Österreich : Lobautunnel: Laut Verfassungsjurist Ministerklage möglich
Im Streit um den Bau des Lobautunnels hat die Wirtschaftskammer Wien (WKW) heute, Mittwoch, erneut auf die Umsetzung des Projekts gepocht und ihr Anliegen gleichzeitig mit einem Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer untermauert. Laut Mayer sei sogar eine Ministerklage gegen Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Bereich des Möglichen, sollte sich herausstellen, dass diese eine Weisung an die Asfinag zur Einstellung des Baus erteilt haben.
Eine solche Weisung des Ministeriums an die Asfinag ist laut Mayer nicht möglich und rechtswidrig. "Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber", so der Verfassungsexperte. "Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministeranklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen."
Auch Gesellschaftsrechtexperte Jörg Zehetner, der ebenfalls ein Rechtsgutachten in der Sache erstellt hat, sagte am Mittwoch, eine Weisung der Ministerin gegen eine Aktiengesellschaft sei "aktienrechtlich unzulässig" und zudem inhaltlich gesetzeswidrig, da eine rechtliche Verpflichtung bestehe, die Straße zu bauen. "Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist", betonte auch Mayer.
Zum derzeitigen Zeitpunkt setze sich die Ministerin aber über das Gesetz hinweg. "Im Prinzip, in der Sache, ist der Tunnel seit dem Jahr 2018 rechtskräftig genehmigt, Beschwerden an Höchstgerichte blieben erfolglos." Rechtlich könne das Projekt also nicht abgesetzt werden. Wenn Gewessler sage, dass der Tunnel nicht komme, "handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit", so Mayer weiter. Sollte sie das Gesetz ändern wollen, könne das nur der Gesetzgeber tun, nicht aber eine Ministerin, sagte Zehetner.
Auch die Argumentation Gewesslers, dass das Projekt alt und nicht mehr zeitgemäß sei, sei laut Mayer "irreführend" und "falsch aus rechtlicher Sicht". 2015 habe das Umweltministerium und 2018 das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidungen auf Basis der damals aktuellen Sachlage getroffen. Änderungen im Sachverhalt, die es bis dahin gegeben habe, hätte das Gericht mitberücksichtigen müssen und "hat es auch berücksichtigt", so Mayer. "Das Projekt ist also am Stand von 2018."
Für den Präsident der Wirtschaftskammer Wien, Walter Ruck, seien alle Interessen zum Lobautunnel bereits ausführlich abgewogen worden. Zum derzeitigen Zeitpunkt gehe es also nur noch um die Frage, ob sich ein Mitglied der Exekutive über einen Beschluss des Nationalrats und über höchstgerichtliche Urteile hinwegsetzen könne. Darüber zu entscheiden sei aber nicht seine Aufgabe, sondern die des Nationalrates, der einen Misstrauensantrag stellen oder eine Ministerklage einreichen könne.
Der Lobautunnel könne jedenfalls nicht "von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden", so Ruck. Neben der rechtlichen Grundlage fehle dafür auch das Einvernehmen mit dem Finanzministerium (BMF). Das Bauprogramm der Asfinag könne nämlich erst gültig werden, wenn es ein solches Einvernehmen gibt. Bisher stehe es aber noch aus, so Ruck.
Sollte das BMF zustimmen, sei im nächsten Schritt der Asfinag-Vorstand am Zug, sind sich die Rechtsexperten einig. Sollte es jedoch zu keinem Einvernehmen kommen, würde nach Meinung von Zehetner dagegen das alte Bauprogramm umgesetzt werden. Vom Asfinag-Aufsichtsrat fordert Ruck indessen, dass der Baustopp zurückgenommen wird.
Kritik zu den vorgelegten Rechtsgutachten kam von den Grünen und Umweltschützern. "Die Stadt Wien hat Klimaziele und diese sind mit dem Lobautunnel nicht in Einklang zu bringen. Wer also nun gegen die Absage des Lobautunnels klagt, klagt gegen das Pariser Klimaabkommen," sagte Peter Kraus, der Parteivorsitzende der Grünen in Wien. "Moderne Standortpolitik geht anders", hieß es zudem von Greenpeace. Laut Global 2000 brauche es keinen Lobautunnel, sondern eine "ökologische und sozial gerechte Mobilitätswende und einen schnellen Ausbau von bequemen und zuverlässigen Öffi-Verbindungen".
Bestätigt fühlte sich hingegen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - der ebenfalls zu den Verfechtern des Umfahrungs-Lückenschlusses zählt. Die neuen, nun präsentierten Erkenntnisse würden die Meinung und die Rechtsauffassung der Stadt Wien eindeutig bestätigen. Es werde einmal mehr klargestellt, dass die Entscheidung von Ministerin Gewessler ohne taugliche Rechtsgrundlage getroffen worden sei, hob Ludwig in einer Aussendung hervor.
Bereits der Umstand der "völligen Intransparenz des Entscheidungsprozesses" habe den Eindruck entstehen lassen, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung der Ministerin gehandelt habe, beklagte Ludwig. Man sei lediglich über die Absage des Projektes informiert worden.