Baustellen : Werden Roboter die Bauprojekte endlich effizient machen?
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Hadrian stapelt Ziegel auf Ziegel, und das wahnsinnig schnell. Um einen Stein korrekt zu platzieren, braucht Hadrian nur 45 bis 55 Sekunden. Er befindet sich in Perth in Australien und trotz 30 Grad im Schatten schwitzt er bei seiner Arbeit nicht. Denn Hadrian X, wie er vollständig heißt, ist ein Roboter. Er wurde von dem australischen Unternehmen FBR gebaut und bestand kürzlich seinen großen, wichtigen Testeinsatz – erstmals im Freien baute er ein Einfamilienhaus mit drei Schlafzimmern. Hier im australischen Hochsommer zu bestehen, bei Hitze, Wind und sogar nachts, war ein großer Schritt für seine Entwickler. Gerade zu sehen, wie der Roboter in der Dunkelheit funktioniert, sei für den Weltmarkt möglicherweise von großer Bedeutung, sagt hinterher FBR-Geschäftsführer Mike Pivac. Im kommenden australischen Winter sollen weitere Tests durchgeführt werden. Die Markteinführung steht also noch nicht kurz bevor.
https://youtu.be/FakPFpF7dFU
Genau darauf hat der österreichische Baustoff-Riese Wienerberger allerdings vermutlich spekuliert, als er Ende vergangenen Jahres eine Partnerschaft mit den Australiern einging. Zusammen sollen spezielle Ziegel entwickelt und getestet werden, bevor es zu einer Markteinführung kommen kann.
„Große Herausforderungen“
Der Grund, warum Hadrian im Freien so gut funktioniert, liegt an seiner Stabilisierungstechnologie. Vibrationen und Erschütterungen werden in Echtzeit gemessen und ausgeglichen. Hadrian funktioniert vollautomatisiert und ist in erster Linie speziell für den Wohnbau gedacht. Humanoid ist er nicht, bloß ein Roboterarm, der beispielsweise an einem Lastwagen befestigt wird – und so auch von Baustelle zu Baustelle gefahren werden kann. Ein Laser-Leitsystem lädt die Ziegel automatisch auf ein Förderband, transportiert sie so zum Arm und steuert diesen bei seiner Platzierung nach 3D-CAD-Design. Die soll sogar auf 0,5 Millimeter genau sein. Auch der US-Baumaschinenhersteller Caterpillar hat bis vor kurzem in FBR in Millionenhöhe investiert, im Februar hat das australische Unternehmen aber eine Zusammenarbeit mit dem Landsmann Brickworks, einem Ziegelproduzenten verkündet.
Dass Hadrian, wenn er irgendwann in großem Maße produziert werden sollte, Maurer ersetzen soll, ist klar. Aber warum? Geht es um Sicherheit, um Präzision, um Geschwindigkeit, um Einsparungen bei den Gehältern? Warum nicht um all das gleichzeitig? „Die Bauindustrie steht in Zeiten der Digitalisierung, der hohen Nachfrage nach leistbarem Wohnraum und dem vorherrschenden Facharbeitermangel vor großen Herausforderungen“, sagt etwa Heimo Scheuch, CEO der Wienerberger Gruppe. Klar käme da ein Roboter, der statt in vier bis sechs Wochen, wie es sich normalerweise verhält, in nur zwei Tagen die Mauern eines kleinen Hauses aufbauen kann, Menschen eine repetitive Arbeit abnimmt und dabei sogar noch Material einspart, gerade recht.
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Roboterarbeit – Arbeit, die Menschen nicht machen sollten?
Natürlich ist FBR nicht das einzige Unternehmen mit Ambitionen in diese Richtung. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir in zwei Jahren das erste Wohngebäude mit Hilfe von Baurobotern errichten“, sagt etwa Nils Olov Boback, Chef des deutschen Bauunternehmens Bonava. Er sieht die Notwendigkeit dafür vor allem aufgrund des Fachkräftemangels. Über viele Jahre seien zu wenige junge Leute ausgebildet worden, da würden auch alle Bemühungen des Nachholens jetzt nicht reichen. „Deshalb arbeiten wir intensiv daran, Roboter am Bau einzusetzen.“ Bonava realisiert derzeit pro Jahr 2.500 Wohnprojekte mit vorgefertigten Bauteilen, die auf der Baustelle eigentlich nur mehr zusammengefügt werden müssen – „ein bisschen wie bei Lego“, so Boback. Die Teile werden sogar durchnummeriert angeliefert. Kleine Kräne stapeln fertige Wände mit einem Gewicht von bis zu 300 Kilo. Boback stellt sich eine Automatisierung auf Basis dieses Systems vor – also eine Software, die die Kräne und die ganze Zusammensetzung der vorgefertigten Teile auf der Baustelle steuert. Erst bei Spezialaufgaben müsste man dann auf den menschlichen Arbeiter zurückgreifen.
Menschlich geht es währenddessen in der Robotik in Japan zu. Dort grassiert ebenfalls der Fachkräftemangel, auch aufgrund der stark alternden Bevölkerung. Das National Institute of Advanced Industrial Science and Technology arbeitet derzeit an einem humanoiden Roboter, der Gipskartonplatten für Trockenbauwände aufstellen und verschrauben kann. Vorgestellt wurde der HRP-5P auf der World Robot Expo vergangenen Herbst, doch momentan scheint er vor allem genau, nicht aber schnell zu arbeiten. Das Institut sieht seinen Einsatz nicht nur auf der alltäglichen Baustelle, sondern auch in gefährlichen oder schwer zugänglichen Umgebungen. Bis dahin könnte noch etwas Zeit vergehen.
Eine der ineffizientesten Branchen überhaupt
Weiter ist da schon das 2012 gegründete norwegische Unternehmen Nlink, das nach eigenen Angaben den ersten kommerziellen Roboter für Deckenbohrungen entwickelt hat. Damit soll Menschen eine körperlich besonders unangenehme Arbeit abgenommen werden. Schon vor ein paar Jahren, als der Bohrroboter noch nicht am Markt war, interessierten sich besonders asiatische Länder für ihn. Zwar sind im asiatischen Raum Arbeiter meist billiger als in Europa, doch auch sie müssen erst ausgebildet werden. Und momentan bauen viele Schwellenländer schneller als junge Fachkräfte nachkommen.
https://youtu.be/xbKHoeWsCKw
Angesichts vieler autonomer Lösungen in der Industrie mag der noch grüne Status von Robotern am Bau überraschen. Doch die Bauwirtschaft sei eine der ineffizientesten Branchen überhaupt, sagt Anton Affentranger, Schweizer Manager – und das, obwohl er selbst früher den Bau-Riesen Implenia leitete. Es ist durch die gute Baukonjunktur leicht zu übersehen, doch es gibt häufig Verzögerungen und Qualitätsprobleme. Es braucht Innovationen und digitale Lösungen, für die viele Bauunternehmen zu klein sind. Ins Rollen gekommen ist natürlich trotzdem etwas, nur eben später denn in der Industrie. Vor vier Jahren erst wurde das Wiener Start-up Tablet Solutions gegründet, heute ist der Entwickler von Apps speziell für die Baustelle bereits gut etabliert. Aus ihrem Haus stammt zum Beispiel Workheld, eine Tablet-Software, die Materialmängel erkennt, den Geräteservice im Blick hat und gleichzeitig vieles mehr. Eine Ziegelmauer bauen wie Hadrian X kann sie natürlich nicht – der australische Roboter hingegen kann dafür nicht mit der Baulogistik kommunizieren. Gut möglich also, dass von den derzeit vielen forschenden, entwickelnden, testenden und auf den Markt bringenden Innovatoren keiner den anderen ausstechen muss. Das Marktforschungsunternehmen Research and Markets schätzt, dass der Weltmarkt für Bauroboter bis 2025 auf über 19 Milliarden Dollar anwachsen wird. Der Markt könnte gut nicht einigen wenigen gehören, sondern sich auf viele Player aufteilen, die einander auf der Baustelle der Zukunft komplimentieren. Anders gesagt: Einer bestellt, der nächste stellt auf, der dritte bohrt. Wie bei den Menschen.
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