Was sind die Gründe für diese Prozesse?
Karasek: Zum Teil handelt es sich um Mehrkostenforderungen aufgrund von Leistungsänderungen während der Bautätigkeit sowie wegen Störungen der Leistung. Letzteres beispielsweise, wenn Pläne zu spät fertig werden, keine Baubewilligung vorliegt oder wenn sich bei einem Tunnelbau Verzögerungen durch die geologischen Bedingungen ergeben.
Natürlich geht es auch um Mängel, also um die Frage, ob etwas richtig oder womöglich gar nicht gebaut wurde.
Der dritte große Block sind Abrechnungsstreitigkeiten. Welche Position im Leistungsverzeichnis ist welcher Leistung zuzuordnen? Mitunter kommen für eine Leistung mehrere Positionen in der Abrechnung in Frage. Das Bauunternehmen neigt dazu, die Position mit dem höchsten Entgelt auszuwählen, der Bauherr sieht das naturgemäß anders.
Zusätzlich wird darüber gestritten, ob Leistungen, die im Vertrag nur ungenau beschrieben wurden, mit dem vereinbarten Preis ausreichend abgegolten sind oder ob ein zusätzliches Entgelt zu entrichten ist.
Eng mit den Gewährleistungsfragen verflochten sind Prozesse um Schadenersatz. Wenn etwas nicht richtig gebaut wurde, entstehen in der Folge ja oftmals Schäden.
Ich nehme nun nicht an, dass die Baufirmen mehr schludern als in den Jahren davor. Das heißt, mehr gestritten wird hauptsächlich, weil das wirtschaftliche Korsett enger wird?
Karasek: Geschludert wird nicht, aber viele Probleme entstehen dadurch, dass die Planung schlechter wird. Dafür zeichnet üblicherweise der Bauherr verantwortlich.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich denke nicht, dass die Zivilingenieurinnen und Architekten in Österreich schlechter arbeiten als früher. Im internationalen Vergleich sind gerade die Ziviltechnikerinnen und -techniker hierzulande sehr gut ausgebildet.
Allerdings sind die Honorare, die sie für ihre Leistungen bekommen, oftmals fast schon peinlich niedrig. Daher können sie unter Umständen nicht so viele Baustellenbesichtigungen durchführen, als eigentlich notwendig wäre.
Ist die Planung unzureichend ausgeführt, sind also beispielsweise Höhenkoten und dergleichen nicht angegeben, handelt der Polier womöglich nach eigenem Gutdünken. Nachher wird dann darüber gestritten, ob der Bauherr oder das ausführende Unternehmen schuld an den daraus resultierenden Mängeln ist.
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