Interview : „Der Bau ist ein wichtiger Teil der Energiewende!“

Landesinnungsmeister Steiermark Michael Stvarnik

Michael Stvarnik, neuer Landesinnungsmeister Bau Steiermark, setzt in seinem Betrieb bereits die 4-Tages-Woche um.

- © Michaela Pfleger

Wie sehr ist Ihre Arbeit in der Innung und jetzt speziell als neuer Landesinnungsmeister durch die aktuellen Krisen (Pandemie, Teuerung, Lieferengpässe) geprägt?
Michael Stvarnik:
Die aktuellen Herausforderungen beeinflussen sich im Endeffekt gegenseitig. Eines der größten Themen ist und bleibt der Fachkräftemangel. Wir haben zwar steigende Lehrlingszahlen, aber die geburtenstarken Jahrgänge treten langsam aus dem Arbeitsprozess aus. Dieses Problem betrifft allerdings die gesamte Wirtschaft. Die volatilen Baustoffpreise sind das nächste Thema, das uns täglich begleitet. Hier geht es nicht nur darum, was am Weltmarkt geschieht.
Was mir mitunter Sorgen bereitet, sind die enormen Preissteigerungen bei regional erzeugten Baustoffen wie zum Beispiel Ziegel und Holz, die mir nicht nachvollziehbar erscheinen. Die Pandemie hat die Branche im Großen und Ganzen gut gemeistert. Zurzeit herrscht noch eine sehr gute Auftragslage, weil viele Bauprojekte aufgrund von Förderungen etc. vorgezogen wurden. Allerdings wird das mit Jahresende abflauen und für nächstes Jahr wird man mit gravierenden Einbußen rechnen müssen.

Was sind Ihre Pläne als neuer Landesinnungsmeister? Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger, was beibehalten und ausbauen?

Womit wir uns intensiv befassen werden, ist die Frage „Wie kann Wohnen in Zukunft aussehen und leistbar bleiben?“ Dazu planen wir eine Enquete. Das Dauerthema Verkürzung und Vereinfachung der Behördenverfahren steht ebenfalls ganz oben auf meiner Prioritätenliste. „Gold Plating“, also die Übererfüllung von EU-Richtlinien und anderen Vorgaben ebenso. Wir sind als Bauwirtschaft bestrebt, weiterhin unseren Teil zur Energiewende beizutragen. Das beinhaltet zukunftsorientierte Gebäude- und Standplanung mit Grünräumen, regionale Materialien mit kurzen Lieferketten und das Recycling von Baustoffen.

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Stichwort Fachkräftemangel: Welche Initiativen gibt es seitens der Innung dagegen? Wie macht sich die Situation in der Steiermark bemerkbar?
Noch haben wir in den steirischen Betrieben großteils steigende Lehrlingszahlen, wir legen weiterhin einen Schwerpunkt auf die Lehrlingsausbildung und versuchen junge, engagierte Menschen etwa mit den jährlichen Lehrlingscastings an der BAUAkademie in Übelbach dafür zu begeistern. Es muss aber auch gelingen, zusätzliche Arbeitskräfte aus anderen Teilen der Wirtschaft dazu zu motivieren, sich für den Bau zu entscheiden – idealerweise aus bauaffinen Branchen. Einer unsere Vorteile ist sicher die hervorragende Bezahlung.
Zusätzlich denken viele seit der Pandemie verstärkt über flexiblere Arbeitszeiten nach: Wir selbst verwenden im Betrieb das Modell der 4-Tages-Woche, immer mehr Betriebe setzen das versuchsweise um. Der Fachkräftemangel wird ebenso zu einem Teil mit ausländischen Kräften gedeckt werden müssen. Damit wissen wir umzugehen, man denke nur an die boomenden 1970er Jahre.

Was sind Ihre Lösungsansätze für die Baupreissituation?

Hohe Baustoffpreise sind immer abhängig davon, wer über sie verfügt. Ich glaube, dass sich gute Produkte in schlechten Händen befinden. Sich als Planer und Genossenschaften die Verwendung alternativer Baustoffe zu überlegen, ist sinnvoll, um wieder Bewegung am Baustoffmarkt zu erzielen. Das sendet deutliche Signale an Produzenten. Zum Bauen im nicht-öffentlichen Bereich kann ich sagen: Es muss nicht teuer sein. Je früher man sich mit einem Baumeister abstimmt, desto besser. Es ist durchaus möglich, zu Festpreisen zu bauen. Dazu braucht es allerdings klare Details und Stückzahlen, keine Mengenschätzungen, sodass vorab bestellt werden kann.

Einer unsere Vorteile ist sicher die hervorragende Bezahlung.
Michael Stvarnik, Landesinnungsmeister Steiermark

Mit welchen Anliegen kommen die Innungsmitglieder zu Ihnen?
Besonders die vergangenen Jahre waren von Verunsicherungen rund um die Pandemie geprägt. Unternehmen erkundigten sich nach den aktuellen Coronarichtlinien und -auflagen, wie es mit ihren Mitarbeitenden und der Zeitplanung auf Baustellen weitergeht.
Natürlich gibt es Bereiche, über die sich Firmen schon vor Corona vermehrt Auskunft holten. Zu diesen gehören Fragen zu Kollektivverträgen und dem Baugesetz, gewerbe- und baurechtliche Fragen und Unklarheiten zum Thema Pfusch und illegale Beschäftigung. Neue Mitgliedsbetriebe erkundigen sich oft nach der Anerkennung der fachlichen Tätigkeiten für den Gewerbezugang oder brauchen Beratung zum Thema Lehre.

Ausblick in die Zukunft bis 2025: Wie sehr wird sich die Baubranche durch die Einflüsse bedingt durch die Krisen verändern? Wann rechnen Sie mit einer Erholung und einer Beruhigung der Lage?

Grund und Boden werden auch zukünftig nicht günstiger, das steht fest. Darauf muss man sich aufgrund derzeitiger Entwicklungen einstellen – umso wichtiger ist es, sich auf eine genaue, detailliertere Bauplanung zu konzentrieren.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden verstärkt ins Zentrum rücken. Es braucht auch neue Wohnkonzepte wie beispielsweise Gemeinschaftswohnprojekte und Generationenhäuser. Da sind wir als Planer gefordert, Gebäude zu konzipieren, die auch bei geringem Flächenbedarf durch den Bau in die Höhe eigene Grünflächen sichern, ohne den Boden unnötig zu versiegeln. Die Rahmenbedingungen der Branche bleiben insgesamt schwierig. Niemand weiß, wie sich die aktuellen Krisen entwickeln werden.

Eine Lehre in der Baubranche bedeutet, traditionelles klassisches Handwerk mit modernsten Technologien zu verbinden.
Michael Stvarnik, Landesinnungsmeister Steiermark

Michael Stvarnik, 55, Landesinnungsmeister

- Ausbildung: HTL Ortweinschule Graz, Baumeisterprüfung

- berufliche Tätigkeit: Unternehmensleitung Stvarnik-Bau GmbH, Geschäftsführer mehrerer Immobilien- und Kraftwerksunternehmen, Sachverständiger für das Bauwesen und Immobilien

- Funktionen in der Innung: Vorsitzender des Arbeitskreises Baugesetze LI Steiermark sowie Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitssicherheit des Baugewerbes und der Bauindustrie Österreich, Baumeister- und Lehrlingsprüfer

Michael Stvarnik LIM Steiermark
© Michaela Pfleger