Baurecht : Whistleblowing am Bau - Petzen erwünscht?
Was Sie in diesem Artikel erwartet:
1. Wo und wofür die Whistleblower-Richtlinie gilt
2. Was genau auf die heimischen Bauunternehmen zukommt
3. Welchen Nutzen attraktive interne Whistleblower-Kanäle haben
4. Was dienstrechtlich zu beachten ist
Wo Österreich beim Thema Whistleblowing steht
Die EU verfolgt seit längerem das Ziel, den Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) in möglichst vielen Bereichen zu verstärken und zu harmonisieren. Die bereits 2019 beschlossene "Whistleblower-Richtlinie" (Richtlinie (EU) 2019/1937) soll nach angloamerikanischem Vorbild den Mitgliedstaaten einen Rahmen für eben diesen Hinweisgeberschutz vorgeben. Grundsätzlich waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Whistleblower-Richtlinie bis Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen (Art 26 Abs 1). Österreich ist bei der Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie bislang säumig, der Gesetzgeber hätte bereits mit Dezember 2021 nationale Vorschriften über interne Hinweisgebersysteme für juristische Personen mit mehr als 250 Mitarbeitern erlassen müssen (die wohl in ihren Grundzügen auch für Unternehmen mit 50 bis 249 gelten würde; hier endet die Umsetzungsfrist Ende 2023).
Die Whistleblower-Richtlinie beschränkt sich aufgrund der EU-rechtlichen Kompetenzverteilung auf Meldungen betreffend Verstöße gegen Unionsrecht, wie z.B. das öffentliche Auftragswesen, den Verkehrs- und Umweltschutz, den Verbraucher- und Datenschutz, die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung etc (siehe Art 2 Abs 1 lit a). Da Lebenssachverhalte aber meist nicht einer bestimmten Rechtsmaterie zuzuordnen sind und etwa Verstöße gegen das Vergaberecht auch mit der Erfüllung eines Korruptionsdeliktes einhergehen können, empfiehlt die EU den Mitgliedstaaten, den Anwendungsbereich der nationalen Bestimmungen auf andere Bereiche auszudehnen, um für einen umfassenden Rahmen für den Hinweisgeberschutz zu sorgen. Dem Vernehmen nach dürfte es sich innerhalb der österreichischen Regierung derzeit an der Frage spießen, ob auch das Korruptionsstrafrecht vom Hinweisgeberschutz umfasst sein soll.
Unabhängig davon, dass noch offen ist, wie Österreich die Whistleblower-Richtlinie umsetzt, ist schon jetzt klar, dass der Großteil der österreichischen Bauunternehmen von den neuen Bestimmungen betroffen sein wird. Da eine Implementierung dieser Richtline für viele Unternehmen ohnehin unumgänglich ist, soll dieser Artikel nicht nur die einhergehenden Belastungen beleuchten, sondern den Fokus (auch) auf den Nutzen solcher Hinweisgebersysteme legen.
Medienberichten zufolge sollen 88 Prozent der Bauunternehmen von Diebstählen betroffen sein. Im Durchschnitt verzeichneten die befragten Unternehmen bis zu fünf – immer höherwertigere – Diebstähle pro Jahr. Wie der Fall Semmering-Basistunnel zeigt, sind die Täter oft Mitarbeiter. Auch Schlampereien bei der Entsorgung von Problemstoffen, Datenschutzverstöße oder Fehler bei der Handhabung von Wirtschaftssanktionen (Russland) können für Unternehmen empfindliche Folgen haben.
Faktum ist, dass es lediglich eine Frage der Zeit ist, bis Unternehmen interne Meldekanäle einzurichten haben. Dabei sollte aber jedes betroffene Unternehmen das Ziel haben, diese so attraktiv wie möglich zu gestalten, um Missstände frühzeitig zu identifizieren, (Präventions-) Maßnahmen einleiten zu können und damit den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Was kommt auf die heimischen Bauunternehmen zu? Ein mehrstufiges Meldesystem
Gemäß Whistleblower-Richtlinie müssen künftig juristische Personen in der Privatwirtschaft mit mehr als 50 Mitarbeitern – und juristische Personen des öffentlichen Sektors (Bund, Land und Gemeinden) – ein Hinweisgebersystem implementieren und Meldungen von Hinweisgebern bearbeiten.
Hinweisgeber sollen dabei Verstöße zunächst über den internen Kanal melden können. Die Richtlinie gibt u. a. vor, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers sowie die in der Meldung genannten Personen sichergestellt sein muss. Anzumerken ist aber, dass auch diese Vertraulichkeit ihre Grenzen hat, so sieht bereits Art 16 Abs 2 der Richtlinie vor, dass die Identität des Hinweisgebers dann offengelegt werden darf, wenn es etwa zu einem Gerichtsverfahren gegen die betroffene Person kommt, der Hinweisgeber etwa als Zeuge aussagen muss.
Dem Hinweisgeber ist innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Meldung diese zu bestätigen. Zudem ist dem Hinweisgeber eine unparteiische Person oder Abteilung bekannt zu geben, die für die Folgemaßnahmen zuständig ist, die mit ihm in Kontakt bleibt und, so erforderlich, allenfalls um weitere Informationen ersucht. In weiterer Folge muss längstens binnen drei Monaten ab Bestätigung des Eingangs der Meldung dem Hinweisgeber eine Rückmeldung über allfällig ergriffene Folgemaßnahmen oder den Stand der internen Ermittlung gegeben werden.
Was aber, wenn es keinen internen Meldekanal gibt oder nach einer internen Meldung keine geeigneten Folgemaßnahmen getroffen werden? Diesfalls kann der Hinweisgeber externe Meldekanäle (etwa bei Behörden / Volksanwaltschaft) in Anspruch nehmen. In Tirol wurde bereits ein entsprechendes Gesetz verabschiedet – Unionsrechtsverstöße-Hinweisgebergesetz (UVHG-Begleitgesetz) –, wonach die jeweilige Landesvolksanwältin oder der Landesvolksanwalt als externe Meldestelle für Hinweisgeber fungiert.
Wurden weder nach einer internen noch der externen Meldung geeignete Maßnahmen ergriffen oder besteht die offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses, sieht die Richtlinie für den Hinweisgeber als ultima ratio den Weg an die Öffentlichkeit vor.
Selbstverständlich besteht für jedes Unternehmen ein enormes Interesse, den internen Meldekanal so attraktiv wie möglich zu gestalten, um zu verhindern, dass Hinweisgeber sich veranlasst sehen, auf die letzteren beiden Stufen zurückzugreifen. Eine behördliche Meldung kann für das Unternehmen weitreichende Folgen haben, so wird dadurch etwa die Straffreiheit im Zusammenhang einer Selbstanzeige beim Finanzamt unterbunden. Zudem können externe Meldungen umfassende Überprüfungen des Unternehmens nach sich ziehen. Der Weg an die Öffentlichkeit kann im schlimmsten Fall zusätzlich zu einem erheblichen (Image-)Schaden führen.
Eine Maßnahme, um den internen Kanal attraktiver für Mitarbeiter zu gestalten, kann sein, das Meldesystem durch einen externen Dienstleister betreiben zu lassen (Art 5 Abs 5). Denn aufgrund der oft engen Vernetzungen unter den Mitarbeitern befürchten Hinweisgeber oft, dass ihre Meldungen auf Umwegen ("Flurfunk") bekannt werden und es dennoch zu Repressalien durch ihre Vorgesetzen kommt. Durch die Auslagerung des internen Meldesystems an unabhängige Dienstleister kann die Vertraulichkeit der Identität und so das Vertrauen der Mitarbeiter in das System gestärkt werden. Insbesondere Rechtsanwaltskanzleien haben die erforderlichen Kompetenzen, Hinweise entgegenzunehmen, diese zu evaluieren, zu filtern sowie allenfalls geeignete Maßnahmen einzuleiten.
Verbot von Repressalien für Hinweisgeber
Sämtliche mit dem jeweiligen Unternehmen in Zusammenhang stehende Personen, die gutgläubig handeln, sohin einen hinreichenden Grund für die Annahme haben, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprechen und diese Informationen in den Anwendungsbereich der Whistleblower-Richtlinie fallen (Art 6), dürfen nicht wegen einer ordnungsgemäßen Meldung benachteiligt werden (Art 19 - 22). Gerade in diesem Zusammenhang ist auch der österreichische Gesetzgeber gefordert, den sachlichen Anwendungsbereich der Richtline so zu gestalteten, dass ein umfassender Schutz der Hinweisgeber sichergestellt ist. Es ist dem Hinweisgeber nicht zumutbar, zu prüfen, ob sein Hinweis einen Verstoß gegen die in der Richtline festgelegten Rechtsgebiete umfasst.
Für den Schutz vor Repressalien ist grundsätzlich der begründete Verdacht für einen Verstoß hinreichend, eindeutige Beweise sind nicht notwendig. Die Richtlinie beinhaltet eine umfassende Liste verpönter Repressalien (Art 19). Diese Liste reicht von Suspendierung, Kündigung oder vergleichbaren Maßnahmen über Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, Einschüchterung, Mobbing bis hin zu Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags. Die Richtlinie sieht in diesem Zusammenhang für Hinweisgeber in allfälligen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren eine Beweislastumkehr vor. Demnach wird vermutet, dass Benachteiligungen, die der Hinweisgeber nach einer Meldung erfährt, als Repressalie im Sinne der Richtlinie zu sehen ist (Art 21 Abs 5). Zudem sieht die Richtlinie vor, dass Hinweisgeber für eine Meldung nicht gerichtlich haftbar gemacht werden können, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken. Selbstverständlich genießt der Hinweisgeber keinen Schutz bei vorsätzlichen Falschmeldungen.
FAZIT
• Die Richtlinie wurde in Österreich noch nicht umgesetzt.
• Künftig werden aber auch juristische Personen des privaten Sektors ab 50 Arbeitnehmern ein internes Hinweisgebersystem einzurichten haben. Eine Auslagerung des internen Meldesystems an unabhängige Dienstleister ist möglich und abhängig von der Unternehmensstruktur auch ratsam.
• Der Hinweisgeber soll primär die internen Meldekanäle nutzen. Unternehmen haben ein großes Interesse, diese attraktiv zu gestalten, um ein Ausweichen auf externe Kanäle (Behörden) oder gar die Öffentlichkeit zu verhindern.
• Die Hinweisgeber genießen bei begründeten Meldungen von Verstößen gegen Unionsrecht einen Schutz vor Repressalien und gerichtlicher Haftung.