipeline. Dessen ungeachtet hat die Assetklasse Zukunftschancen. Denn aufgrund ihrer geringen Kubatur benötigen Kleinstwohnungen wenig Energie. Angesichts der rasant steigenden Preise für Strom, Gas & Co macht sie dieses Faktum interessant.

Tiny Houses ebenfalls interessant

Ebenfalls klein an Wohnfläche, gelten in vieler Hinsicht auch Tiny Houses als interessant. Simone Kamleitner ist Geschäftsführerin von Me & Me in Schleedorf im Bezirk Salzburg-Umgebung. Mit ihrem Team entwickelt sie zwischen 30 und 90 Quadratmeter große Mikrohäuser, die ab Euro 114.000 schlüsselfertig erhältlich sind. Realisiert werden diese von lokalen Unternehmen.
„Die meisten Anfragen kommen aus dem Burgenland und Niederösterreich. Die Tiny Houses werden zum ganzjährigen Wohnen, zur Vermietung, als Rentnerdomizile, als Ferienhäuser und vieles mehr benutzt. Nächstes Jahr entsteht das erste Me & Me Mikrohausdorf Schneegattern im Bezirk Braunau, umgesetzt mit der Firma Schober Holzbau in Schneegattern“, berichtet Kamleitner. Auf einem knapp 5.800 m2 großen Pachtgrundstück nehmen zwölf Tiny Houses Gestalt an, alle mit Terrasse und Garten. Das Herzstück des Projekts bildet eine Begegnungszone.

Simone Kamleitner, Geschäftsführerin von Me & Me: „Unsere Tiny Houses sind ab Euro 114.000 schlüsselfertig erhältlich.“

Richtung Autarkie

Mit Bezug auf Schneegattern betont Kamleitner, dass gerade auf Pachtgrund befindliche Mikrohäuser die Antwort auf die Krisen anno 2022 bilden. Klein, somit günstig, dank des Pachtgrunds noch gut finanzierbar, dabei qualitativ hochwertig.

Und wie wirkt sich das steigende Bewusstsein für Ressourcenschonung sowie Energieeinsparung auf den Markt für Tiny Houses aus? Die Geschäftsführerin von Me & Me antwortet: „Insofern diese als Holzbauten gelöst sind und Schritte vom Bauherrn in Richtung Autarkie gesetzt werden, sind Mikrohäuser der richtige ‚Partner‘, um diese Ideen zu realisieren.“ Kamleitner war im Jahr 2015 übrigens eine der Ersten, die hierzulande dauerhaft in einem Tiny House lebte. Sie weiß aber freilich von Pionieren wie vom Kabarettisten Roland Düringer, die lange davor das Thema Kleinhaus propagierten.

Fest steht, dass es sich bei Tiny Houses und Mikroapartments um Assetklassen handelt, die sich auf dem heimischen Immobilienmarkt zurecht etabliert haben. Wie die meisten anderen Assetklassen auch befinden sie sich im Wandel. Vorranging Tiny Houses könnten von der aktuellen Welt(-krisen-)lage profitieren.

„Es geht stets um Dimensionierung von Raum“

Ressourcenschonende Planung hat mit zweckgebundener Flächeneffizienz zu tun, meint Florian Rode, Partner bei HPN architects.

Was bildete die architektonische Herausforderung beim „Square Two“ mit seinen 313 Mikroapartments?

Florian Rode: Wir verstehen Architektur immer als ein gesamtheitliches Konzept. Das heißt, die Herausforderung besteht darin, in welchem Kontext das Gebäude zu seiner Umgebung steht und wie es auch den öffentlichen Raum kommuniziert. Beim Projekt „Square Two“ – das jetzt nach dem Journalisten und Friedensaktivisten Ari Rath benannt ist – erreichten wir durch eine Reduzierung der bebauten Fläche eine Vergrößerung des direkt angrenzenden Leopold-Ungar-Platzes, der im gesamten Areal durch eine Vielfalt an Pflanzen und Bäumen eine Verbesserung des Mikroklimas sowie Schaffung von Sitzbereichen mehr Aufenthaltsqualität generiert. Die stringente Lochfassade wird durch hervortretende Lisenen vertikal betont und durch das dadurch entstehende Schattenspiel belebt.

Inwiefern unterscheiden sich dort die Studentenapartments von den Smart-Business-Wohnungen?

Durch deren Größe, Ausstattung und geographischer Orientierung, wobei natürlich auch Studenten in den Smart-Business-Apartments willkommen sind.

Welchen Stellenwert haben Gemeinschaftsflächen?

Gemeinschaftsflächen entsprechen ganz grundsätzlich dem modernen Standard im Serviced- oder Mikroapartment-Bereich und sind natürlich besonders für Studierende und Auszubildende im Ari-Rath-Haus ein wesentlicher Bestandteil. Die Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume, eine Terrasse, der Waschsalon, die Fahrradabstellplätze sowie Grünflächen, sind wesentliche Kommunikations- und Interaktionsflächen. Schon bei der Planung geht es sehr früh darum, private Flächen – also Rückzugsorte – und derartige Gemeinschaftsflächen ausgewogen zu definieren.

Die Covid-19-Krise änderte die Wohnbedürfnisse. Werden Mikroapartments diesen – noch – gerecht?

Im Wesentlichen geht es immer um die Dimensionierung von Raum und nicht um Kategorien. Das bedeutet für uns, dass die Kubatur eines Raumes bestmöglich und den Anforderungen der Zeit entsprechend ausgenutzt wird. Wenn man sich genau überlegt, welche Anforderungen wieviel Flächen tatsächlich in Anspruch nehmen, ohne, dass ein Gefühl der Enge entsteht, und dies – wie etwa bei den Studenten-Apartments – in eine Relation setzt, dann ist man auch bei kleineren Einheiten auf dem richtigen Weg.

Das Bewusstsein für Ressourcenschonung steigt. Orten Sie vor diesem Hintergrund steigendes Interesse an Mikroapartments?

Ressourcenschonende Planung hat aus unserer Sicht immer etwas mit zweckgebundener Flächeneffizienz zu tun. Dies spart nicht nur Kosten bei der Errichtung, sondern auch im laufenden Betrieb. Darüber hinaus wurde das Gesamtkonzept des Ari-Rath-Haus von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) mit einem Gold-Zertifikat nach dem europäischen Zertifizierungssystem „DGNB“ ausgezeichnet. Diese Zertifizierung verdeutlicht die hohen Standards, die wir in dem Projekt umsetzen konnten. Dazu zählt beispielsweise auch das Schwammstadt-Prinzip für die Stadtbäume. Dieses innovative Konzept verbessert die Lebensraumbedingungen dieser Stadtbäume, indem die Wurzeln mehr Raum erhalten und das Regenwasser durch unterirdische Schotterkörper aufgenommen und lokal gespeichert wird.

Florian Rode ist Partner bei HPN architects
© MANFRED SODIA photography
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