Konjunktur : Russische Baustoffbranche hat die Krise überwunden

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Die russischen Hersteller von Baumaterialien und -stoffen blicken optimistisch in die Zukunft. Einige Firmen verzeichneten 2011 Umsatzzuwächse von 10 bis 15 % sowie 20 % in den ersten beiden Monaten 2012 (jeweils auf vergleichbarer Vorjahresbasis). Der bis Mai 2012 amtierende ehemalige Minister für Regionalentwicklung, Viktor Basargin, teilte mit, dass 2011 insgesamt 210 neu gebaute Betriebe für Baumaterialien die verbesserte Konjunkturlage genutzt und teilweise mit zwei bis drei Jahren Verzögerung die Produktion aufgenommen haben. Die nunmehr erweiterten Kapazitäten sind ausgelegt auf die Produktion von 230 Mio. Ziegelsteinen, 87.000 cbm Eisenbeton, 556.000 cbm nichtmetallische Baumaterialien sowie 100.000 cbm wärmedämmende Stoffe.

Als Stimulus für den Ausbau des Industriezweiges hat das Ministerium für Regionalentwicklung in Aussicht gestellt, private Investitionen in innovative Produkte fallweise mit den finanziellen Möglichkeiten der staatlichen Beteiligungs- und Fördergesellschaft Rosnano und der Außenwirtschaftsbank WEB zu unterstützen. Zudem kann die öffentliche Hand ihre Beschaffungen von Baumaterialien und -stoffen antizyklisch genau dann platzieren und damit temporär den Markt stabilisieren, wenn private Orders an Umfang abnehmen. Insgesamt sollen bis 2020 Investitionen aus verschiedenen Quellen in Höhe von 1,56 Billionen Rubel (50 Mrd. US$; 1 US$ = 29 Rubel) in die Modernisierung und den Ausbau der Produktion von Baumaterialien und Baustoffen fließen.

Die Zementproduktion legte 2010 um 15 % und im Folgejahr um 11 % auf 55,9 Mio. jato zu. Unabhängige Experten rechnen für die kommenden zehn Jahre mit einem anhaltenden Anstieg auf bis zu 90 Mio. jato. Damit liegen sie in etwa auf einer Linie mit den Prognosen des Ministeriums für Regionalentwicklung. Laut Ministerium wird die Zementproduktion bis 2020 um 50,6% zulegen, ausgehend vom Niveau des Jahres 2010. Im Zuge der Konjunkturbelebung in der Bauwirtschaft haben die Zementpreise im Jahresverlauf 2011 angezogen. An der Moskauer Warenbörse wurde die Tonne Zement zum Teil für 4.300 Rubel (148 US$) gehandelt. In den ersten beiden Wintermonaten des Jahres 2012 beruhigten sich die Preise wieder, vor allem wegen des saisonalen Rückgangs der Bautätigkeit aus klimatischen Gründen.

Einen Grundstein zur Kapazitätserweiterung in der Branche legten Holcim und HeidelbergCement im Juli 2011, als sie Werke mit einem Ausstoß von zusammen 4 Mio. jato im Moskauer Gebiet in Betrieb nahmen. Branchenprimus Ewrozement zieht nach und startete am Standort Spasskoje (Gebiet Stawropol) den Bau eines Zementwerkes für 14,5 Mrd. Rubel (0,5 Mrd. US$). Um darüber hinausgehende Kapazitäten einrichten zu können, muss in dem Gebiet das Angebot an Elektroenergie verbessert werden. Ewrozement will sechs weitere Zementwerke errichten, wofür aber die Standorte noch nicht benannt wurden. Ein führender Vertreter der in Russland äußerst erfolgreich operierenden Knauf-Gruppe bezeichnete die französische Saint-Gobain als den stärksten Konkurrenten bei Produkten aus Gips: Wie der Gouverneur der Region Nischni Nowgorod, Valeri Schanzew, bekanntgab, richtet Saint-Gobain in Gomzowo eine Produktion von 30 Mio. cbm/Jahr Gipskartonplatten ein. Mit der Geschäftsaufnahme wird für Ende 2012 gerechnet. Die Investitionen dafür belaufen sich auf 4 Mrd. Rubel (140 Mio. US$). Der für die Produktion notwendige Karton wird vorerst aus der Ukraine eingeführt. Doch will die regionale Administration nach eigenen Angaben das französische Unternehmen bei der Einrichtung einer eigenen Kartonherstellung vor Ort unterstützen.

Das Dämmstoffmarktvolumen liegt aktuell zwischen 20 Mio. und 25 Mio. cbm. Seit die Regierung anordnete, dass Immobilien künftig einen Energiepass besitzen und ihren Energieverbrauch bis 2020 um 40 % senken müssen, haben sich die Geschäftsaussichten verbessert. Experten der Discovery Research Group rechnen in den kommenden Jahren mit einem Jahreswachstum von 10 %. Der dänische Hersteller von Mineralwolle, Rockwool, hat im Rahmen der Konjunkturaufhellung das Werk Rockwool-Wolga in der tatarischen Sonderwirtschaftszone Alabuga mit zweijähriger Verzögerung fertiggestellt. Der Betrieb wird die Regionalmärkte in Tatarstan, in der Wolgaregion, im Ural und in Sibirien beliefert. Teile der Produktion gehen nach Kasachstan. Laut Angaben des Herstellers deckt die in Tatarstan hergestellte Mineralwolle 11% des russischen Bedarfes ab. Die Produkte dienen der Wärmeisolierung von Dächern, Fassaden und Fußböden, weiterhin finden sie eine Verwendung als feuerfeste und schallisolierende Abdeckungen. Ebenfalls in der Sonderwirtschaftszone Alabuga will sich der US-Hersteller von Bodenbelägen, Wand- und Deckenverkleidungen, Armstrong, mit einer Produktion niederlassen. Die Projektkosten werden mit 2,3 Mrd. Rubel (80 Mio. US$) beziffert. Hauptsächliches Produkt sollen Deckplatten aus Mineralfasern sein, die ab 2015 ausgeliefert werden.

Im Süden Russlands, im Industriepark Krasnosulinsk, 130 km entfernt von Rostow am Don, baut die Korporation TechnoNikol ein Werk für wärmeisolierende Materialien aus Steinwolle. Die Projektkosten belaufen sich auf 45 Mio. US$. Die Finanzierung erfolgt aus Eigenmitteln, wie TechnoNikol mitteilte. Die Betriebsaufnahme erfolgt 2014 in der zweiten Jahreshälfte. Mit einer zweiten Linie für wärmedämmende Stoffe will Uralasbest seine Produktion am Standort Asbest (Region Swerdlowsk) vervollständigen. Gegenwärtig laufen die technischen Planungen. Mit russischen Banken wird zudem über eine Finanzierung verhandelt, wie es aus dem Unternehmen hieß. Der erste Spatenstich soll noch 2012 gesetzt werden.

Der Markt für Fensterrahmen und -bänke aus Kunststoff besitzt erstklassige Wachstumsperspektiven. Im Jahr 2010 zog die Produktion um 25% an und 2011 um weitere 12,1% - mit einem Ausstoß von 20,5 Mio. qm. Der Austauschbedarf in Gebäuden bleibt auf Jahre hinaus hoch, vor allem in der Provinz. Vor diesem Hintergrund errechnete die Marktforschungsgruppe O.K.N.A. für 2011 einen Gesamtbedarf von 44 Mio. qm. Bislang muss die Hälfte davon importiert werden. Mit der Nachfrage steigen die Preise. Im Vergleich zum Juni 2011 verteuerten sich Kunststoff-Fenster im Juli 2011 um 1,8% auf über 4.700 Rubel je qm. Im August gab es einen weiteren Aufschlag von fast 4%. Der Preis inklusive Anlieferung und Montage liegt bei 7.600 Rubel. Im Unterschied zu Kunststoff brach die Herstellung von Fensterrahmen aus Holz im Jahr 2011 um 20,3% auf 0,97 Mio. qm ein.

Eine ähnliche Tendenz zeigte sich bei Türen, wenngleich in anderen Mengenproportionen. Die Herstellung von Türen und Rahmen aus Kunststoff nahm im Jahr 2011 um 25,6% auf 1,14 Mio. qm zu. Die Produktion von Türen aus Holz war im selben Jahr mit 9,1 Mio. qm rein mengenmäßig zwar um ein Vielfaches größer als die von Kunststofftüren, doch fiel der Ausstoß von Holztüren um 6,4% im Vergleich zum Vorjahr.