Sanierung von Gebäuden : Klimafitness für Wohnimmobilien

Sanierung Dachbodenausbau

An der thermischen Sanierung der Gebäudehülle führt kein Weg vorbei. Lesen Sie mehr dazu in unserem SOLID-Bericht.

- © Rainer Sturm / Pixelio.de

Umbau im bewohnten Zustand

Anno 2022 sind Gründe zum Feiern willkommener denn je. So zelebrierte Anfang September VMF Immobilien die Fertigstellung des 27 Wohnungen und zwei Büros umfassenden „Fried“ in der Friedrich-Lehr-Straße in Mödling. Es handelt sich dabei um ein Sanierungsprojekt. Die freien Bestandflächen des Jahrhundertwende-Hauses wurden auf Neubaustandard angehoben. Hinzu kam eine Aufstockung des Gebäudes um eine Etage sowie ein Dachgeschoßausbau. Zudem erfolgte ein Lifteinbau. Auch die Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Verkabelung wurden erneuert. Besonders anspruchsvoll im Altbestand war es, die Wohnflächen barrierefrei zu gestalten. Um alle Baumaßnahmen durchführen zu können, galt es, die Statik der Immobilie zu „ertüchtigen“. Darüber hinaus entstanden zwölf Autostellplätze.

„Das Objekt war zum Zeitpunkt der Sanierung bewohnt, was das zahlreiche Herausforderungen mit sich brachte“, sagt Horst Lukaseder, Mitglied der Geschäftsführung von VMF Immobilien, und erläutert: „Für eine Aufstockung und einen Umbau im bewohnten Zustand bedarf es einerseits eine Schonung der Mieter, andererseits musste das Objekt auf den neusten Stand der Technik gebracht werden. Das braucht von allen beteiligten Parteien viel Verständnis. Letztendlich wurde das Projekt zur Zufriedenheit aller Parteien gut über die Runden gebracht. Grundsätzlich bergen Altbausanierungen immer wieder Überraschungen. Hier braucht es Know-how, Erfahrung und eine hohe Improvisationskunst.“

Horst Lukaseder Geschäftsführer VMF Immobilien GmbH
Horst Lukaseder, Mitglied der Geschäftsführung von VMF Immobilien GmbH: „Grundsätzlich bergen Altbausanierungen immer wieder Überraschungen. Hier braucht es Know-how, Erfahrung und Improvisationskunst.“ - © VMF Immobilien
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AKTUELLE AUSGABE

SOLID Bau - Fachmagazin

Das „Fried“ in Mödling: Nach einer Sockelsanierung des Bestandsobjektes aus dem frühen 19. Jahrhundert, einer Aufstockung, einem Lifteinbau und einem Neubau entstanden 27 Wohnungen sowie zwei Büros.

- © Richard Tanzer

Stichwort: Fachkräftemangel

Da die Preise für sanierungsbedürftige Bestandsobjekte in den vergangenen Jahren enorm stiegen, nehmen diese im Gesamtportfolio von VMF Immobilien eine eher untergeordnete Rolle ein. Gerne würde sich das Unternehmen gemäß Lukaseder in diesem Segment mehr engagieren, aber das hänge stark von der Marktentwicklung ab. Derzeit stimme das Rendite-/Risiko-Profil dieser Objekte nur in Ausnahmefällen.

Jedenfalls handelte es sich bei etlichen an der Sanierung des „Fried“ in Mödling beteiligten Firmen um langjährige Partner der VMF Immobilien. „Durch eine geringe Mitarbeiterfluktuation kann das Know-how in den jeweiligen Unternehmen gehalten werden. Dieser Vorteil zeigt sich gerade bei herausfordernden Altbausanierungen. Aber natürlich ist in der gesamten Branche ein hoher Fachkräftemangel zu verzeichnen. Diesen gilt es, von Seiten der Politik in den nächsten Jahren zu beheben“, fordert Lukaseder.

Auch laut Jens Leibold (siehe Interview), Leiter des Standorts Wien von Renowave, fehlen akut Fachkräfte. Seiner Meinung nach bedarf es einer koordinierten Ausbildungsoffensive.

Lesen Sie in unserem SOLID-Bericht, wie Sie Fachkräfte gewinnen und halten können.

Intelligente Gebäudetechnik


Jedenfalls gelangen nicht nur aufgrund der vorgegebenen Klimaziele, sondern auch angesichts der aktuellen Energiepreise eine Erhöhung der Energieeffizienz und damit Sanierungen immer mehr in den Fokus.

Der österreichische Gebäudesektor bietet als einer der energieintensivsten Sektoren noch erhebliche CO2-Einsparpotenziale. 2020 verursachte er acht Millionen Tonnen CO2-Äquvivalent. Über drei Viertel der Bestandsimmobilien hierzulande wurden vor 1990 gebaut und gelten laut Statistik Austria zu sechzig Prozent als sanierungsbedürftig. Eine aktuelle Studie des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE) zeigt die großen Einsparpotenziale, wenn bei den Sanierungen auch intelligente Regeltechnik, Beleuchtung sowie ein verbessertes Haus- und Gebäudemanagement Berücksichtigung finden. Denn durch die Vernetzung von Technologien und Systemen ermöglicht intelligente Gebäudetechnik die optimale Nutzung von Energie. Am größten sind die Einsparmöglichkeiten im Bereich Heizung. Damit die Potenziale voll ausgeschöpft werden können, braucht es gemäß dem OVE allerdings die richtigen politischen Signale.

Die UNO-Klimakonferenz COP27, die am 20. November 2022 im ägyptischen Scharm al-Scheich zu Ende ging, sandte diese Signale leider nicht aus. Die Uhr tickt lauter und dringlicher denn je.

Beispielhafte Sanierung: Das mit dem Ethouse Award 2022 ausgezeichnete Stadthaus Linz in der Lederergasse.

- © Kurt Hoerbst

Große Anstrengungen notwendig

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen laut Jens Leibold, Projektleiter des Standorts Wien von Renowave.at, hierzulande im Prinzip alle älteren Bestandsgebäude saniert werden.

Wie hoch ist derzeit die Sanierungsrate von Wohnimmobilien in Österreich und wie hoch sollte sie idealerweise sein?

Jens Leibold: Wir halten die letzten Jahre immer bei einer Sanierungsrate von rund einem Prozent. Erreichen müssten über drei Prozent.

Welchen Stellenwert nimmt diese Sanierungsrate punkto Klimaschutz ein?

Da der Gebäudebestand für etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnet, müssen hier große Anstrengungen unternommen werden, damit die Gebäude „klimafit“ werden. Um die Klimaziele in dem Bereich in Österreich bis 2040 zu erreichen, müssen im Prinzip alle Gebäude saniert werden, die nicht während der letzten Jahre gebaut oder bereits saniert wurden.

Was sind die effektivsten Sanierungsmaßnahmen?

Die thermische Sanierung der Gebäudehülle – von den Außenwänden, neue Fenster, über die oberste Geschoßdecke, bis hin zur Kellerdecke. Wichtig dabei ist, dass die Schritte möglichst aufeinander abgestimmt sind, etwa ein Fenstertausch mit der Dämmung der Außenwand kombiniert wird, damit Synergien genutzt (Fenster in Dämmebene) und mögliche Fehlerquellen reduziert werden. Braucht das Gebäude in der Folge nur wenig Energie zum Heizen, gelingt auch der Wechsel von fossilen Brennstoffen hin zu beispielsweise Wärmepumpen, da diese niedrige Vorlauf-Temperaturen für die Heizung benötigen, um wirklich sparsam arbeiten zu können.

Wie stufen Sie die Sanierungsförderungen ein?

Ich denke, dass hier bereits einiges unternommen und viel Aufwand betrieben sowie Geld ausgegeben wird. Davon profitieren vor allem Eigentümer von Immobilien, die diese selbst nutzen. Bei Mietobjekten und Genossenschaftsgebäuden besteht das Problem, dass trotz Förderungen Kapital eingesetzt werden muss, das nach der Sanierung vor allem den Mietern in Form eines erhöhten Komforts und einer Reduktion der Energiekosten zugutekommt. Erschwerend kann der Investor die Kosten häufig nicht annähernd umlegen. Somit fehlt schlicht der Anreiz.

Findet man aktuell hierzulande genügend Fachkräfte, um Sanierungen fachgemäß durchzuführen?

Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass, wie in anderen Branchen auch, akut Fachkräfte fehlen. Um die Herkulesaufgabe von Sanierungsraten größer als drei Prozent stemmen zu können, bedarf es darum auch einer koordinierten Ausbildungsoffensive, um genügend geeignete Fachkräfte zur Verfügung zu haben.

Jens Leibold leitet den Standort Wien von Renowave.at, dem Innovationslabor für klimaneutrale Gebäude- und Quartierssanierungen.