Dach, Fassade und die Baunormen : Klimawandel trifft Gebäudehülle: wie sich die Bauwirtschaft vorbereitet

Baustammtisch zur Gebäudehülle bei Austrian Standards. V.li.n.re: Thomas Pöll (Chefredakteur SOLID – Wirtschaft und Technik am Bau und www.solidbau.at), Sandro Oswald (Stadtklimatologe, GeoSphere Austria), Markus Atzwanger (Teamleiter Systementwicklung, Swisspearl Österreich GmbH / Komitee 206), Doris Österreicher (Privatdozentin, Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung, Universität für Bodenkultur Wien, und Partnerin bei Treberspurg & Partner Architekten), Engelbert Schrempf (GF der Holzbau Austria und Landesinnungsmeister Stv. Holzbau Steiermark), Marc Höhne (GF Delta Projektconsult GmbH, Mitglied Präsidium ÖGNI), Werner Linhart, (gerichtlich beeideter Sachverständiger / Komitee 206 und 214)

Das Podium bei der Diskussion strotzte vor geballter Kompetenz. V.li.n.re: Thomas Pöll (Chefredakteur SOLID – Wirtschaft und Technik am Bau und www.solidbau.at), Sandro Oswald (Stadtklimatologe, GeoSphere Austria), Markus Atzwanger (Teamleiter Systementwicklung, Swisspearl Österreich GmbH / Komitee 206), Doris Österreicher (Privatdozentin, Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung, Universität für Bodenkultur Wien, und Partnerin bei Treberspurg & Partner Architekten), Engelbert Schrempf (GF der Holzbau Austria und Landesinnungsmeister Stv. Holzbau Steiermark), Marc Höhne (GF Delta Projektconsult GmbH, Mitglied Präsidium ÖGNI), Werner Linhart, (gerichtlich beeideter Sachverständiger / Komitee 206 und 214)

- © Austrian Standards

Stark diskutiertes Thema Gebäudehülle

250 Gäste folgten am 11. Mai der Einladung von Austrian Standards International - dem Normungszentrum Österreichs - und machten damit die fünfte Auflage des Baustammtisches zur teilnehmerstärksten. Kein Wunder, denn das Thema wird in der Branche heiß diskutiert. Bauwerke müssen angesichts zunehmender Wetterextreme widerstandsfähiger werden. Stadtklimatologe Sandro Oswald (GeoSphere Austria) sieht in den Klimakarten wenig Grund zur Hoffnung.

Im Gegenteil: „2025 werden wir das nächste Mal globale Klimamodelle und regionale Prognosen zusammenführen. Wir können aber davon ausgehen, dass die Ergebnisse ein deutlich negativeres Bild zeichnen werden als beim letzten Mal vor zehn Jahren. Die Berechnungen von damals waren deutlich zu kühl“.

Die Auswirkungen sind bereits heute zu spüren. Die Orte, an denen man Schutz vor diesen Extremen sucht, also unsere Gebäude, haben einen schweren Job.

Regen häufigste, Hagel massivste Bedrohung

Die Befragung des Live-Publikums zeigte, dass zwar Starkregenereignisse, gefolgt von Überhitzung, als Folgen des Klimawandels am stärksten wahrgenommen werden, aber gerade eine sehr regionale und oft kleinräumig begrenzte Thematik aus Sicht der Expert:innen die massivste Belastung darstellt.

Werner Linhart (allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Mitglied im Komitee 206 „Dachdeckungsprodukte für die überlappende Verlegung und Produkte für die Außenwandverkleidung“ sowie Obmann des Komitees 214 „Abdichtungsbahnen, Planung und Ausführung von Dach- und Bauwerksabdichtungen“) und Markus Atzwanger (Teamleiter Systementwicklung, Swisspearl Österreich GmbH, Obmann des Komitees 206) sind sich einig, dass Hagel für Dächer und Dachkonstruktionen zur Gretchenfrage wird.

Bei Hagelkörnern mit 7 cm Durchmesser und 130 km/h, wie sie nicht mehr nur im Labor vorkommen, sind fast alle Materialien und Baustoffe an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Relativ gut verträglich mit diesem zunehmenden Wetterphänomen sind am ehesten noch Kies- und Gründächer, die zudem in Sachen Wärmeabstrahlung hocheffizient sind.

Doch nicht immer ist Begrünung die Lösung. Denn bei Trockenheit bewirken trockene Rasenflächen genau das Gegenteil, nämlich Aufheizung. Klarer Rat aller Expert:innen: Fassaden- und Dachbegrünungen brauchen Pflege, Know-how und vor allem nutzbare und geordnete Wasserspeicher wie Zisternen. Diese sollten bei jeder Dachbegrünung mit eingeplant werden.

Hitze als Dauerbelastung

An zweiter Stelle in der Publikumsumfrage steht die Hitze. Es ist absehbar, dass auch in Österreich der Zeitpunkt näher rückt, an dem mehr Energie zum Kühlen als zum Heizen aufgewendet werden muss. Hier gibt es über die Gebäudehülle zahlreiche Maßnahmen, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Marc Höhne (Geschäftsführer, Delta Projektconsult GmbH, Präsidiumsmitglied der ÖGNI) und Doris Österreicher (Privatdozentin, Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung, Universität für Bodenkultur Wien und Partnerin bei Treberspurg & Partner Architekten) sind sich einig, dass die Glasfassade ohne Mehrwert wie Photovoltaik - vielleicht noch nach Süden ausgerichtet - „out“ ist.

Die Zukunft gehört neuen, hoffentlich nachhaltigen Materialien. Schwarz oder Anthrazit als Fassadenfarbe wird man bei Neubauten in Zukunft nur noch selten sehen. Schon heute sind weiße Photovoltaikmodule auf dem Markt, die dem Phänomen der Hitze vorbeugen. Denn zu viel Wärme wirkt sich negativ auf die Energieausbeute von PV-Anlagen aus.

Aber auch Holz kann im städtischen Bereich für fünf- bis sechsgeschossige Gebäude eingesetzt werden. Engelbert Schrempf (Geschäftsführer Holzbau Austria und Landesinnungsmeister Stv. Holzbau Steiermark) sieht daher gerade im urbanen Bereich eine große Zukunft für Holz, da Holz CO2 speichern kann und als Dach- oder Fassadenbaustoff auch Wetterextremen wie Hagel und Starkregen relativ gut standhält. Er registriert eine steigende Nachfrage von Stadtarchitekt:innen.

Wind und Kellerabdichtung im Kommen

In Österreich gibt es jährlich etwa vier bis fünf Superzellen (Gewittersysteme mit Tornadopotenzial) und zahlreiche Starkwindereignisse. Der Stadtklimatologe Sandro Oswald (GeoSphere Austria, ehemals ZAMG) prognostiziert für die kommenden Jahre eine weitere Zunahme und warnt, dass mit den häufiger auftretenden Hitzegewittern automatisch auch mehr Starkwinde und damit höhere Windlasten auftreten werden.

Normen für Windlasten werden hier in Zukunft mehr denn je gefragt sein. Während beim Hagel nur wenig Potenzial nach oben in den Konstruktionen selbst liegt, kann den Windlasten sehr gut konstruktiv entgegengewirkt werden.

Auch das Thema Keller wird noch unterschätzt. Gebäudehüllen werden in der Regel für einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren geplant.
Eine Ausnahme bildet der Keller, der ebenfalls zur Gebäudehülle gehört und nicht wie z.B. die Fassade am Ende des Lebenszyklus relativ einfach ausgetauscht werden kann.
Das Thema Kellerabdichtung wird aufgrund der punktuell zunehmenden Starkregenereignisse in den nächsten Jahren noch viel Aufmerksamkeit auch in der Normung erfordern.

Die Speaker:innen

  • Markus Atzwanger, Teamleiter Systementwicklung, Swisspearl Österreich GmbH, Vorsitzender des Komitees 206 „Dacheindeckungsprodukte für überlappende Verlegung und Produkte für die Außenwandverkleidung“

  • Marc Höhne, Geschäftsführer, Delta Projektconsult GmbH, Mitglied Präsidium ÖGNI

  • Werner Linhart, gerichtlich beeideter Sachverständiger, Teilnehmender in Komitee 206 „Dacheindeckungsprodukte für überlappende Verlegung und Produkte für die Außenwandverkleidung“ und Vorsitzender des Komitees 214 „Abdichtungsbahnen, Planung und Ausführung von Dach- und Bauwerksabdichtungen“

  • Doris Österreicher, Privatdozentin, Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung, Universität für Bodenkultur Wien, und Partnerin bei Treberspurg & Partner Architekten

  • Sandro Oswald, Stadtklimatologe, GeoSphere Austria (ehemals ZAMG)

  • Engelbert Schrempf, Geschäftsführer, Holzbau Austria, und Landesinnungsmeister Stv. Holzbau Steiermark