Positive Ausblicke im Baugewerbe : Optimismus für 2025 nach herausfordernden Jahren
"Der Kostendruck hat sich entspannt, das ,Tal der Tränen‘ ist endlich durchschritten", kommentiert Ralf Sauter, Studienleiter und Partner bei Horváth. Während im Vorjahr die Sicherung der Liquidität für 67 Prozent der Befragten noch höchste Priorität hatte, rangiert dieses Thema jetzt nur noch auf Platz sieben (38 Prozent). Im Mittelpunkt steht stattdessen die Optimierung von Kosten- und Ertragsstrukturen.
Dank dieser Kostenoptimierungen erwarten die Unternehmen für das laufende Jahr nur geringe Gewinnrückgänge und prognostizieren für 2024 ein leichtes Umsatzminus von 0,1 Prozentpunkten. Die Einschätzungen österreichischer Firmen sind jedoch etwas pessimistischer, mit einem erwarteten Rückgang von 3,6 Prozent. Diese negative Entwicklung wird vor allem durch Marktunsicherheiten verursacht, die sowohl Investoren als auch private Bauherren in eine abwartende Haltung versetzt haben. Mit der Stabilisierung der Leitzinsen und der Entspannung bei den Baukosten beginnt der Markt jedoch langsam wieder anzuziehen. Zwei Drittel der befragten Unternehmen erwarten für 2025 eine positive Umsatzentwicklung, auch in Österreich. Diese Erholung wird vor allem durch Projekte im Infrastruktur- und Tiefbau sowie eine Zunahme bei Renovierungen getragen. Im Bereich Hochbau, insbesondere bei Büro- und Wohnbauprojekten in Österreich, bleibt die Aktivität allerdings auf einem niedrigen Niveau, da es Zeit braucht, um die Projektpipelines wieder zu füllen. „Die Kosten im Griff zu behalten bleibt daher wichtig, gerade in Hinblick auf die anhaltend hohen Material- und Personalkosten“, betont Horváth-Experte Stefan Bergsmann. Der Fachkräftemangel bleibt für 53 Prozent der befragten Unternehmen ein sehr großes Problem, weitere 30 Prozent sehen es als ein großes Problem an. Die Mehrheit der Firmen geht davon aus, dass die Baukosten aufgrund steigender Personalkosten wieder ansteigen werden, insbesondere im Hauptbaugewerbe. Dennoch sieht Bergsmann weiterhin Potenzial für die Verbesserung der Kosten- und Erlösstrukturen. „Reines personelles Cost-Cutting bringt die Firmen nicht weiter, für nachhaltige Verbesserungen müssen die Strukturen tiefergehend verschlankt und neu organisiert werden. Da ist die Branche noch nicht so weit wie andere Industrien“, so Bergsmann.
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Nachhaltigkeit im Baugewerbe – eine dringende Aufgabe
Neben Kostenmanagement und Fachkräftemangel ist das Thema „nachhaltige Produkte und Kreislaufwirtschaft“ ein wichtiger Branchentrend. 47 Prozent der Unternehmen halten dieses Thema für sehr wichtig, weitere 37 Prozent für wichtig. In Österreich wird die Bedeutung des Themas sogar noch höher eingeschätzt: 60 Prozent der Befragten bewerten es als sehr wichtig, 30 Prozent als wichtig. Im Vergleich zu anderen Branchen spielt Nachhaltigkeit im Baugewerbe eine größere Rolle, was vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen ist. Zum einen steigt die Nachfrage nach nachhaltig gebauten und betriebenen Gebäuden, was allerdings auch zu höheren Kosten führt. Zum anderen hinkt die Branche bei der Umsetzung von ESG-Kriterien hinterher. „Die Firmen fangen jetzt erst an, auf Scope drei Ebene ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten“, erläutert der Horváth-Experte. Die Dekarbonisierung gestaltet sich jedoch schwierig, da es an einer flächendeckenden Entwicklung und zeitnahen Zulassung kreislauffähiger Bauprodukte mangelt. Zudem fehlen ganzheitliche Lösungen zur Materialrückführbarkeit. Ein weiteres Problem ist das negative Image von Beton, das unter anderem durch die zunehmende Bodenversiegelung verursacht wird.
Künstliche Intelligenz: Noch nicht im Fokus
Ein weiteres Trendthema, das in der Bauwirtschaft noch in den Anfängen steckt, ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Sechs von zehn Unternehmen befinden sich in diesem Bereich noch im „Beginner“-Stadium, das heißt, sie machen sich erst mit den Nutzungsmöglichkeiten vertraut oder testen erste Anwendungen. „Das Bild entspricht dem im Maschinen- und Anlagenbau und ist nicht als kritisch zu bewerten“, so Stefan Bergsmann. „Man kann auch nicht sagen, dass im Bereich der Digitalisierung nichts passiert ist. Die Unternehmen haben die Auftragsflaute schon genutzt, um ihre digitale Transformation voranzutreiben. Allerdings sollte das unbedingt verzahnt mit organisatorischen Umstrukturierungen erfolgen.“ Der Handlungsbedarf ist den Unternehmen durchaus bewusst. Die Priorität der Digitalisierung ist im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze gestiegen. Um KI jedoch effektiv nutzen zu können, bedarf es in erster Linie sinnvoller und verknüpfbarer Daten – und hier hat die Bauwirtschaft noch einiges aufzuholen.
Über die Studie
Für die Horváth-Studie „Branchentrends Baugewerbe“ wurden rund 50 Führungskräfte großer Baugesellschaften zu Umsatzperspektiven und Branchentrends befragt, die Mehrheit davon aus Deutschland. Die Vergleichsstudie im Maschinen- und Anlagenbau umfasste über 100 CxOs. Die Interviews wurden Ende des zweiten Quartals 2024 durchgeführt.