Österreich/Deutschland : Deutschland investiert, Austro-Unternehmen verdienen mit
Deutschland wird in Österreich oft "großer Bruder" genannt. Wirtschaftlich kann man beim wichtigsten Handelspartner aber getrost von "gigantischem Bruder" sprechen. Die größte Volkswirtschaft Europas ist Konjunkturlokomotive für die ganze EU. Die rot-grün-gelbe Ampelkoalition plant hohe Investitionen. "Und immer wenn in Deutschland viel investiert wird, verdienen österreichische Unternehmen mit", sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Das könnte allerdings die Teuerung anheizen.
"Wir haben schon in den vergangen Jahren gesehen, dass das strukturelle Wachstumstempo in Deutschland abseits der Konjunkturzyklen abgenommen hat", so Felbermayr im Gespräch mit der APA. "Und das würde weitergehen, wenn man jetzt nicht gegensteuert - und das tut die Ampelkoalition." Was man aber auch sehen müsse, sei die weltweite große Nachfrage, während die Produktion nicht so recht nachkomme, so der Ökonom. "Und das treibt die Preise in die Höhe."
Der Ehrgeiz der neuen deutschen Regierung biete viel Licht, werde aber "sehr viel sehr schnell angestoßen", könne das vor allem in die Preise gehen, so Felbermayr. "Die jetzt bereits hohe Inflationsentwicklung könnte sich verstärken und dann auch in Österreich zu spüren sein." Beispiel: Zieht die Baukonjunktur in Deutschland an, steigen die Preise für Baumaterialien auch hierzulande.
Und die neue deutsche Regierung will richtig viel bauen. Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will pro Jahr 400.000 Wohnungen errichten. Das sind 1,6 Millionen in der vierjährigen Legislaturperiode. Erneuerbare Energien sollen rascher ausgebaute werden. Das könnte auch wieder Entlastungen auf der Preisseite bringen, so Felbermayr. Deutschland will zwei Prozent der Staatsfläche mit Windrädern "zupflastern". Beim Infrastrukturausbau auf Straßen und Schienen können heimische Baukonzerne wie Strabag, Porr oder die voestalpine profitieren. "Wenn deutsche Unternehmen auf neuere, umweltgerechtere Produktionstechniken umsteigen, dann ist das gut für österreichische Maschinenbauer." Eine starke Baukonjunktur in Deutschland könnte auch dazu führen, dass mehr heimische "Hackler" dort gut entlohnte Arbeit finden.
Ebenso die angekündigte Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland um 25 Prozent von 9,60 auf 12 Euro könnte sich auf Österreich auswirken, zumindest im grenznahen Bereich, gibt Felbermayr zu bedenken. "Wenn ein Hotel im Berchtesgadener Land einem Küchengehilfen 12 Euro in der Stunde zahlt, dann muss wohl (im Umkreis, also etwa Tirol, Anm.) nachgezogen werden", so der Wifo-Chef. "Mit dieser Sozialpolitik setzen die Deutschen auch Österreich unter Druck."
Bieten die Pläne von Scholz und Co nun mehr Licht oder Schatten für Österreich? "Eindeutig mehr Licht", sagt Felbermayr, der erst heuer vom renommierten Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zum heimischen Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) gewechselt ist und daher auch beim großen Nachbarn ein recht bekannter Ökonom ist. "Ein Deutschland, das weiter so dahindümpelt wie in vergangenen Jahren, wo Wachstumskräfte immer stärker nachlassen, ist für ganz Europa ein Klotz am Bein. Wenn Deutschland schwächelt, dann zieht es alle anderen mit runter."
Insgesamt sieht Felbermayr, wie auch der für internationale Belange zuständige Vertreter der Industriellenvereinigung (IV), Michael Löwy, ein "ambitioniertes Programm der Ampel". Beide strichen auch hervor, dass eine rasche Einigung zur Zusammenarbeit der drei Parteien SPD, Grüne und FDP sehr wichtig war. Löwy betonte im Gespräch mit der APA besonders, dass die transatlantische Partnerschaft im Regierungsübereinkommen hervorgehoben werde. Gegenüber China würden Herausforderungen genannt, aber auch versucht ein Handling mit dem für Deutschland wichtigsten Handelspartner zu finden. "Und das ist für Europa und Österreich wichtig", sagte Löwy.
"Die geplante Modernisierung des Staat, seiner Infrastruktur und der Digitalisierung bieten Chancen für österreichische Unternehmen", so Löwy. Auch er sagte, dass heimische Unternehmen vom angekündigten Infrastrukturausbau beim großen Nachbarn profitieren werden.