Wohnungen : Hat Hamburg den Schlüssel zu mehr Wohnraum gefunden?
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„Manche Ideen aus den 1950er Jahren waren gar nicht so schlecht“, sagt Franz-Josef Höing vor wenigen Tagen im Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Der Oberbaudirektor von Hamburg meint damit konkrete Ideen, den benötigten Wohnraum pro Person zu reduzieren, um damit im Gesamten mehr Wohnraum zu schaffen. Brauche es etwa wirklich den Platz für eine eigene Waschmaschine in jedem Badezimmer – oder würden nicht auch gemeinschaftliche Waschküchen im Wohnhaus ausreichen? Höing sagt das zwar nicht scherzhaft, doch geht er das Problem der Wohnungsnot, das derzeit leider so typisch Hamburg ist, dann doch durch konkrete Bauprojekte an.
Tatsächlich stieg die durchschnittliche Wohnraumgröße seit 1970 von etwa 25 auf etwa 40 Quadratmeter pro Kopf an. Doch aktuell ist diese Zahl wieder rückläufig – wohl auch, weil der Wohnraum in der Hansestadt besonders karg und damit besonders teuer ist. Eine Gegenüberstellung der deutschen Bundesländer durch das Vergleichsportal Check24 ergab 2017, dass Hamburger die kleinsten Wohnungen haben. Sie liegen damit noch hinter Berlin und das, obwohl Hamburg die zweitgrößte Stadt ist und sich allgemein sagen lässt: Je größer die Stadt, desto kleiner der Wohnraum für die Bevölkerung.
Wohnungssuche in der Hansestadt
In Hamburg ist auch die Wohnungsnot, die in Deutschland allgemein grassiert, besonders hoch. Seit 1985 ist die Einwohnerzahl um 200.000 gestiegen, die Zahl an Sozialwohnungen gleichzeitig von 350.000 auf 80.000 Einheiten gesunken. Die Stadtentwicklung geht aktuell von 100.000 neuen Einwohnern bis 2030 aus. Der Prognose steht die Theorie gegenüber, dass durch den Brexit oder auch eine spätere Euro-Krise der Hafen Hamburg wesentlich an Bedeutung und Hamburg als Stadt an Attraktivität verlieren könnten. Könnte mit neuen Bauprojekten dann tatsächlich ein Leerstand bereitet werden? Höing antwortet im Hamburger Abendblatt mit einer Gegenfrage: „Sollen wir uns lieber zurücklehnen und gar nichts tun?“
Laut Siegmund Chychla vom Mieterverein Hamburg werden in den kommenden Jahren für 30 Prozent der Bevölkerung die Mieten nicht mehr leistbar sein. Der Preis pro Quadratmeter in einer 30-Quadratmeter-Wohnung liegt in Hamburg im Schnitt bei 14,83 Euro – in ganz Deutschland hingegen wird für eine solche Wohnung durchschnittlich 11,24 Euro Miete pro Quadratmeter gezahlt. Letztes Jahr waren es in Hamburg noch 13,77 und in ganz Deutschland 9,68 Euro Miete. Ein Hoch war 2016 mit 15,58 Euro Miete pro Quadratmeter (gemessen an einer 30-Quadratmeter-Wohnung) in Hamburg und 11,59 Euro im Deutschlandschnitt.
Die Stadtentwicklung bemüht sich um die Schaffung leistbaren Wohnraumes und will eine Lösung in der Aufstockung entlang der Hauptstraßen gefunden haben – teils durch kompletten Neubau, teils durch zusätzliche Stockwerke auf dem Bestand. Das sogenannte Magistralen-Konzept findet durchaus Befürworter, da auf diese Art in wenigen Jahren 100.000 zusätzliche Wohnung ohne weitere Flächenversiegelung entstehen können. Auch viele Umweltschützer und Mitglieder der Grünen sprechen sich also für die Idee aus. Kritik kommt aber aufgrund der Verdichtung bereits bestehender Gebiete und der Lebensqualität an den viel befahrenen Hauptstraßen. Die neuen Wohnungen müssten auf jeden Fall speziell gegen Lärm gedämmt werden, die erhöhten Gebäude könnten aber auch als eine Art Lärmfänger für die Gebiete fungieren. Die Hamburger Morgenpost sieht eine Lösung eher im Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos – damit wären Lärm- wie Schadstoffbelastung wesentlich für die Anrainer reduziert. Fahrverbote hingegen wären wohl eher neuer Zündstoff denn eine echte Lösung.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: Warum die gemeinsame Waschküche wohl nicht die Lösung sein wird.
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„Wir brauchen mehr Vielfalt in der Architektur“
Was die Verdichtung angeht, sieht Franz-Josef Höing kein Problem – die Quartiere der Gründerzeit seien noch viel dichter gebaut worden. „Und ich finde es gut, dass die Gebäude in der Mitte Altona unterschiedliche Gesichter haben“, so der Oberbaudirektor. Der Bezirk Altona soll der erste sein, in dem durch die Bebauung an den Magistralen 20.000 neue Wohnungen entstehen. „Wir brauchen mehr Vielfalt in der Architektur“, so Höing weiter und meint damit, dass Quartiere ihren eigenen Charakter brauchen. Früher sei es in der Hamburger Stadtplanung mehr darum gegangen, wie das Stadtbild nach außen hin wirkt. Heute müssen sich die Stadtplaner mehr um die „spröderen Teile der Stadt“ kümmern – „mit großer Sorgfalt“, wie Franz-Josef Höing betont. Heute soll und muss Wohnraum geschaffen werden, den die Menschen brauchen, und gleichzeitig der ökologische Fußabdruck der Stadt gewahrt werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung könnten die Bauprojekte an den Hauptstraßen damit durchaus sein.
Die weitere Verkleinerung des Wohnraumes pro Person, so wie der Oberbaudirektor der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen anfangs philosophiert hatte, ist nach derzeitigem Stand jedenfalls nicht die Lösung – denn im Schnitt kosten kleine Wohnungen pro Quadratmeter mehr. Dennoch ziehen die Menschen aus größeren in kleinere Wohnungen, da sie sich den hochgerechneten Mietpreis nicht mehr leisten können. Fazit: Sie zahlen anteilhaft mehr und haben weniger.
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