Österreich : „Vertrauen in die Mitarbeiter ist größer geworden"
SOLID: Was ist anders geworden durch Covid, Herr Dr. Scheuch? Was können wir besser machen? Welche neuen Perspektiven und Notwendigkeiten ergeben sich? Wir haben ja vor ziemlich genau zwei Jahren länger telefoniert, als gerade die große Panik ausgebrochen ist mit Lockdowns und Baustellenschließungen – und Sie haben damals in Summe gesagt: bitte nicht einigeln, sondern vernünftig und gerade jetzt weiterarbeiten. Wie sehen Sie die vergangenen zwei Jahre heute und was brauchen wir jetzt?
Heimo Scheuch: Ich kann mich gut an dieses Telefonat erinnern und es hat sich ja auch bestätigt, dass wir auch durch den Bau als Lokomotive wirtschaftlich relativ gut durch diese Pandemie gekommen sind.
Wir haben gemeinschaftlich – also produzierende und bauausführende Betriebe – mit der Politik gesprochen und sichergestellt, dass wir höchste Priorität auf die Gesundheit unserer Beschäftigten legen, aber auf jeden Fall weiterarbeiten wollen. Man muss aber natürlich auch sagen, dass damals noch niemand genau die Auswirkungen dieser Pandemie kannte. Das war schon eine sehr schwierige Zeit für alle.
Sie haben ja als weltweit tätige Firma mit vielen internationalen Werken da wahrscheinlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht?
Scheuch: Wir hatten natürlich auch Werke in Ländern wie Italien, Frankreich oder auch England, die auf einen totalen Lockdown gesetzt haben, und wo wir einige Wochen und Monate komplett aus der Produktion gehen mussten. Aber der Rest hat relativ gut durchgearbeitet.
Wie beurteilen Sie die letzten zwei Jahre rückwirkend – sowohl psychisch und gesundheitlich von der Arbeitskraft her als auch wirtschaftlich, wo ja nicht nur Ihre, sondern auch die Resultate anderer großer Firmen im Endeffekt sehr gut ausgesehen haben?
Scheuch: Die Bauindustrie hat sehr viel aus dieser schwierigen Zeit gelernt. Wir haben diese guten Resultate nicht nur durch ein gutes konjunkturelles Umfeld erreicht, sondern auch, weil wir mit viel Disziplin hinein- und durchgegangen sind. Dieser Industriezweig ist – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa – nicht so alt, wie andere sagen. Wir sind sehr lern- und anpassungsfähig, das ist die große Erkenntnis aus den letzten zwei Jahren.
Die staatliche Unterstützung für die Bauindustrie bestand vor allem in ein bisschen Kurzarbeit. Wenn Sie gesamtwirtschaftlich schauen, gab und gibt es darüber hinaus die unterschiedlichsten Instrumente wie Stundungen, Zuschüsse etc. War der Mix vernünftig?
Scheuch: Die Auswirkungen waren natürlich für die Branchen sehr unterschiedlich. Für uns mit einer Belegschaft, die arbeiten durfte und die wir durchführen durften, war es nicht so problematisch. Aber für die, die zu Hause bleiben mussten und vor einer ungewissen wirtschaftlichen und persönlichen Zukunft standen, war es natürlich ungleich schwieriger. Ich habe großes Verständnis dafür, dass man da helfen muss.
Gleichzeitig glaube ich, dass viele Maßnahmen unverhältnismäßig hart ins Leben der Menschen eingegriffen haben und dazu geführt haben, dass sie von ihrem Beruf ausgegrenzt wurden. Das war sicher nicht gut.
Auch das Home Office ist rückblickend nicht als Stein der Weisen zu sein, weil das durchaus auch Probleme psychologischer Natur aufgeworfen hat und da müssen wir schon in eine viel intensivere Diskussion über die Zukunft eintreten.
Stichwort Home Office. Das Thema New Work ist ja schon vorher ein bisschen durch die Betriebe gegeistert, zunächst vor allem mit neuen Büroraumaufteilungen. Wo gehen wir hin, wo sollen wir hingehen? Was kommt auf uns zu?
Scheuch: Da gibt es viele einzelne Dinge und Ideen. Wichtig ist, dass wir den Menschen die Möglichkeit geben, ordnungsgemäß und zukunftsorientiert zu arbeiten. Durch die Pandemie ist aber sicher das Vertrauen in die Mitarbeiter größer geworden. Als internationales Unternehmen, das auch unterwegs arbeiten können muss, waren wir darauf natürlich besser eingestellt.
Wir hatten mit dem neuen Büro und seiner Architektur den richtigen Start und die Möglichkeit durchzuarbeiten – das war natürlich sehr positiv.
Employer Branding wird immer mehr zum Thema, die jungen Menschen sollen, wollen und müssen integriert werden in die Arbeitswelt, müssen ein Ziel haben, warum es sich lohnt zu arbeiten. Muss sich Leadership jetzt ändern?
Scheuch: Das ist ein sehr wichtiges Thema. Es war aber auch schon vor der Pandemie so. Wir bei Wienerberger können die Sinnfrage zum Glück relativ leicht beantworten mit unseren Produkten und Zielsetzungen. Wenn ein Unternehmen in das positive Gestalten von Lebenswelten sehr viel investiert, dann kommen die jungen Leute schon. Aber ich kann nicht nur eine Story verkaufen, sondern das muss Substanz haben.
Es gibt viele selbsternannte Experten zum Thema Führung, aber unterm Strich bleibt: Authentisches Führen heißt, dass man die Werte wie Respekt und Vertrauen auch persönlich vorlebt – und das wird immer wichtiger. Nur am Zettel und mit einer Marketingkampagne wird das nicht gehen. Die Nähe zu den Menschen ist das Wichtigste.
Wahrscheinlich ähnlich wie beim Thema Nachhaltigkeit, oder?
Scheuch: Genau – auch das darf man nicht nur am Papier erfüllen, sonst rechnet es sich auch wirtschaftlich nicht.
Ende 2021 hat in der Bauwirtschaft alles großartig ausgesehen – viele Aufträge, entgegenkommende Zinsenlandschaft, man rechnete für 2022 mit einem Jahr wie dem herausragenden 2019. Dann kommt der Ukrainekrieg. Wie stellt sich die Situation jetzt für Sie dar? (Anm.: das Gespräch wurde am 22.3.2022 geführt)
Scheuch: Krieg ist nie eine Lösung für einen Konflikt. Aber wir müssen auch schauen, dass man da jetzt nicht alles hineinschiebt. Wir hatten vorher schon einen großen inflationären Kostendruck. Es gab schon steigende Zinsen, es gab schon Lieferengpässe und wir hatten schon eine Verknappung beim Thema qualifizierte Arbeitskräfte. Es ist jetzt leicht, das alles einem Mann oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zuzuordnen, davor warne ich. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass einige dieser Themen auch hausgemacht sind und dass wir die selber abarbeiten müssen.
Wie können wir das abarbeiten? Was führt uns in eine neue gute Wirtschaft?
Scheuch: Das Wichtigste auch in der Nachbetrachtung der letzten zwei Jahre ist, dass wir sagen: Gut, das Problem hat uns beschäftigt, aber wir dürfen jetzt nicht von einem Problem ins andere stolpern. Wir müssen lernen, berechenbar und stabil zu planen. So wie das jetzt läuft mit den Ad Hoc-Maßnahmen, so geht das bitte nicht! Es kommt wieder ein Herbst und ein Winter, darauf müssen wir uns einstellen. Wir haben diese unsägliche Diskussion mit der Impfpflicht gehabt – viele vergessen leider sehr schnell! Wir brauchen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Menschen abseits der Tagespolitik – mit ihnen zu diskutieren und zu kommunizieren.
Wir müssen das Land auf die Zukunft vorbereiten und da ist das Thema Energie ein wichtiges. Wie wollen wir in Österreich energieautarker werden? Sicher nicht durch eine Reise nach Qatar! Ein kleines Land wie Dänemark hat schon vor Jahren begonnen, im lokalen Erdgasnetz 50 Prozent Biogas beizumischen. Das ist deshalb interessant, weil es auch in Dänemark sehr viel Landwirtschaft gibt. Haben Sie in Österreich jemanden gehört, der darüber diskutiert? Und das finde ich verwerflich, dass wir uns nur dauernd in der Tagespolitik bewegen und nicht darüber reden, was aus dem Land in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren werden soll. Oder qualifizierte Arbeitskräfte – auch da muss man planen, und das wäre wichtiger als Statements zur Impfpflicht.
Es ist doch furchtbar, Menschen auszugrenzen – das wissen wir gerade mit der Geschichte unseres Landes. Man muss auf Menschen zugehen und sie einbinden, darum geht es in einer Demokratie! Für Wirtschaftssanktionen gilt ähnliches: Es hat immer wieder Wege gegeben, diese Sanktionen zu umgehen. Daran verdienen einige Leute viel Geld und die Masse leidet - auf beiden Seiten. Der Dialog ist immer die beste Form, er würde auch den Krieg vermeiden, und man würde dann auch nicht jahrzehntelang Dinge mitschleppen.
Wie könnte man denn in Österreich Ideen wie die aus Dänemark, die es ja mit Sicherheit bei uns auch gibt, heben? Wie bringen wir dieses großartige Land richtig auf Tempo?
Scheuch: Das Problem ist eine politische Elite, die sich immer mehr von der Bevölkerung und von der Wirtschaft weg entwickelt und sich immer mehr mit sich beschäftigt als mit den Fachthemen. Nationalratsabgeordnete sollten sich eigentlich mit der Bevölkerung beschäftigen und nicht – so wie sie es jetzt tun – mit Untersuchungsausschüssen und damit mit sich selbst.
Kann man das auch positiv formulieren?
Scheuch: Die Politiker müssen nur auf uns zugehen! Wir sind ja da. Wir sind ja verfügbar – Sie und ich und viele andere. Wenn uns jemand eine Frage stellt, werden wir eine vernünftige Antwort geben. Aber man muss auch zuhören lernen. Das ist das Wichtigste.