Gastbeitrag zu Künstlicher Intelligenz : 4 Punkte zur Diskussion von KI am Bau

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KI als Game Changer

Künstliche Intelligenz ist aktuell das Thema der Stunde, quer über alle Branchen und auch in der Bauindustrie. Es gibt derzeit kaum eine Veranstaltung, Paneldiskussion oder Managementgespräch, die oder das ohne dieses Trendthema auskommen. Kein Wunder: KI hat das Potenzial, zu einem tatsächlichen Game Changer zu werden. 

Wenn man etwa überlegt, dass die Analyse eines Proteins bisher etwa zwei Jahre gedauert hat, und dem gegenüberstellt, dass DeepMind mit dem Modell AlphaFold eine treffsichere Vorhersage von Proteinstrukturen schafft und so Millionen Mannjahre an Aufwänden erspart, wird klar, dass AI nicht nur eine neue Technologie ist, sondern einen Quantensprung in den Fähigkeiten der Menschheit bedeutet. Ob dies nun tatsächlich zur Singularität – dem Punkt, an dem KI die menschliche Intelligenz übertrifft und sich selbständig weiterentwickelt – führt oder nicht, sei dahingestellt. In jedem Fall bedeutet dies Möglichkeiten, die unsere aktuellen um ein Vielfaches übersteigen.  

Gerade in der Bauindustrie, die ja bzgl. Produktivität gegenüber anderen Branchen nachhinkt und hier auch aufgrund der dezentralen Produktion und der bekannten Losgröße 1 besondere Herausforderungen hat, könnte das einen wesentlichen Beitrag leisten. Wir sprechen hier also wirklich über Quantensprünge im Vergleich zu herkömmlichen Optimierungen. 
 
Wie eine aktuelle @HORVÁTH-Studie zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz zeigt, haben die Unternehmen dieses Potenzial auch erkannt und planen einen großen Sprung im Einsatz sowie eine deutliche Steigerung der Budgets für KI. 

Überschätzung des aktuellen Reifegrades

Dabei wird der Reifegrad der Nutzung aber vielfach überschätzt. Die meisten Unternehmen sind hier erst am Beginn. Das ist auch in der Bauindustrie so, wie sich bei der aktuellen Horváth CxO-Priorities Studie gezeigt hat: fast 60% der teilnehmenden Unternehmen aus der Bau- und Bauzulieferindustrie gaben an, bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz erst am Beginn zu sein. Viele erkunden erste Use Cases zum Einsatz von KI: z.B. im Rechtsbereich zur schnelleren Vertragserstellung, im Marketing für personalisierte Kampagnen, oder in der Softwareentwicklung. 

Diese Pilotprojekte liegen allerdings fast alle in Unterstützungsfunktionen und nicht im eigentlichen Kerngeschäft. Das ist sicher gut, um den Umgang mit KI zu lernen. Es wird jedoch nicht zum möglichen Quantensprung führen.  

Das Potenzial von KI

Doch wie groß ist das tatsächliche Potenzial von KI? 

Da die Entwicklung so rasant voranschreitet, ist dies noch kaum abschätzbar. Ein paar Punkte sind für den aktuellen Stand der KI aber erkennbar: 

  • KI ist vor allem gut im Erkennen von Mustern 
  • KI ist nur so gut wie die Daten, auf Basis derer die Modelle trainiert werden 
  • KI braucht enorme Rechenleistung, um Spitzenergebnisse zu erzielen 
  • KI stellt uns vor Herausforderungen bzgl. Datenschutz und Copyright 

Mustererkennung als aktueller Kernbereich der KI

KI wird nicht benötigt, um die Statik von Brücken zu berechnen (dafür gibt es Formeln und Funktionen); KI ist auch nicht erforderlich, um Fakten zu recherchieren: das können simple Suchmaschinen ressourceneffizienter. Was die aktuellen KI-Modelle aber sehr gut können, ist das Erkennen von Mustern, und das nicht nur in Datensätzen sondern auch in Texten, Bildern und Videos. Sie können Muster nicht nur besser erkennen, sie können auch um Potenzen mehr Daten innerhalb kürzester Zeit analysieren und das 7x24 ohne Pause. Das kann z.B. in der Mängelerkennung genutzt werden. Projekte wie „Prelude“ von der Fachhochschule Burgendland nutzen etwa KI für eine automatisierte Evaluierung von Bestandsgebäuden und für die Ableitung von möglichen Sanierungsmaßnahmen. Andere erproben aktuell, ob KI auch für das frühzeitige Erkennen von Problemen in Bauprojekten eingesetzt werden kann.  

Anders als in komplett digitalisierbaren Branchen wie dem Bank- oder Versicherungswesen wird in der Baubranche immer ein großer physischer Anteil in der Wertschöpfung bestehen bleiben. Insofern wird hier die Kopplung der KI-Modelle an verschiedene Roboter eine wesentliche Rolle spielen. Seit den ersten Prototypen von Boston Dynamics hat sich auch dieser Bereich rasant weiterentwickelt, wenn auch etwas weniger im Rampenlicht als KI. Und die Preise für derartige Roboter entwickeln sich langsam schon in akzeptable Größen, die einen operativen Einsatz rentabel machen. 

Wer diesen Punkt verstanden hat, kann sich überlegen, wo in der eigenen Wertkette Mustererkennung einen signifikanten Vorteil bringen kann. Gelingt dies, dann kann KI für Firmen zum echten Game Changer und Wettbewerbsvorteil werden. 

 

Wertvolle Daten als Ausgangspunkt

Wo diese Bereiche in der Wertkette liegen, kann auch davon abhängig sein, wo ein Unternehmen über entsprechende Daten verfügt. Denn Daten sind das Benzin der KI-Modelle. KI-Modelle sind nur so gut, wie die Daten, auf denen sie aufbauen. Und sie werden nur dort einen Unterschied machen – einen USP bringen – wo diese Daten unternehmensspezifisch sind und anderen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. Eine Recommendation Engine für Filme ist auf den gängigen KI-Plattformen rasch erstellt. Die Qualität der Empfehlungen hängt aber an den Daten, mit denen das Modell gefüttert wird. Genau das macht den Unterschied zwischen den einzelnen Streaming-Plattformen.  

Unternehmen müssen daher sehen, wo sie welche Daten sammeln können, die für ihr Produkt- und Serviceangebot den Unterschied machen. Und genau hier hat vor allem die Bauindustrie Herausforderungen und Hausaufgaben zu erledigen. Multiple, nicht harmonisierte Materialstämme, verschiedene Kalkulationssysteme und BIM-Modelle sind zwar kein kompletter Show-Stopper, erschweren die Nutzung der Daten aber schon deutlich. Insofern wird für viele Baufirmen am Beginn von KI der Weg erst einmal über eine Bereinigung der Daten und den Aufbau eines sauberen Datenmanagements führen. 

KI braucht Rechenleistung

Eine besondere Herausforderung für die erfolgreiche Nutzung von KI ist der Ressourcenbedarf: denn KI benötigt enorme Rechenleistung. Dies wird dazu führen, dass Modelle von ganz wenigen großen Playern entwickelt und gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Diese Modelle werden dann lizenziert und mit den eigenen Daten weiter verfeinert und kalibriert werden. Die Entwicklung von ChatGPT 3.0 hat dem Vernehmen nach etwa 100 Million US-Dollar gekostet. Nur wenig Unternehmen werden künftig große KI-Modelle daher von Grund auf selbst entwickeln. 

Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Einsatz von KI vor allem in größeren Bauunternehmen erfolgen wird und so – gemeinsam wie schon die Digitalisierung und die Nachhaltigkeitsanforderungen – zu einer weiteren Konsolidierung der Baubranche beiträgt. 

KI in private Clouds

Und genau das führt zum vierten Punkt: KI stellt uns vor Herausforderungen bzgl. Datenschutz und Copyright. Denn alle Daten, die in ein Modell gefüttert werden, stehen dort für jeden weiteren Prompt als Quelle zur Verfügung. Vertrauliche Daten in öffentliche KI-Modelle wie ChatGPT zu spielen ist daher nicht nur datenschutzrechtlich ein No-Go, es wäre auch betriebswirtschaftlich Unsinn. Denn der Vorteil aus den Daten würde damit auch allen anderen zur Verfügung stehen. Als Konsequenz daraus wird es in den KI-Projekten darum gehen, bestehende Modelle mit den eigenen Daten in geschützten Umgebungen weiter auszuprägen und zu verfeinern. Genau das machen z.B. auch wir mit unserem HorváthGPT, der unsere eigenen Daten in gesicherter Umgebung für unsere Projektarbeit nutzbar macht. Wer dies macht, hat eine Chance, mit KI einen zusätzlichen USP zu entwickeln.  

 

Fazit

 Bauunternehmen sollten sich KI sehr rasch und sehr genau im Hinblick auf ihr Kerngeschäft anschauen; Das gezielte Generieren und Managen von wichtigen Daten zu den Bauwerken und den Bauprojekten wird dabei eine Kernkompetenz zur erfolgreichen Nutzung von KI sein.  

Nach der bereits erwähnten aktuellen Studie fordert der Großteil der Unternehmen in Deutschland staatliche Unterstützung im Thema KI:  

  • 95% fordern staatliche Unterstützung beim Ausbau von Studiengängen mit KI-Schwerpunkten 
  • 85% befürworten eine staatliche Initiative zur Rekrutierung von KI-Fachkräften aus dem Ausland  
  • Eine klare Mehrheit befürwortet, dass sich der Staat selbst an Unternehmen beteiligt, die KI-Innovationen entwickeln 

Diese Punkte können sicherlich allen helfen, ein KI-freundliches Umfeld zu schaffen. Das allein wird das Potenzial von KI aber noch nicht heben. 

Entscheidend wird sein, dass Unternehmen ihre Wertkette und ihr Datenmanagement strategisch in den Blick nehmen und überlegen, wie die neuen Möglichkeiten der Mustererkennung Wettbewerbsvorteile bringen können. Bei technischen Innovationen, bei Patenten und beim Branding würde man ja auch nicht auf den Staat warten. KI ist, wenn es Wettbewerbsvorteile bringen soll, ein ureigenstes Unternehmensthema, das nur in den Unternehmen erfolgreich adressiert und gehebelt werden kann.  

Wer das realisiert, der hat seinen Mitbewerb schon ein gutes Stück hinter sich gelassen.