SOLID Blog : Lasst den Lead bei uns ZiviltechnikerInnen!

Rudolf_Kolbe
© BKZT

In einem in der letzten SOLID-Ausgabe erschienenen Interview mit Erwin Soravia und Peter Krammer wird unser Berufsstand einmal mehr als überholtes Relikt aus der Kaiserzeit belächelt. Diese Angriffe sind uns nicht neu und werden uns nicht davon abhalten die entscheidende Bedeutung der Trennung von Planung und Ausführung für Verbraucherschutz und Baukultur hinzuweisen.

Wirklich erschreckt hat mich jedoch diesmal die Antwort von Erwin Soravia auf die Frage, wer bei einem Bauvorhaben die Hauptverantwortung trägt: „Es gibt eigentlich keinen, der den Lead hat. Am Ende der Reise geht es nur um eines: wir wollen schneller bauen und wir wollen kostengünstiger und effizienter bauen.“

Ich glaube, dass genau hier die Gefahr auf den Punkt gebracht wird: Das Streben nach schnellem Bauen ohne Lead zeugt besten Falles von Gewinnmaximierungsversuchen und kann niemals gleichermaßen den Ansprüchen an Qualität gerecht werden, die unsere Städte und Gemeinden verdienen. Und wenn es keinen Lead geben soll, dann wohl eher, um sich später aus der Verantwortung stehlen zu können, als um Dinge weniger kompliziert zu machen. Eine verantwortungsvolle Projektsteuerung im Sinne des Bauherrn zu einem „nice to have“ zu degradieren halte ich für fahrlässig.

Uns ZiviltechnikerInnen geht es tatsächlich niemals nur darum, möglichst billig und schnell ein Modulhaus auf die grüne Wiese zu stellen. Uns geht es darum, gemeinsam mit dem Bauherrn die optimale Lösung für ein Bauvorhaben zu finden, sei es in einem kleinteiligen innerstädtischen Gefüge oder im ländlichen Raum – unabhängig von Hersteller- und Lieferinteressen. Und hierbei übernehmen wir selbstverständlich den Lead und somit auch die Haftung!

Zustimmen kann ich den beiden Herren in dem Punkt, dass die gesamte Branche in Sachen Digitalisierung hinterherhinkt. Das hat unterschiedliche Gründe: Die Datenübertragungsrate in ländlichen Bereichen lässt oftmals zu wünschen übrig, Schnittstellen sind noch nicht standardisiert und die Unternehmen müssen im Softwarebereich oftmals mit „Insellösungen“ arbeiten. Das ändert aber nichts daran, dass BIM vom überwiegenden Teil unseres Berufsstands als große Chance wahrgenommen wird. Die BIM-Methodik kann gezielt eingesetzt werden, um die Tätigkeit der bestehenden Planungsstrukturen im Prozess und im Ergebnis effizienter zu gestalten. Die neue Planungsmethode rechtfertigt aber keinesfalls Strukturänderungen in Richtung Totalunternehmerstruktur. Die Aufgabenteilung zwischen Planenden und Bauausführenden muss gerade bei der Anwendung neuer Technologien beibehalten werden, damit Planende ihre AuftraggeberInnen weiterhin unabhängig von Herstellerinteressen im Sinne der bestmöglichen Lösung beraten können.