SOLID 7+8/2021 : „Eigentlich müssten die Ziviltechniker BIM-Weltmeister sein“
SOLID: Anlass unseres Gesprächs ist eine Aussendung der IG Architektur vor einigen Wochen, in der diese in der geplanten Novelle des ZT-Gesetzes einen Ansatz zur „hemmungslosem Durchkommerzialisierung unserer gebauten Umwelt“ sieht. Sie, Herr Krammer, haben sich darüber sehr geärgert. Warum?
Peter Krammer: „Das Grundproblem wird nicht nur in dieser Aussendung, sondern auch von anderen Seiten innerhalb der Ziviltechnikerschaft hochgehalten – und das ist die Trennung von Planung und Bau. Der Grundtenor dieser Argumente ist: wenn diese Trennung wegfiele, hätten wir auf den Baustellen Sodom und Gomorrha, was Sicherheit, Qualität und Unabhängigkeit betrifft. Und diesen Grundtenor bestreite ich zutiefst.“
Herr Soravia, wie sehen Sie das als langjähriger Entwickler großer Projekte?
Erwin Soravia: „Unsere Branche ist ja beim Thema Digitalisierung einige Jahre hinten nach – und ich sehe den Ursprung davon genau in diesem Kastendenken. Jede Kaste glaubt, sich schützen zu müssen. Aber bei dem Produkt, das wir letztlich für den Endnutzer machen, geht es um optimale Informationstransformation. Das kann aber nicht funktionieren, wenn eine Berufsgruppe ein Feld für sich verteidigt. Der Endinvestor will am Ende eine Immobilie haben, bei der alles transparent ist und wo er am Ende genau weiß, wann und wo welche Entscheidung getroffen worden ist.“
Wo sehen Sie den Platz der Ziviltechniker in einer halbwegs neuen Bauwelt? Oder haben sie gar keinen?
Krammer: „Wir brauchen keine Notare der Bauwirtschaft, sondern Expertinnen und Experten, die gemeinsam und zielorientiert für die Kunden etwas vorbereiten. Diese Konstellation stammt ja noch aus der Kaiserzeit Ende des 19. Jahrhunderts, in der diese Zivilingenieure aufgrund der zu wenigen Beamten in einer Zeit, in der Wien extrem gewachsen ist, als verlängerter Arm der Beamtenschaft eingesetzt worden sind.“
Soravia: „Wenn sie smart wären, würden die Ziviltechniker ihren eigenen Prozess noch viel breiter sehen und sich innerhalb der durch durchgezogenes BIM möglichen Blockchain um die öffentlich-rechtliche Betrachtung und das Formale bewerben und dafür die Verantwortung übernehmen. Was aber versucht wird, ist eine Abkapslung. Pointiert gesagt: eigentlich müssten sie BIM-Weltmeister sein. Eigentlich müssten die Ziviltechniker beim Thema BIM viel mehr treiben. Faktum ist aber, dass derzeit in der Regel die Ausführenden die höchste BIM-Kompetenz haben.“
Ist es der Kampf ums Planen, der da jetzt geführt wird?
Krammer: „Es geht einfach immer um mehr integrierte Zusammenarbeit. Und da können eben nicht nur die Ziviltechniker die Kontrolle darüber führen, sondern die ergibt sich aus dieser lückenlosen Dokumentation von selber. Die großen Baufirmen sind nicht die Mörder der kleinen Ziviltechniker. Diese haben ihre absolute Lebensberechtigung. Wir brauchen die Planungskompetenz der Ziviltechniker, um im Zusammenspiel mit unserer Ausführungskompetenz das beste Resultat abzuliefern.“
Und wer hat den Lead im gesamten Package?
Soravia: „Es gibt eigentlich keinen, der den Lead hat. Am Ende der Reise geht es nur um eines: wir wollen schneller bauen und wir wollen kostengünstiger und effizienter bauen. Die Ausführungsplanung ist definitiv ein Effizienzthema. Und wenn wir uns da nicht mit den Ausführenden abstimmen, wird es einfach teurer. Die technische Entwicklung ist so dynamisch, dass es verrückt wäre, das Knowhow der Ausführenden nicht in den Planungsprozess einzubeziehen.“
Man muss ja dazu sagen, dass das Bild bei den Ziviltechnikern und Architekten sehr heterogen ist. Ich habe schon das Gefühl, dass dieser Berufsstand im Umbruch ist.
Krammer: „Ja, zum Beispiel Andreas Gobiet vom VZI ist genau gegen diese Starrheit, IC Konsulenten und einige andere wissen genau, was sie können, und wir schätzen uns gegenseitig.“
Soravia: „Wir würden nie ein Geschäftsmodell der IC Konsulenten oder einer Delta zu kopieren versuchen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Es ist aber auch nicht unsere Aufgabe, sie zu schützen.“