Was genau unter "Nachteil" zu verstehen ist, lässt sich nur durch Interpretation ermitteln. Jedenfalls sind darunter wohl geldwerte Vermögensnachteile zu verstehen. Schwieriger ist jedoch die Frage zu beantworten, wie weit diese Betrachtung des Nachteils zu reichen hat und welche Vorteile dabei entgegengesetzt zu berücksichtigen sind? Je nach Sachverhalt erhält der AG im Falle von Mehrkosten ja auch eine qualitativ höherwertige Leistung mit einer unter Umständen längeren Lebensdauer. In solchen Fällen stellt sich durchaus die Frage, worin der Nachteil zu erblicken sein soll? Bei laufenden Projekten stellt sich zudem die Frage, weshalb der AG von Einsparungsdispositionen nicht noch Gebrauch machen könnte, um die Gesamtkosten zu senken. Auch dann würde kein Nachteil entstehen. Ein allfälliger Verlust des Anspruches tritt jedenfalls nur in jenem Umfang ein, in dem die dem AG abhanden gekommene taugliche Dispositionsmöglichkeit auch tatsächlich zu einem Nachteil für ihn geführt hat. Das bloße Vorliegen eines potenziellen Nachteils genügt schon nach dem Wortlaut der Bestimmung hierfür nicht. Die Beweispflicht für das tatsächliche Vorliegen eines Nachteils und dessen Höhe liegt beim Werkbesteller.
Sollte einzelvertraglich eine Verfristungsregel im Bauvertrag enthalten sein, in der sich keine "Dispositionsklausel" findet – nach der ein Anspruchsverlust nur im Umfang des eingetretenen Nachteils entstehen kann – so ist die Rechtslage wohl in aller Regel nach der zum Kostenvoranschlag ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur zu beurteilen: Bei Vorliegen einer aus der Sphäre des Werkbestellers rührenden Ursache für die Mehrkosten ist eine eigene Anzeige derselben entbehrlich und der Anspruch besteht dem Grunde nach jedenfalls zu Recht.
Tipps:
• Verfristungsklauseln sind rechtlich ernst zu nehmen
• Es ist dafür zu sorgen, dass Mehrkosten frühzeitig erkannt und angezeigt werden können
• Die verzögerte Anzeige von Mehrkosten kann nur dann und insoweit zu einem Anspruchsverlust führen, als der AG durch den Entzug einer effektiven Dispositionsmöglichkeit einen tatsächlichen geldwerten Nachteil erleidet.
• Beweispflicht für die nicht Rechtzeitigkeit und die Höhe des den erlittenen Nachteils liegt beim AG
Zum Autor: Partner Mag. Wolfgang Müller leitet die Praxisgruppe Immobilien- und Baurecht von Wolf Theiss, sowie das Baurechtsteam der Kanzlei. Er ist als einer der österreichischen Top-Anwälte in diesem Gebiet bekannt und regelmäßig in komplexe internationale Bau- und Entwicklungsprojekte involviert.