Der Entscheidung EuGH 13.6.2024, C-737/22, BibMedia, liegt ein offenes Verfahren über einen Lieferauftrag in mehreren Losen zu Grunde. Der Zuschlag in den jeweiligen Losen sollte, entsprechend dem Billigstbieterprinzip, ausschließlich anhand des wirtschaftlich günstigsten Angebotspreises erteilt werden. Zwei der gegenständlichen Lose waren durch die Festlegung verknüpft, dass mit Abgabe eines Angebotes für eines der beiden Lose automatisch auch ein Angebot für das andere Los abgegeben wurde; ein Zuschlag in beiden Losen an ein Unternehmen wurde jedoch explizit ausgeschlossen. Es kam, wie es kommen musste, und ein und dasselbe Unternehmen hat in beiden Losen das billigste Angebot gelegt.
Der Auftraggeber hat für einen solchen Fall in den Ausschreibungsunterlagen Vorsorge getroffen: Allerdings hat er nicht einfach festgelegt, dass dann der Zuschlag eben auf den Zweitgereihten des kleineren Loses ergeht; vielmehr sollte in diesem Fall dem Zweitgereihten angeboten werden, den Preis des erstgereihten (Billigst-)Bieters "einzustellen". Wenn der zweitgereihte Bieter also erklärt, den Auftrag in diesem Los zum Preis des Erstgereihten (Billigstbieters) zu erbringen, dann sollte der Zweitgereihte den Zuschlag erhalten. Wenn der Zweitgereihte den niedrigsten Preis hingegen nicht einstellen will oder kann, dann sollte dem nächstgereihten Bieter diese Möglichkeit eröffnet werden usw. Das Ganze so lange, bis ein Bieter sich bereit erklärt, den Auftrag zum angebotenen Billigstpreis auszuführen. Erst, wenn auch der in diesem Los letztgereihte Bieter das Angebot zur "Einstellung" des Billigstpreises ablehnt, sollte dem erstgereihten Bieter der Zuschlag auch für dieses Los erteilt werden.
Die Frage, ob diese doch etwas kuriose Regelung rechtlich zulässig ist, wurde in der Folge bis zum EuGH getragen und siehe da: Der EuGH beurteilt eine solche Regelung als rechtskonform!
Laut EuGH war das Vorgehen durch den Auftraggeber transparent festgelegt und führe auch nicht zu einer unzulässigen nachträglichen Angebotsänderung oder nachträglichen Angebotsverhandlung (mit der nicht ganz schlüssigen Begründung, dass ja keine Verhandlung stattfände, sondern nur ein "Angebot" seitens des Auftraggebers an die nachgereihten Bieter unterbreitet werde, den Auftrag zu einem bestimmten Preis anzunehmen). Weiters begünstige ein derartiges Vorgehen die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs in der betreffenden Branche, sodass auch insofern kein Rechtsverstoß zu orten sei. Die Reihung und damit die Rangfolge, in der den Bietern der Zuschlag anzubieten sei, ergebe sich zudem aus deren Angeboten und würde nachträglich nicht verändert. Auch ein Abgehen vom (festgelegten) Billigstbieterprinzip sei darin nicht zu erblicken gewesen.