In Deutschland brummt der Baumotor weiterhin und gleichzeitig werden immer mehr Leute eingestellt. Wie das Solid Morning Briefing berichtete, werden aber immer noch mehr Arbeitskräfte gebraucht als gefunden. Laut Zentralverband Deutsches Baugewerbe halten die meisten Unternehmen eher ihren Beschäftigungsstand als dass sie aufstocken können – was viele gerne aufgrund der hohen Auslastung würden.
Und so ist der Fachkräftemangel auch dieses Jahr das Thema Nummer eins in der Baubranche. Laut der Jahresanalyse des Düsseldorfer Instituts Bau Info Consult sehen 552 Prozent der 525 befragen Branchenakteure sich praktisch permanent mit dem Thema Fachkräftemangel konfrontiert. Selbst während kleinerer Konjunkturtiefs ist der Mangel spürbar.
Vergangen Frühling erst stellte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in einer Studie unter 23.000 Befragten fest, dass knapp die Hälfte der Betriebe offene Stellen nicht längerfristig besetzen können – das sind etwa 1,6 Millionen Stellen allein in Deutschland, ein kleiner, doch realer Anstieg seit dem Vorjahr. Und da qualifizierte Mitarbeiter nicht über Nacht geschaffen werden können, geht etwa Achim Dercks, DIHK-Vizehauptgeschäftsführer, auch davon aus, dass der negative Trend noch eine Zeit lang anhaften wird.
Doch es sind nicht nur Probleme, die 2019 die Baubranchen bewegen, sondern durchaus auch Herausforderungen und die Möglichkeiten, etwas zum Positiven zu verändern. So beschäftigt, wie in der Analyse von Bau Info Consult augenscheinlich wird, viele Brancheninterne das Thema Klima. Ein Viertel der befragten Architekten, Bauunternehmer, Installateure und Trockenbauer misst Energieeffizienz und Energieeinsparungen im Bau besonders hohe Bedeutung zu. Und für 17 Prozent ist nachhaltiges Bauen ein wichtiges Thema. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind schon seit über zehn Jahren Dauerbrenner in der Branche.
Das könnte aber vor allem an der Gesetzgebung liegen, die sich immer mehr damit beschäftigt. Schließlich muss in Deutschland heute jedes neue Wohngebäude bestimmte Mindestanforderungen in Sachen Effizienz erfülle, ein bestimmter Primärenergiebedarf darf nicht überschritten werden. Und Auszeichnungen sowie Fördermittel für Effizienzhäuser mit erhöhten Energiestandards sind weitere Ansporne für die Branche.
Und noch ein Thema hält die Bauunternehmer in Atem – die steigenden Baupreise. Getrieben von der starken Nachfrage, bedeuten die Kosten für Baustoffe- und Materialien zwar für die Händler gute Gewinne, sind aber für 21 Prozent der Befragten in der Studie aus negativen Gründen ein großes Thema dieses Jahr.
Damit könnten große Veränderungen einher gehen. So ist in der Baubranche der E-Commerce noch nicht wirklich angekommen, doch gerade verschärfte finanzielle Situationen könnten den Webshops mehr Kunden zutreiben. Noch kaufen 91 Prozent der Bauakteure traditionell ein, also bei Direktlieferanten oder Fachhändlern. Sie geben an, das aus Loyalität zu tun und, weil sie die Beratungen schätzen würden.
Doch eine weitere Studie von Bau Info Consult fragte genauer unter den Unternehmern, Malern, Trockenbauern, Dachdeckern und Installateuren nach. Und siehe da – über ein Viertel gab an, sie blieben aus reiner Gewohnheit bei ihren Händlern, ein Drittel findet diesen Weg einfach weniger umständlich und immerhin ein Fünftel meint durch eben diese Loyalität von Preisvorteilen und Rabatten zu profitieren.
Genau hier bietet sich Webshops also die Möglichkeit des Abwerbens – indem sie potentiellen Kunden glaubhaft vermittelt, dass es bei ihnen nicht weniger umständlich, vielleicht sogar noch einfacher abläuft als im traditionellen Vertrieb, und dass sie vor allem die Preise der Fachhändler schlagen können.
Immerhin 40 Prozent der Befragten gaben an, attraktivere Preise wären ein Grund für sie, den Online-Kauf ausprobieren. Und knapp ein Viertel gibt die Zeitersparnis als Grund an. Wenn der Onlinehandel die Baubranche überzeugen kann, dass seine Sortimente nicht weniger umfangreich sind und die technischen Informationen nicht weniger hilfreich, könnten niedrigere Preise und die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten den entscheidenden Unterschied machen und einen Umbruch herbeiführen.
Da derzeit der Fachhandel noch klar überwiegt, gibt es noch sehr wenige Anbieter von Webshops für die Baubranche. Zeichnet sich langsam ein Umschwung ab, könnten mehr Player auf den Markt kommen. Durch den stärkeren Wettbewerb würden sich die Attraktivität des Onlinehandels, die Angebote und Preise für die Kunden positiv entwickeln.
Vielleicht schafft es der E-Commerce aber auch nur, einen Teil der Branchenakteure für sich zu gewinnen. Denn bereits jetzt zeichnet sich deutlich ab, wer zu den „Traditionalisten“ im Einkauf gehört und wer nicht. Besonders Maler, Trockenbauer und Dachdecker stehen der Beschaffung von Materialien und Werkzeugen im Netz skeptisch gegenüber. 47 Prozent der Maler und 44 Prozent der Trockenbauer sowie Dachdecker glauben, dass sie in den nächsten zwei Jahren überhaupt keine Online-Bestellungen tätigen werden. Hingegen gehen 74 Prozent der SHK-Installateure und 70 Prozent der Bauunternehmer davon aus, bis 2021 online zu bestellen. 18 Prozent der Installateure geben sogar an, mindestens die Hälfte ihres Einkaufs auf diesem Weg zu erledigen.
Woher kommt die Skepsis, die hier teilweise noch sehr stark durchscheint? „Der Einkauf ist etwas, das stark auf zwischenmenschliche Interaktion setzt“, meint Tino Lichtenberg, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Procumerge mit Sitz in der Schweiz. Es ginge stark ums Verhandeln, das Finden und Halten eines guten Geschäftspartners. Tatsächlich könnte die Angst, schlechtere Preise und Beratung zu erhalten, wenn der direkte Kontakt beim Einkauf wegfällt, für viele noch größer sein als der Wunsch nach Digitalisierung.
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