Nachhaltigkeit : Doka-CEO Hauser: "Mit dem Product Carbon Footprint hat die Arbeit erst begonnen"
Welche Scopes können überhaupt gemessen werden?
SOLID: Doka hat kürzlich anlässlich der bauma 2022 das Projekt Product Carbon Footprint ausgerollt. Was ist das genau, warum machen Sie es und was machen Sie dazu genau?
Robert Hauser: Klar ist, dass der Klimawandel stattfindet. Wenn wir so weitermachen als Menschheit, wird die jetzige Form unseres Daseins in Zukunft nicht mehr möglich sein. Und die Menschheit und auch die Regierungen werden das so nicht zulassen. Was heißt das für die Baubranche? Einiges, denn wenn man sich die CO2 Emissionen anschaut, sind 38 % dieser Emissionen irgendwie mit der Bauindustrie verbunden. Wenn die globale Zementindustrie ein Staat wäre, würde dieser Staat an Nummer drei der Emittenten stehen, nach USA und nach China.
Wobei Doka selber ja nicht in der Zementindustrie tätig ist, aber damit über das Thema Schalung zu tun hat – aber den Zement können Sie ja nicht beeinflussen?
Hauser: Wir als Doka sind zwar nicht direkt im Zementgeschäft, aber wir wollen natürlich auch als Teil der Bauindustrie unsere Verantwortung tragen. Deshalb haben wir uns vorgenommen - als Doka und auch als Umdasch -, dass wir spätestens bis 2040 Net Zero erreicht haben wollen - für alle Treibhausgase, nicht nur CO2. Die Schwierigkeit ist natürlich: Wie berechnet man das? Die Emissionen werden im Wesentlichen in drei verschiedene Scopes unterteilt. Das ist einmal die direkte Emission, die ein Unternehmen direkt verursacht. Dann gibt es den Scope zwei, das sind die indirekten Emissionen, die über den Einkauf von Energie verursacht werden. Und Scope drei sind die indirekten Emissionen, die aus Aktivitäten resultieren, die nicht direkt zum Unternehmen gehören, also beispielsweise Geschäftsreisen oder Abfallmanagement - also alle Aktivitäten, die im vorgelagerten oder im nachgelagerten Bereich der Wertschöpfungskette stattfinden. Und diese Scope drei Emissionen sind besonders schwierig zu messen.
Messung bis zur Recyclingphase
Und wie messen Sie dann?
Hauser: Es gibt ja heute für diese Emissionsmessung keine allgemein gültige Definition, daran wird im Moment noch gearbeitet. Aber wir haben als ersten Schritt für unsere 6000 Produkte, die wir im Sortiment führen, den Produkt Carbon Footprint – also den CO2-Rucksack - bestimmt und kennen ihn heute. Und wir haben auf der anderen Seite auch den Corporate Carbon Footprint bestimmt, dort primär für Scope eins und zwei. Scope drei wird später nachgereicht.
Wie hat Ihre Messung im Detail funktioniert?
Hauser: Es war ein Projekt über zwei Jahre. Wir haben 2019 begonnen und haben Produkt für Produkt die Emissionswerte für den kompletten Lebenszyklus durchgerechnet, angefangen von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion, die Auslieferung, unsere weltweiten Warehouses bis hin zu unseren Niederlassungen in den Ländern der Nutzung auf der Baustelle. - Und natürlich auch die Reparaturen, Reinigung bis hin zur Verwertung und der Recyclingphase, wenn das Produkt an das Ende des Lebenszyklus gekommen ist.
Wenn wir Holz, Beton und Stahl vergleichen, wird der CO2-Abdruck in der in Österreich verwendeten Datenbank ein bisschen anders gesehen als zum Beispiel in Deutschland oder der Schweiz. Was bedeutet das für Sie?
Hauser: Ja, es gibt noch keine international eindeutige Definition der Berechnung, aber wir haben eine für uns gemacht und wir glauben auch, dass die durchaus belastbar ist. Und wir sind damit das erste Unternehmen in unserer Industrie, das das gemacht hat.
Lieferkettengesetz, Bauproduktenverordnung, EU-Taxonomie & Co.
Was haben Sie als Unternehmen eigentlich davon?
Hauser: Das Wichtige ist, dass wir damit CO2 Hotspots in unserem Produktportfolio identifizieren können. Wir können damit besser verstehen, wo im Lebenszyklus eines Produkts wir wie viel Emissionen machen und wo wir damit auch die größten Hebel haben, um den Carbon Footprint zu reduzieren. Die Hebel liegen primär in der Beschaffung der Rohstoffen, aber auch bei den Transporten, diese Rohstoffe ins Werk zu schaffen und dann wieder in die Welt zu verteilen.
Und was haben Ihre Kunden davon?
Hauser: Wir merken, dass unsere Kunden mehr und mehr insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen nach den CO2-Bilanzen unserer Produkte fragen. Woher rührt das? Auch unsere Kunden bekommen bestimmte CO2-Budgets oder Vorgaben von ihren Auftraggebern, vor allem im skandinavischen Raum oder auch in Großbritannien ist das mehr und mehr gang und gäbe. Diese Kunden wollen den Carbon Footprint eines Produkts in ihre Footprint-Berechnung der Baustelle mit einbeziehen.
Es gibt ein paar Sachen, die über der Baubranche schweben wie ein Lieferkettengesetz, wie eine neue Bauproduktenverordnung, wie die EU-Taxonomie. Es ist eine Wolke über uns und so langsam beginnt es zu tröpfeln. Was erwarten Sie da generell in nächster Zeit?
Hauser: Neben der Stakeholdergruppe der Kunden gibt es natürlich Anforderungen von Regierungen, derzeit wie angesprochen schon in Skandinavien oder UK - und das wird natürlich in weiteren Ländern passieren, auch in Deutschland und in Österreich und wahrscheinlich auch relativ zeitnah. Darauf müssen wir uns einstellen. Darüber hinaus gibt es auch das starke Thema der Investoren, denn über die Taxonomie-Verordnungen werden Investitionen nach ihrer Nachhaltigkeit bewertet und sie werden auch zukünftig stärker darauf schauen, da auch bei der Darlehensvergabe natürlich Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen.
Und letztendlich geht es natürlich auch um das Recruiting, den Bereich, wo wir neue Talente an Bord bringen und die existierenden halten wollen. Auch Mitarbeiter schauen mehr und mehr darauf, was ein Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit tut. Und es wird mehr und mehr erwartet. Und wir wollen ganz klar gegenüber diesen Stakeholder Gruppen zeigen, dass wir hier die Nummer eins sein wollen.
Wir wollen in Zukunft im Einkauf sehr viel genauer darauf schauen, welchen Carbon Footprint Lieferanten und auch ihre Produkte haben.Robert Hauser
Weniger eine Frage des Preises als der Leistung
Wie wollen Sie jetzt den Carbon Footprint einzelner Produkte verbessern?
Hauser: Ein wesentlicher Hebel ist der Einkauf. Wir wollen in Zukunft sehr viel genauer darauf schauen, welchen Carbon Footprint Lieferanten und auch ihre Produkte haben. Denn das ist ein großer Anteil an unserem Product Footprint, den wir auch aktiv steuern können. Dabei schauen wir natürlich auch auf das Thema der Lieferketten.
Wie wirkt sich das Ganze dann preislich aus? Wie verhält sich das in der Schalungs und Gerüstbaubranche, wenn man neuere, bessere, leichtere, mit weniger Footprint versehene Produkte produziert und vertreibt?
Hauser: Es kann, muss aber nicht sein, dass durch eine ein nachhaltigeres Produkt höhere Kosten entstehen. Aber für mich ist es nicht so sehr eine Frage der Preise, sondern für mich ist es grundsätzlich eine Frage der Leistung und der Entwicklung. Die Stakeholdergruppen, die ich vorhin erwähnt hatte und die Entwicklung, die ich skizziert habe, führen automatisch dazu, dass wir unser Produktportfolio nachhaltiger gestalten werden müssen. Wir sehen das Thema der Nachhaltigkeit im Kontext unseres Produktportfolios auf jeden Fall als einen Wettbewerbsvorteil.
Problem und Lösung bei Betonen mit geringerem Zementanteil
Nehmen Sie auch Produkte aus dem Portfolio heraus, die einen schlechten Footprint haben?
Hauser: Das kann durchaus sein. - Aber uns ist wichtig, dass wir generell unseren Kunden dabei helfen, ihren CO2 Footprint zu reduzieren - und zwar nicht nur darüber, dass wir ihnen optimierte Produkte in puncto Footprint anbieten, sondern dass wir Ihnen auch Lösungen und Produkte anbieten und Dienstleistungen, die weit über das hinausgehen.
Zum Beispiel?
Hauser: Etwa wenn es um Betonrezepturen geht. Die Optimierung des CO2 Footprint von Beton geht ja über den Zementgehalt. Es ist auch möglich, die Emissionen dadurch um bis zu 40 % zu senken. Unsere Rolle dabei ist, dass wir hier intelligente Lösungen anbieten, die die Nutzung solcher „grüneren“ Beton-Rezepturen erlauben. Wenn Sie diesen Green Concrete vergießen, erfordert das teilweise höhere Aushärtetemperaturen und auch längere Aushärtezeiträume. Da bieten wir Lösungen an, wie wir beispielsweise Schalung beheizbar machen, um damit die Aushärtetemperatur zu steigern und so auch mit solchen grünen Beton Rezepturen arbeiten zu können. Oder auch, indem wir über unser Concremote-Produkt aus Temperatursensor mit einer Software dahinter die Aushärtungskurve des Betons genauer ermitteln können.
Aber wenn man etwa für eine beheizbare Schalung mehr Energie braucht, wirkt sich das doch wieder negativ auf den Footprint aus?
Hauser: Ja, aber über die geänderte Betonrezeptur ist die Einsparung auf Seite des Betons um ein Vielfaches höher als das, was Sie an Heizkosten investieren müssen.
Ein großes Thema im Schalungs- und Gerüstbau ist Kauf oder Miete. Wo stehen wir da gerade, wo bewegt sich die Balance hin? Und wie wird bei Mietschalungen dann der Footprint berechnet?
Hauser: Derzeit wickeln wir ca 60 % unseres Volumens weltweit über Miete ab. Dieses Geschäftsmodell ist ja per se sehr nachhaltig, da eine modulare Systemschalung viel höhere Einsatzzyklen und auch eine viel höhere Lebensdauer aufweist als eine Einmalschalung aus Holz, die im Prinzip nach dem Einsatz verbrannt wird. Damit schaffen wir schon automatisch ein günstiges Verhältnis für die Emissionsbilanz. Dazu kommen noch weitere Hebel, insbesondere wenn wir an das Ende des Produktzyklus des Mietmaterials schauen. Denn die Metalle, die in den Produkten enthalten sind, können wiederverwendet werden und man spart damit Primärproduktion von neuem Stahl ein. Generell vergrößern wir ja den Anteil der recyclebaren Stoffe innerhalb der Schalung und schauen natürlich auch, dass wir die Menschen, die damit arbeiten, trainieren. Denn sie können die Lebensdauer einer Schalung auch durch intelligente Wartung und Instandsetzung steigern. Das Mietgeschäft ist von zentraler Bedeutung in der Kreislaufwirtschaft.
Und wie berechnen Sie den Footprint eines Mietprodukts für den jeweiligen Kunden?
Hauser: Indem wir den Gesamt-Footprint auf die Einsatzdauer oder auch die Quadratmeter herunterbrechen - da gibt es verschiedene Bezugsgrößen, auf die wir das skalieren können.
Was wird denn die nächste Entwicklung sein?
Hauser: Jetzt beginnt eigentlich erst die Arbeit. Wir haben den Footprint berechnet, aber das eigentliche Herzstück unserer Initiative ist die Umsetzung, die Optimierung der Faktoren. Das Messen erzeugt ja noch keine Wirkung im Sinne einer Verbesserung. Und dann werden wir natürlich diese Messung in regelmäßigen Zyklen wiederholen, um zu sehen, wie stark unsere Emissionen gesunken sind und hoffentlich letztendlich bis 2040 spätestens unser Net Zero Ziel zu erreichen- und zwar durch Maßnahmen, die wir im Haus entwickeln und umsetzen können.