Matthias Ortner, Equity-Partner bei Advicum, erachtet eine Marktbereinigung ohne politische Eingriffe als notwendig. Um grundsätzlich gesunden Unternehmen über die Krise zu helfen, plädiert er für gestützte Zwischenfinanzierungen.
SOLID: Nach der Expo Real wurde medial kolportiert, dass in Deutschland die Hälfte der Immobilienprojektentwickler die Insolvenz droht. Ihre Einschätzung?
Matthias Ortner: Es wird eine massive Anzahl an Entwicklern in die Insolvenz schlittern; das ist fix. Ob es die Hälfte ist, wird man sehen. Nicht jeder Developer wird Insolvenz anmelden müssen. Es gibt durchaus welche, die vorausschauend gewirtschaftet und ihre Geschäftsmodelle bereits angepasst haben, beispielsweise punkto nachhaltige Gebäudesanierungen und ESG-Beratung. In jedem Fall kommt es durchgehend zu massivsten Personalreduktionen.
SOLID: Die heimischen Developer stehen nicht besser da, richtig?
Ortner: Sie werden von der aktuellen Entwicklung nicht verschont. Einer der österreichischen Marktführer kämpft bekanntlich gerade ums Überleben.
SOLID: Was sind die Ursachen für die Krise hierzulande? Was bedeutet sie gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich für Österreich?
Ortner: Die steigenden Baukosten, die Inflation, die Auswirkungen aus der FMA-Regulatorik im Bereich der Finanzierung und letztendlich die massiv gestiegenen Zinsen zur Inflationsbekämpfung sind ein toxisches Gemisch, das zu der aktuellen Lage führte. Ungeachtet dessen muss man festhalten, dass die Entwicklung der Immobilienpreise in den letzten Jahren auf keinem stabilen Fundament stand, sondern durch Spekulation getrieben wurde. Letztendlich auch deshalb, weil die attraktive Zinslandschaft bei kontinuierlich steigenden Immobilienpreisen zu eben dieser Spekulation förmlich eingeladen hat. Das Argument „demographische Entwicklung“, das regelmäßig als Ursache und Rechtfertigung für steigende Preise speziell im Wohnungssegment herangezogen wurde, wird aktuell als nicht ausreichend entlarvt.
Gesamtwirtschaftlich wird es natürlich eine massive Auswirkung haben, da viele Branchen maßgeblich von der Immobilienbranche abhängen. Somit kann man hier nicht nur von einer Krise der Immobilienwirtschaft sprechen. Die Sogwirkung wird weitere Branchen mitziehen.
SOLID: Welche Gegenmaßnahmen müssten jetzt von der Politik ergriffen werden?
Ortner: Eine Marktbereinigung ohne politische Eingriffe ist heilsam und notwendig für die gesamte Branche. Um die Effekte aber ein wenig abzufedern und grundsätzlich gesunden Unternehmen über die Krise zu helfen, kann man gestützte Zwischenfinanzierungen andenken. Eine Steigerung von Förderungen im Bereich der nachhaltigen Gebäudesanierung kann alternative Auftragsquellen schaffen. Eine Reformierung der KIM-Kriterien durch die FMA ist ebenfalls ein möglicher Baustein, der ja bereits intensiv diskutiert wird.
SOLID: Welche Maßnahmen müssen die Projektentwickler selbst setzen?
Ortner: Wir können „right sizing“ als Überbegriff zur Beschreibung der erforderlichen Maßnahmen heranziehen. Das umfasst Refinanzierung, Abverkauf von Grundstücken, Personalreduktion und Diversifikation der Geschäftsfelder in Richtung zukunftsfähiger Bereiche wie – wie erwähnt – nachhaltige Gebäudesanierung, ESG-Beratung und Immobilienmanagement.