Baurecht I Bauverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen : Nicht alles, was in AGB steht, gilt
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Damit Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil werden, müssen sie bei Vertragsabschluss vereinbart werden und die Parteien müssen vor Vertragsabschluss die Möglichkeit haben, in die AGB Einsicht zu nehmen. Hinweis: Auch die ÖNORM B2110 stellt eine Form von AGB dar und muss deren Geltung zwischen den Parteien vereinbart werden.
Eine nachträgliche (erstmalige) Bezugnahme eines Vertragspartners auf seine AGB - etwa im Zuge der Rechnungslegung - wäre beispielsweise unwirksam. Unwirksam sind Klauseln auch dann, wenn ihr Inhalt ungewöhnlich, überraschend oder gröblich benachteiligend ist. Darüber hinaus gibt es im sogenannten B2C-Bereich (also bei Vertragsabschluss zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher) eine Vielzahl von Bestimmungen, die zusätzlich die Unzulässigkeit bestimmter Klauseln festlegen - hier ist insbesondere auf den in § 6 des Konumentenschutzgesetzes (KSchG) enthaltenen Klauselkatalog zu verweisen. Verstöße führen zur Unwirksamkeit der betreffenden Klausel, der Vertrag im Übrigen bleibt jedoch wirksam.
Bei nur teilweiser Unzulässigkeit einer Vertragsklausel bleibt diese (außer bei B2C-Verträgen) im Wege der „geltungserhaltenden Reduktion“ mit ihrem zulässigen Inhalt bestehen. An die Stelle gänzlich unwirksamer Klauseln tritt die einschlägige gesetzliche Regelung; bei B2C-Verträgen hat der EuGH die Behandlung unwirksamer Klauseln zugunsten des Verbrauchers in den letzten Jahren hingegen deutlich verschärft. Die alte Gewissheit, dass (auch) solche Lücken durch gesetzliche Regelungen oder ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden können, ist nicht mehr gegeben. Diesen Umstand wollen wir in der Folge genauer beleuchten:
Geltungserhaltende Reduktion und Lückenfüllung im B2B-Bereich
Die geltungserhaltende Reduktion bietet dem Verwender von AGB im B2B-Bereich (sohin bei Verträgen zwischen zwei Unternehmern) eine Art "Sicherheitsnetz". Bei unzulässigen Klauseln in AGB können diese bei entsprechendem hypothetischen Parteiwillen (beider Parteien) durch geltungserhaltende Reduktion auf ihren zulässigen Inhalt reduziert werden. Eine Klausel, die wegen ihres gröblich benachteiligenden Inhalts unwirksam ist, bleibt demnach mit ihrem zulässigen Inhalt wirksam.
So wäre etwa ein Haftungsausschluss zwischen Unternehmern in Bezug auf Vermögensschäden insoweit als gröbliche Benachteiligung zu werten, als auch Schäden einbezogen sind, die aus vorsätzlichem oder krass grob schuldhaftem Verhalten herrühren. Ein solcher genereller Haftungsausschluss wäre geltungserhaltend auf den erlaubten Inhalt, sohin einen Haftungsausschluss nur bei leichter Fahrlässigkeit, zu reduzieren.
An die Stelle einer gänzlich unwirksamen Klausel, die in keinem Teil aufrechterhalten werden kann, tritt die einschlägige gesetzliche Regelung, d.h. die gesetzliche Regelung, die auch ohne die vertragliche Abänderung (ursprünglich) gegolten hätte.
Entdecken Sie jetzt
-
Lesen
- Warum die Zukunft im Bestand liegt 20.11.2024
- Countdown zu den 5 größten Vergaberechtsmythen 20.11.2024
- Bei Wiener U-Bahn-Ausbau wird mit Recyclingbeton geforscht 19.11.2024
-
Videos
- SOLID Bau-TV | 11.07.2024 11.07.2024
- SOLID Bau-TV | 27.06.2024 27.06.2024
- SOLID Bau-TV | 06.06.2024 06.06.2024
-
Podcasts
- Bauen up to date #13 - 04.03.2024 04.03.2024
- Bauen up to date #12 - 13.9.2023 12.09.2023
- Bauen up to date #11 - 23.04.2023 23.04.2023
Keine Geltungserhaltende Reduktion im B2C-Bereich
Im B2C-Bereich ist das Konzept der geltungserhaltenden Reduktion hingegen unzulässig. Auch die geläufigen "salvatorischen Klauseln", die sich oft am Ende von Verträgen oder AGB finden und die Anwendung einer geltungserhaltenden Reduktion einzelvertraglich vereinbaren sollen, sind im B2C-Bereich unwirksam. Der EuGH hat im vergangenen Jahr in der Entscheidung "Gupfiger" klargestellt, dass missbräuchliche Klauseln nicht auf das gesetzlich zulässige Maß reduziert werden dürfen, sondern gänzlich zu beseitigen sind.
In der zugrunde liegenden Entscheidung des EuGH C-625/21 - "Gupfiger" kaufte ein Verbraucher bei einem österreichischen Unternehmer eine Einbauküche. Die AGB des Unternehmers sahen für den Fall eines unberechtigten Rücktritts des Käufers vom Vertrag vor, dass der Verkäufer die Wahl hat zwischen einem pauschalierten Schadenersatz in der Höhe von 20 Prozent des Kaufpreises und dem vollständigen Ersatz des verursachten Schadens. Der Konsument hat es sich (nach Abschluss des Kaufvertrages) anders überlegt und einen Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. In seiner Vorlage an den EuGH wollte der OGH wissen, ob der Unternehmer seinen Ersatzanspruch alternativ auf das nationale Recht stützen können und der Anspruch auf den Nichterfüllungsschadens aufrecht bleibe.
Der EuGH sah in dieser AGB-Klausel eine missbräuchliche Bestimmung, die zur Gänze für unwirksam zu erklären war. Eine solche Klausel begründe nämlich ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers. Der Mechanismus einer solchen Klausel ist aufgrund der Möglichkeit, die sich der Gewerbetreibende vorbehält und die es ihm ermöglichen sollte, eine Entschädigung zu verlangen, die den ihm tatsächlich entstandenen Schaden übersteigen kann, missbräuchlich.
Frage nach der Lückenfüllung
Fraglich war zudem, ob die dadurch entstehende Vertragslücke durch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen geschlossen werden kann. Der EuGH ist der Ansicht, dass eine "Lückenfüllung" nur dann vorzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit der Klausel besonders nachteilige Folgen für den Verbraucher hätte.
Im konkreten Fall hatte dies zur Folge, dass sich der Unternehmer nicht auf die ansonsten geltenden dispositiven Rechtsvorschriften berufen konnte und der Unternehmer keinen Anspruch geltend machen konnte. Nach Ansicht des EuGH ist es unerheblich, dass die Nichtigerklärung der missbräuchlichen Schadenersatzklausel zur Folge hat, dass der Verbraucher von jeglicher Schadenersatzpflicht befreit ist und der Unternehmer seinen sonst nach den gesetzlichen Bestimmungen begründeten Anspruch verliert.
Dieses Urteil des EuGH hat weitreichende Konsequenzen, da der sonst übliche Lösungsansatz, die durch missbräuchliche Klauseln entstandenen Lücken insbesondere durch die gesetzlichen Regelungen zu schließen, in dieser Form nur zulässig ist, wenn dies zum Vorteil des Verbrauchers geschieht.
Vor diesem Hintergrund ist es als Unternehmer besonders ratsam, im B2C-Bereich auf überschießende AGB-Klauseln wie z.B. Haftungsbeschränkungen, Stornogebühren etc. zu achten.
Praxistipps
* Die geltungserhaltende Reduktion von Vertragsbestimmungen (insbesondere AGB) findet nur im B2B-Bereich Anwendung, indem unwirksame Klauseln auf das gesetzliche Mindestmaß reduziert werden können. Bei gänzlich unwirksamen Bestimmungen kann die Vertragslücke gegebenenfalls durch die gesetzliche Regelung geschlossen werden.
* Im B2C-Bereich ist eine geltungserhaltende Reduktion von Vertragsbestimmungen (und damit auch die Vereinbarung von sogenannten "salvatorischen Klauseln") unzulässig. Lücken, die durch den Wegfall unwirksamer Bestimmungen entstehen, dürfen nur dann durch gesetzliche Bestimmungen geschlossen werden, wenn der Verbraucher dadurch nicht benachteiligt wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im B2C-Bereich kein Spielraum für eine Anpassung der AGB besteht, wenn einer Klausel ein missbräuchlicher Inhalt unterstellt wird.
* Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der AGB – insbesondere, wenn diese auch für den B2C-Bereich angewendet werden sollen - ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass diese den hohen Anforderungen des Verbraucherschutzes genügen. Der Wegfall unzulässiger Klauseln kann für den Unternehmer mit erheblichen Nachteilen verbunden sein.