Die große Umfrage : Die Top-Themen der Bauwirtschaft 2023

Mit Unterstützung des Meinungsforschungs-Instituts brandscore.at fragten wir das Branchenklima und andere unter den Nägeln brennende Themen der Baubranche ab. Hier die Ergebnisse und die Interpretation von brandscore-Chef Herbert Kling.

Einschätzungen zu Branche und Branchenentwicklung

SOLID: Wir haben diese Frage ja bereits im Vorjahr gestellt - wie beurteilen Sie die Unterschiede und wie stufen Sie die Lage im Vergleich zu anderen Branchen ein, in denen Sie ebenfalls Befragungen durchgeführt haben? Sehen Sie speziell bei den Kriterien wie „Günstige Preise“, „Pünktlichkeit“ etc. signifikante Entwicklungen?

Herbert Kling, Geschäftsführer brandscore.at:
Vor allem beim Geschäftsklima zeigt sich, dass die Branche mehr unter Druck ist als in den vorherigen Jahren, das Klima wird nicht mehr ganz so optimistisch beurteilt. Auch in den Aspekten, was nun ein gutes Bauunternehmen bzw. einen guten Zulieferer ausmacht, sieht man einen Rückgang in den Ansprüchen oder anders formuliert: man muss froh sein über das, was man bekommt. Qualität in der Planung und Ausführung wird weniger wichtig beurteilt und auch die Vertragstreue ist weniger wichtig. Die Verknappungen im Markt führen dazu, dass man hier auf mehr Flexibilität setzt – nach dem Motto: wir sind froh, wenn wir es fertigstellen können.

Herbert Kling, Geschäftsführer und Studienautor, www.brandscore.at

Aktuelle Herausforderungen & Entlastungsmöglichkeiten

SOLID: Was fällt Ihnen da besonders auf - sehen Sie da sehr spezifische Dinge für die Baubranche und worauf weisen diese hin?

Herbert Kling:
Die aktuellen Herausforderungen drehen sich um Verknappungen, Lieferprobleme, steigendende Preise bei Rohstoffen und Energie sind für rund die Hälfte der Unternehmen ein Thema. ein Drittel klagt über Arbeitskräftemangel, wobei die Branche insgesamt ein guter Arbeitgeber ist. Fluktuation ist ein deutlich kleineres Thema als in anderen Branchen.

Die meisten Entlastungswünsche drehen sich auch um diesen Bereich: Maßnahmen zur Imageverbesserung der Branche werden genauso gewünscht wie eine Reform der Rot-weiß-rot-Card oder etwa Zugang für Asylwerber zum Arbeitsmarkt. Aber auch Themen wie Energiekostenzuschuss und Erleichterungen in der Kreditvergabe an Private stehen weit oben auf der Liste.

Mitarbeiterbindung/Leiharbeit, Zeitarbeit

SOLID: Dieses Thema betrifft ja ebenfalls nicht nur die Baubranche und Sie weisen ja seit Jahren auf die Wichtigkeit des Personalthemas hin. Was lesen Sie diesbezüglich aus den Ergebnissen der Baubranche in diesem Winter und welche Entwicklungen sehen Sie? Haben Sie als HR-Spezialist diesbezüglich auch Tipps für die Branche?

Herbert Kling:
Wie bereits erwähnt ist die Fluktuation in der Branche relativ gering, also wer einmal Erfahrung in der Branche gesammelt hat, bleibt auch gerne. Somit steht einer Imageaufbesserung auch nicht viel im Weg, weil die Basisdaten hier erfolgversprechend sind. DIe Branche ist beim Thema Mitarbeiterbindung sehr aktiv, knapp zwei Drittel der Unternehmen haben hier Maßnahmen am Laufen. Eine Imagekampagne sollte genau über diese positiven Erfahrungen berichten und diese kommunizieren.

Erwartung an Institutionen

SOLID: Erstmals abgefragt haben wir die Erwartungen an Institutionen und Interessengruppen. Wie interpretieren Sie die Resultate?

Herbert Kling:
Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen kann nur durch die Politik erfolgen und hier vor allem durch das Umwelt/Infrastrukturministerium bzw. das Finanzministerium. Interessant ist, dass die WKO hier kaum in der Verantwortung gesehen wird – sei es, weil man meint, sie tue schon alles, oder weil man sich von dort keinen wesentlichen Beitrag erwartet.

Immobilienmarkt

SOLID: Wie sehen Sie einen möglichen Zusammenhang zwischen den Themen Finanzierung, Überhitzung und Insolvenzen und auf dieser Folie die gemachten Angaben?

Herbert Kling:
Die Branchenteilnehmner sehen zum Großteil einen überhitzten Markt, das ist sicher auch ein Thema bei der eingangs erwähnten Klimaeinschätzung. Rund ein Drittel geht auch von einer Zunahme der Insolvenzen aus und 55% merken die erschwerten Kreditvergaben an Private in Form von Verkleinerung bei Projekten bzw. zeitlichen Verzögerungen – alles in allem ein Gefühl von: schauen wir mal, ob das, was da gebaut wird, auch an den Mann/die Frau kommt.

Fazit

Der Baubranche geht es zwar nicht mehr so gut wie in den vergangenen Jahren, aber generell bleibt die Stimmung verhalten positiv. Man hat gelernt, wie man konstruktiv mit Schwierigkeiten umgeht und sieht der Zukunft zwar realistisch, aber nicht pessimistisch entgegen.

Das große Thema der Zukunft wird die Arbeitskräftethematik sein, gefolgt von der Volatilität am Energie- und Rohstoffmarkt und der kompliziert werdenden Finanzierungssituation für Bauprojekte, insbesondere Immobilien.