Meinung : Verflixte Statistik - falsche Preisindizes im Tiefbau und bei Mieten

Die öffentliche Statistik liefert nicht nur unverzichtbare Informationen für die Planung und Steuerung zentraler Politikbereiche. Sie dient auch der Wirtschaft zur Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt. Die Daten von Statistik Austria gelten gemeinhin als objektiv, wissenschaftlich fundiert und somit als extrem belastbar. Sie beschreiben was ist. Und doch kann es ab und an vorkommen, dass sich auch die öffentliche Statistik irrt, dass die publizierten Zahlen wenig mit Realität gemein haben. Im heurigen Jahr trifft das auf zwei Preisindizes zu, die für den Wohnungsmarkt und die Bauwirtschaft von zentraler Bedeutung sind.

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Der erste Preisindex betrifft den Verbraucherpreisindex für Mieten. Laut Statistik Austria stagnieren die Mieten im heurigen Jahr auf Vorjahresniveau. Bis Oktober lag die Teuerung im Jahresdurchschnitt offiziell bei null Prozent. Das verwundert. Denn in den vergangenen dreißig Jahren wuchsen die Mietpreise immer rascher als die Inflation. Und es gibt keine Anhaltspunkte, warum das 2022 anders sein sollte. Ganz im Gegenteil: Bei MRG-Mieten wurden heuer die 2020 und 2021 ausgesetzten Erhöhungen nachgeholt.

Kategoriemieten sind bis Oktober bereits zwei Mal angepasst worden (Im November folgt die dritte Anhebung). Und nahezu alle anderen frei vereinbarten Mieten unterliegen einer Wertsicherung, die sich an der Inflation bemisst. Die Inflation liegt heuer im Jahresdurchschnitt bei mehr als acht Prozent. Stagnierende Mieten sind daher völlig unrealistisch. Bei Statistik Austria ist man sich der Problematik durchaus bewusst. Die Ursache für die realitätsfremd stabilen Mieten verortet man in einer Umstellung der Erhebungsmethodik. An einer Lösung des Problems wird gearbeitet, versichert man. Im Sinne einer, der Öffentlichkeit geschuldeten Transparenz, wäre es aber sinnvoll, bis dahin die Veröffentlichungen des Verbraucherpreisindex mit einer dementsprechenden Anmerkung zu versehen.

Andreas Kreutzer
Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer von branchenradar.com Marktanalyse und Vertreter von Kreutzer Fischer & Partner (KFP), einem Beraternetzwerk in Österreich. - © branchenradar.com

Auch im zweiten Fall wird die tatsächliche Teuerung völlig unterschätzt. Offiziell steigen in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres die Baupreise im Tiefbau nur um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr, obgleich sich Baustoffe wie Stahl, Beton oder Asphalt substanziell verteuerten. Zudem passt der flache Preisauftrieb im Tiefbau so gar nicht zum gemessenen Preisanstieg im Hochbau. Denn dieser liegt laut Statistik Austria bis Oktober im Jahresabstand bei plus 15,5 Prozent. In Deutschland und der Schweiz entwickeln sich die Preise im Hoch- und Tiefbau allerdings annähernd synchron.

Es spricht viel dafür, dass in Österreich die Preisentwicklung im Tiefbau nur ungenügend gemessen wird. Auch diesbezüglich wurde das Problem von Statistik Austria bereits erkannt und eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe eingerichtet. Unverständlich ist deshalb, warum man dennoch nach wie vor einen Baupreisindex für Hoch- und Tiefbau publiziert. Denn mit plus 9,7 Prozent gegenüber Vorjahr in den ersten drei Quartalen liegt dieser vermutlich um etwa ein Drittel unter dem tatsächlichen Preisauftrieb.