Steuerrecht : Grenzüberschreitendes Remote Working richtig besteuern und versichern
Der Arbeitsmarkt wird globaler denn je. Viele österreichische Unternehmen können aufgrund des Fachkräftemangels Schlüsselpositionen nicht mehr mit inländischem Personal besetzen und dehnen ihre Recruitinganstrengungen ins Ausland aus. Umgekehrt ermöglicht die Digitalisierung, dass österreichische Arbeitnehmer oft nicht mehr physisch ins Ausland entsandt werden müssen, sondern ihre Tätigkeiten auch für ausländische Projekte remote vom österreichischen Arbeitsplatz oder Home Office aus erledigen können. Solche Remote Working Konstellationen bergen neben den Chancen auf Linderung des Fachkräftemangels und Kosteneinsparungen aber auch abgabenrechtliche Risiken. Im Folgenden beleuchten wird diese Risiken für vier derzeit sehr gängige Remote Working Modelle.
Foreign Local Hire
Beim Foreign Local Hire schließt ein österreichischer Arbeitgeber den Dienstvertrag mit einem im Ausland ansässigen Arbeitnehmer ab. Als Arbeitsort wird ein bestimmter Ort im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers definiert, beispielsweise dessen Wohnung (= Home Office), ein Büroarbeitsplatz bei einer allfällig dort bestehenden Konzerngesellschaft oder ein Coworking Space. Physische Arbeitszeiten in Österreich sind grundsätzlich nicht vorgesehen. Der österreichische Arbeitgeber sollte hier unbedingt prüfen, ob durch die Beschäftigung im Ausland eine steuerliche Betriebstätte begründet wird und ob im Ansässigkeitsstaat des Mitarbeiters Verpflichtungen zum Einbehalt von Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträgen bestehen. Zudem sind auch für die Freistellung vom österreichischen Lohnsteuereinbehalt eine Reihe von formalen Vorgaben (zB. Einholung einer Ansässigkeitsbescheinigung) zu beachten.
Foreign Home Office
Das Foreign Home Office zeichnet sich dadurch aus, dass einem im Ausland ansässigen Mitarbeiter mit Arbeitsort in Österreich die Möglichkeit eingeräumt wird, eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen von seinem ausländischen Home Office aus zu arbeiten. Auch in diesem Modell stellen sich ähnliche Fragen wie beim Foreign Local Hire. Je nach Land, Ausmaß der Home Office Tätigkeit und Funktion des Mitarbeiters kann dadurch eine steuerliche Betriebstätte im Ausland begründet werden. Zudem kann sich die Sozialversicherungszuständigkeit von Österreich in den jeweiligen Ansässigkeitsstaat des Mitarbeiters verschieben – ein oftmals sowohl für den Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer unerwünschtes Ergebnis. Eine zusätzliche Komplexität liegt darin, dass sich das Besteuerungsrecht am Mitarbeitergehalt nun auf zwei verschiedene Länder verteilt und damit in vielen Fällen die Einrichtung einer sogenannten Split Payroll notwendig ist.
Virtuelle Entsendung
Die virtuelle Entsendung unterscheidet sich von der „klassischen“ Entsendung dadurch, dass sie zwar idR ebenfalls mit einer organisatorischen Funktionsänderung des Mitarbeiters verbunden ist, aber keine Änderung des Arbeitsorts im Sinne einer physischen Tätigkeitsverlagerung mit sich bringt. Beispielsweise könnte eine Mitarbeiterin der österreichischen Muttergesellschaft die Rolle der HR-Leitung bei einer ausländischen Tochtergesellschaft übernehmen, diese Funktion allerdings weiterhin (beinahe) ausschließlich von ihrem Büro bei der Muttergesellschaft aus ausüben. Bei diesem Modell ist primär darauf zu achten, dass die entsprechenden Personalkosten über geeignete Verrechnungspreisansätze jener Gesellschaft zugeordnet werden, in deren Interesse der virtuell entsandte Mitarbeiter tätig ist. Zudem lösen (zumeist nicht gänzlich vermeidbare) physische Einsatzzeiten bei der ausländischen Konzerngesellschaft im jeweiligen Land oft – wie auch bei einer tatsächlichen Entsendung - Abzugsteuer- oder Lohnsteuereinbehaltspflichten aus.
Workation
Viele Arbeitnehmer möchten die neue „digitale Freiheit“ auch dafür nutzen, ausgedehntere Urlaubsreisen zu absolvieren, aber dabei– meist im Rahmen deutlich reduzierter Arbeitszeiten – weiterhin von der Urlaubsdestination aus für den österreichischen Arbeitgeber zu arbeiten. Die Dauer kann dabei von wenigen Wochen („Workation“) bis zu mehreren Monaten („Jobbatical“) reichen. Auch diesem Mitarbeiterwunsch sollte nicht nachgegeben werden, ohne sich im Vorfeld mit den abgabenrechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Je nach Destination und Dauer können auch hier Betriebstättenrisiken oder Lohnsteuerrisiken im Ausland begründet werden. Zudem sollte durch ein optimales vertragliches Set Up darauf geachtet werden, die Arbeitnehmer möglichst auch während der Zeit der Workation in der österreichischen Sozialversicherung „zu halten“.
Tipps und Tricks
- Es wird Mitbewerber geben, die grenzüberschreitende „Remote Working Modelle“ anbieten. Diese NICHT anzubieten ist die schlechteste Option.
- Nur wenn Sie wissen, wo Ihre Mitarbeiter arbeiten, können Sie „compliant“ sein. Verpflichten Sie Ihre Mitarbeiter zur Führung von „Travel Trackern“ (Achten Sie auf die Einbindung des Betriebsrats, Vorgaben DSGVO etc.).
- Je flexibler Modelle sind, desto schwieriger ist es „compliant“ zu sein. Schaffen Sie klare Vorgaben zum zeitlichen Ausmaß der Arbeit im In- und Ausland (zB. max 1 Tag Home Office im Ausland); ein unregulierter Work From Anywhere Ansatz ist ein Compliance-Alptraum.
- Richtlinien schaffen Klarheit, was in welchen Konstellationen möglich ist (zB. für welche Länder, wie lange, zu welchen Konditionen etc.). Machen Sie diese transparent (zB. Intranet) und schulen Sie diese insbesondere bei Führungskräften mit Personalverantwortung.
- Ein Wechsel in die ausländische Steuer-/Sozialversicherungspflicht muss nicht immer schlecht sein – höheren Compliance-Kosten stehen oft niedrigere SV-Dienstgeberbeiträge im Ausland bzw. in Österreich wegfallende Lohnnebenkosten gegenüber.
- Überlegen Sie sich, wie Sie mit einer im Vergleich zum Inland höheren/niedrigeren Steuerbelastung des Mitarbeiters umgehen. Bieten Sie eine Tax Equalization/Tax Protection-Vereinbarung an und wenn ja für welche Konstellationen?
- Die steuerliche/sozialversicherungsrechtliche Abwicklung EINES Mitarbeiters in einem bestimmten Land ist verhältnismäßig teuer; die Grenzkosten bei weiteren Mitarbeitern sind idR aber gering (Skaleneffekte).
- Fürchten Sie sich nicht vor der Begründung von Betriebstätten im Ausland. Sowohl die Erklärung des Betriebstättenergebnisses als auch die Ausscheidung in Österreich sind lösbar. Legen Sie EINEN Verrechnungspreisansatz fest, den Sie konsequent in (möglichst) jedem Land verfolgen.
- Rollen Sie grenzüberschreitende Remote Working Konzepte Land für Land aus und nicht mit einem „Big Bang“. Starten Sie mit Prototypprojekten möglichst in den unmittelbaren Nachbarländern.
- Vergessen Sie nicht auf die arbeitsrechtlichen Aspekte. Die Verlagerung der Tätigkeit in ein anderes Land kann dazu führen, dass zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften dieses Landes eine Günstigkeitsprüfung nach sich ziehen.