Nachhaltigkeit am Bau : IFMA-Waschl: "Genug mit dieser grünen Farce"

Mikis Waschl

Mikis Waschl ist Präsident der IFMA Austria und möchte mit Partnern die Wiener Bauordnungsnovelle und die OIB-Richtlinie 7 nützen, um beim Thema Nachhaltigkeit ernsthaft voranzukommen.

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Grünes Mascherl - und das wars dann?

Ich habe das schon so oft erlebt! Das grüne Mascherl hängt sich jedes Bauprojekt gerne schnell und groß um den Hals. Aber das war‘s dann auch. Zu teuer, die damit verbundenen Voraussetzungen und Technologien. Zu aufwändig, das Drumherum mit Daten und der Digitalisierung. Zuerst wird medienwirksam tituliert - "man achte auf den Lebenszyklus und wolle nachhaltig agieren", dann werden Budgets vorgegeben und als Erstes werden Investitionen in Transparenz und Effizienz und damit in eine zukunftsfähige Projektkultur gestrichen. Neue Ideen müssen der vertrauten Routine und dem Daily Business weichen. Zu Recht?

Ist lebenszyklus- und nachhaltigkeitsorientiertes Bauen tatsächlich teurer?

Davon gehen zumindest alle aus. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Wir leisten uns so lange antiquierte und ineffiziente Werkzeuge, Tools, Strukturen und Prozesse bis kein Geld für Nachhaltigkeit und Innovation mehr übrigbleibt. Eine unangenehme Wahrheit.

Sehen Sie hier ein Studiogespräch mit Peter Engert, dem Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft ÖGNI. Engert bringt noch weitgehend unbekannte Ansätze zum Thema Finanzierung von Nachhaltigkeitsinvestitionen.

Schluss damit!

Als Präsident der IFMA Austria bin ich einer von sieben Repräsentanten, die die rechtlichen Hebel der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 und der OIB-Richtlinie 7 nutzen wollen, um etwas zu bewegen. Dazu haben wir für die Stadt Wien einen 6-Punkte-Plan erarbeitet. Ein kurzer Überblick:

Der 6-Punkte-Plan

  1. Realistische Kosten- und Terminziele: Neutrale Expert:innen müssen die Projektziele vor dem Vorentwurf auf Termin und Budgetziele hin prüfen. Auch welche digitalen Tools zum Einsatz kommen, wird sehr wichtig sein. Gerade hier wird oft zum Teil unwissentlich Geld vernichtet.
  2. Klare Rahmenbedingungen für Bestandssanierungen: Der Ausstieg aus fossilen Heizsystemen sowie die umfassende Gebäudesanierung müssen klar formuliert werden.
  3. Ausweitung Schutz von Gebäuden: Gebäude werden oftmals abgerissen, obwohl es im Lebenszyklus nachhaltiger wäre, sie zu sanieren.
  4. Digitaler Gebäudepass bei allen Neubauten und Sanierungen: Bestandsgebäude sind derzeit unzureichend dokumentiert. Das steht einer Kreislaufwirtschaft im Weg. Der digitale Gebäudepass muss für alle Neubauten und Sanierungen in der Wiener Bauordnung eingeführt werden. Umweltauswirkungen, Rückbaubarkeit, Wiederverwendungs- und Recyclingpotenzial sind nur einige der Faktoren, die hier von einer Behörde festgelegt gehören.
  5. Lebenszykluskostenberechnung verpflichtend vorschreiben: Lebenszykluskosten werden derzeit bei der Planung nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Die Folgekosten von Gebäuden müssen vorgelegt werden.
  6. Verankerung digitaler Bauverfahren: Derzeit ist nicht bekannt, bis zu welchem Zeitpunkt das Digitalisierungs-Projekt BRISE-Modell (Building Regulations Information for Submission Envolvement) der Stadt Wien auf alle Bauwerber ausgerollt wird. Hier braucht es Mittel und Ressourcen damit dies schnellstmöglich passiert. Ein digitales Verfahren darf aber nicht zu höherer Prüfdichte als derzeit und damit zu einem Mehraufwand bei Planern und Bauherren führen.

    Pessimisten jammern, Optimisten sehen eine einmalige Chance

    Es war zu erwarten: Als ich auf Social Media das erste Mal über diese Forderungen gesprochen habe, wurden sofort kritische Stimmen laut, dass dies nur noch zu mehr Bürokratie führen würde. Besser wäre dem Markt seine "Eigenverantwortung und Kreativität" zu überlassen. Ich glaube, dass die Vergangenheit mehr als einmal gezeigt hat, dass dies ein Ideal ist, das wir uns leider nicht mehr leisten können. Wenn junge Menschen sich auf die Straße kleben, weil sie Angst um ihre Zukunft haben, so darf uns das als Gesellschaft nicht wütend machen, sondern sollte uns zum Handeln anspornen.

    Etwas bewegen statt kleben!

    Die Überarbeitung der Bauordnung ist eine seltene Gelegenheit, zwei wesentlichen Themen unserer Zeit, der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit, jene Schubkraft zu verleihen, die es auch braucht. Denn dahinter verbergen sich enorme Wertschöpfungsbereiche. Davon bin ich überzeugt. Wege entstehen, dann wenn wir sie gehen, sagte schon ein bekannter Schriftsteller vor knapp 100 Jahren – also let’s go!

    Mehr Infos zum „6-Punkte-Plan“

    Die teilnehmenden Verbände IG Lebenszyklus Bau, Digital Findet Stadt, Facility Management Austria (FMA), Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ), Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV) und Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) vertreten Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Planung, Errichtung, Finanzierung sowie Betrieb von Gebäuden und Infrastruktur und stehen für eine nachhaltige und digitale Bau- und Immobilienwirtschaft in Österreich.