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Die seit mittlerweile vielen Jahren im Gesetz verankerte Sicherstellung für den Bauwerkvertrag (auch genannt "Bauhandwerkersicherung") gemäß § 1170b ABGB wurde von der Baubranche viele Jahre lang nicht oder nur am Rande beachtet. Viele kannten (und kennen noch heute) dieses, zugunsten des Auftragnehmers gesetzlich verankerte Recht, vom Bauherrn eine Sicherstellung fordern zu können, nicht. Inzwischen steigt jedoch merkbar die Anzahl jener Bauvorhaben, bei welchen die Ausführenden mit diesem "Werkzeug hantieren". Manchmal auch unsachgemäß oder jedenfalls (juristisch) unvorsichtig. Aus Sicht der bauanwaltlichen Praxis treten daher vermehrt Fälle auf, in denen der Mechanismus dieser Sicherstellung rechtliche Probleme bereitet. Dies nicht zuletzt deswegen, weil mancherorts offensichtlich das Bewusstsein über die Funktionsweise und die möglichen Rechtsfolgen fehlt. Einige Praxistipps sind daher - aus dieser Perspektive betrachtet – durchaus geboten:
Worum geht es? Der mit der Errichtung eines Bauvorhabens per Werkvertrag beauftragte Unternehmer (aber auch der Planer) ist ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und ohne Angabe von Gründen jederzeit berechtigt, vom Werkbesteller eine Sicherstellung für das noch ausstehende Entgelt in Höhe von 20 % des vereinbarten Entgelts (bei kürzerer Leistungsfrist als 3 Monate: 40 %) zu fordern. Als betragliche Obergrenze ist stets der tatsächlich noch offene Werklohn zu beachten. Als Sicherstellungsmittel können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. In der Regel wird zur Übergabe einer Bankgarantie aufgefordert. Die Kosten der Sicherstellung (zB Avalgebühren) trägt der Fordernde bis maximal 2% der Sicherungssumme. Das Recht besteht nicht gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts (zB Bund, Länder, Gemeinden) oder Verbrauchern im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes. Bloß privatrechtlich ausgelagerte Rechtsträger (Aktiengesellschaften oder GmbH's), an welchen die öffentliche Hand gesellschaftsrechtlich beteiligt ist, sind jedoch nicht ausgeschlossen. Das gesetzliche Recht zur Sicherstellung ist zwingend und kann dem Unternehmer weder einzelvertraglich noch durch Geschäftsbedingungen udgl des Bestellers gültig entzogen werden. Übergibt der Werkbesteller die Sicherstellung nicht (gehörig), so ist der Unternehmer letztlich berechtigt die Vertragsaufhebung zu erklären und schlusszurechnen. Wie funktioniert das aber nun genau?
Mechanismus, Funktionsweise und Rechtsfolgen: Die an den Werkbesteller zu richtende (1.) Aufforderung zur Übergabe einer Sicherstellung binnen angemessener Frist ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und an keine besondere Form gebunden. Die Schriftform ist zu empfehlen. Welche Zeitdauer unter einer "angemessenen Frist" zu verstehen ist, muss für den Einzelfall beurteilt werden. Gewöhnlich sollten 14 Tage ausreichend sein. Sollte der Bauherr dieser Aufforderung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nachkommen, ist der Unternehmer zunächst berechtigt, seine Leistungserbringung einzustellen. Er hat sodann eine (2.) Aufforderung an den Werkbesteller zu richten: In dieser hat er dem Werkbesteller eine angemessene Nachfrist zur Übergabe der Sicherstellung zu setzen (zB 14 Tage) und bereits die Vertragsaufhebung zu erklären. Kommt der Werkbesteller auch dieser (2.) Aufforderung nicht binnen der gesetzten angemessenen Nachfrist nach, wir die erklärte Vertragsaufhebung rechtswirksam und der Unternehmer ist berechtigt die Baustelle zu räumen sowie schlusszurechnen.
Worauf ist zu achten?
Aus bauanwaltlicher Erfahrung sind besonders nachstehende, neuralgische Punkte zu bemerken:
Höhe: Die korrekte Berechnungsgrundlage besteht aus dem vereinbarten Entgelt (zivilrechtlicher Preis inklusive USt) zuzüglich der allenfalls einvernehmlich fortgeschriebenen Auftragssumme (inkl. beauftragter/anerkannter Nachträge). Sollte der Bauherr nach Erhalt der 1. Aufforderung die Ansicht vertreten, dass die Höhe der Sicherstellung unrichtig berechnet worden ist, so ist dies irrelevant. Er ist ungeachtet dessen dazu verpflichtet, die Sicherstellung in korrekter Höhe zu übergeben. Tut der dies nicht, hat er die erste Frist versäumt. Eine neuerliche Aufforderung des Unternehmers unter Nennung der nun allenfalls korrekten Höhe ist nicht erforderlich.
Frist: Sollte der Bauherr nach Erhalt der 1. Aufforderung die Ansicht vertreten, dass die ihm gesetzte Frist unangemessen kurz ist, so ist dies ebenso irrelevant. Entscheidend ist lediglich, dass ihm eine angemessene Frist tatsächlich gewährt wird, bis der nächste Schritt folgt.
Einstellung: Sollte die erste Frist zur Übergabe fruchtlos verstreichen oder der Bauherr eine zu geringe Sicherstellung übergeben so ist der Unternehmer berechtigt (nicht verpflichtet), seine Leistungserbringung vorerst einzustellen. Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen der Unternehmer – entgegen der grundsätzlich gesetzlich normierten Vorleistungspflicht des Werkunternehmers – das Recht erhält, die Leistung straflos zu verweigern noch bevor das Werk fertiggestellt wurde. In diesem Fall empfiehlt es sich ganz grundsätzlich, eine Anzeige wegen Behinderung ("Leistungsstörung") an den Bauherrn zu richten. Schließlich stammt der Grund für die (wenn auch uU nur vorläufige) Einstellung der Bauarbeiten aus dessen Sphäre. Je nachdem, wie lange die nachfolgende Nachfrist gesetzt wurde und auch abhängig von der Frage, ob die Sicherstellung dann letzten Endes doch noch übergeben wird, entsteht in diesem Zeitraum der Nachfrist - jedenfalls dem Grunde nach – zugunsten des Unternehmers ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung und/oder auf Mehrkosten wegen Leistungsstörung (zeitgebundene Kosten etc). Sollte der Bauherr innerhalb des Zeitraums der Nachfristsetzung auf die Idee kommen, selbst – warum auch immer – vom Bauvertrag zurückzutreten, so wäre dies als rechtswidrige Umgehung der Rechtsfolgen des § 1170b ABGB zu qualifizieren. Sein Rücktritt wäre damit unberechtigt. Schadenersatzansprüche wären die Folge. In einem solchen Fall empfiehlt es sich sogar, den eigenen Plan auch weiter in die Tat umzusetzen, da es nur dann zur (hier berechtigten) Vertragsaufhebung von Seiten des Unternehmers kommen kann. Andernfalls bestünde das Risiko, dass der unberechtigte Rücktritt des Bauherrn in eine Abbestellung umgedeutet werden könnte, was wiederum Auswirkungen (der Höhe nach) für die nachfolgende Auseinandersetzung hinsichtlich des noch zu zahlenden Werklohns haben könnte.
Vertragsaufhebung: Sollte der Bauherr der 1. Aufforderung zur Übergabe der Sicherstellung nicht (gehörig) nachkommen, so ist – so man die nachfolgenden Schritte möglichst rechtssicher wahren will – zu empfehlen, die Erklärung zur Vertragsaufhebung sogleich mit der Nachfristsetzung (2. Aufforderung) zu verbinden. Also sogleich unter Nachfristsetzung die Vertragsaufhebung für den Fall des Nichtentsprechens zu erklären. Dies deswegen, weil es von der Rechtsprechung noch nicht geklärt wurde, ob sich der Unternehmer die bloße Aufhebungserklärung vorbehalten und diese rechtswirksam nach Ablauf der Nachfrist (dann ansatzlos) noch erklären kann. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass der Unternehmer in diesem Fall durch die Unterlassung der Aufhebungserklärung (im Zeitpunkt der Nachfristsetzung) uU den Vertrauenstatbestand schafft, dass er an einer Aufhebung des Vertrages doch kein Interesse hat. Alle dies ist selbstverständlich im Einzelfall und anhand des konkreten Sachverhaltes zu beurteilen.
Rechtsfolgen nach erklärter Vertragsaufhebung durch den Unternehmer: Sobald die Erklärung der Vertragsaufhebung wirksam wird, ist der Unternehmer berechtigt, die Baustelle endgültig zu räumen und den dann noch offenen Werklohn in Rechnung zu stellen. Allenfalls zuvor im Bauvertrag enthaltene Bestimmungen, wie Zahlungsziele, Sicherstellungen zugunsten des Bauherrn, Verzugszinsen etc haben infolge Aufhebung des Vertrages keine Geltung mehr. Der abzurechnende Werklohn, welcher nach den Grundsätzen des § 1168 Absatz 2 ABGB zu ermitteln ist (Werklohn abzüglich des Ersparten), wird daher auch unmittelbar nach Zugang der Rechnung zur Zahlung fällig. Was sich der Unternehmer allenfalls erspart hat, ist nach der Rechtsprechung vom Bauherrn zu beweisen. Für den Zahlungsverzug gelten ab dann die (nicht geringen) gesetzlichen Verzugszinsen. Die wahrscheinlich gravierendste Rechtsfolge für den Bauherrn ist jedoch, dass ihm nach ganz herrschender Meinung – mangels vertraglicher Grundlage - keine Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Unternehmer (mehr) zustehen. Allein dieser Umstand bedeutet für ihn wohl gerade dann ein nicht unerhebliches Übel, wenn er beispielsweise das davon betroffene Wohnungseigentum nicht und/oder schon veräußertes Wohnungseigentum nicht mehr samt der Gewährleistungsansprüche übertragen kann. Abschließend ist explizit zu empfehlen, dieses "Werkzeug" nicht (ausschließlich) dazu zu missbrauchen, den Bauherrn zu disziplinieren oder die Bearbeitung von Mehrkostenforderungen zu "beschleunigen". Die Frage, in welchem Fall eine übergebene Sicherstellung (Bankgarantie) tatsächlich verwertet (abgerufen) werden kann/darf, ist seitens der Rechtsprechung zu § 1170b ABGB bislang ungeklärt.
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Fazit
Vor Aufforderung zur Sicherstellung sollte sich der AN gründlich darüber bewusst sein, welches "Werkzeug" er hier in Händen hält und wohin die Anwendung führen kann.
Es ist nicht erforderlich, die Sicherstellung in korrekter Höhe zu fordern oder angemessene Fristen zu setzen. Der Bauherr muss die Sicherstellung in korrekt berechneter Höhe übergeben. Entscheidend ist, ob tatsächlich eine angemessene Frist gewährt wird.
Im Falle des Wirksamwerdens der Vertragsaufhebung entfallen sämtliche Gewährleistungsansprüche des AG. Der offene Werklohn (abzüglich des Ersparten) wird sofort fällig. Ehemals vertragliche Klauseln haben infolge Wegfalls des Vertrages keine Geltung mehr.