Wachstum : Warum wachsen Flughäfen auf der ganzen Welt?

Auf der sogenannten Känguru-Route nach – Überraschung – Australien steigt so mancher Passagier für ein paar Stunden am Flughafen Singapur, einem wichtigen Drehkreuz zwischen Europa, Südostasien und Ozeanien, ab. Und muss sich darüber vielleicht gar nicht ärgern, sondern kann sich vor einem Wasserfall entspannen, baden oder ins Kino gehen.

Luftfahrtdrehkreuze locken Passagiere mit möglichst vielen Verbindungen, aber auch Komfort in verschiedenen Formen an. Dazu zählen neben Restaurants und Entspannungsmöglichkeiten auch viele Geschäfte – und das alles braucht natürlich Platz. Mittlerweile werden vor allem im Osten die Flughäfen immer größer und bedeutungsvoller.

Ins Kino, dann nach Australien

Die Flughäfen werden aber auch immer größer, da immer mehr geflogen wird – einerseits fliegen mehr Menschen, andererseits fliegen einzelne Menschen mehr. Man hat sich an das Reisemittel weitgehend gewöhnt, auch ferne Destinationen sind zunehmend auf Tourismus eingestellt, und Billiglinien machen fast jeder Einkommensklasse die Reise erschwinglich. Zudem wuchs in den vergangenen Jahrzehnten die Mittelklasse, besonders im asiatischen Raum, und vielen arbeitenden Menschen steht mehr Freizeit zur Verfügung als noch vor ein paar Generationen.

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So gab es laut der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation 1970 weltweit 310 Millionen Fluggäste; 1990 waren es bereits eine Milliarde. Vor zwei Jahren ist die Zahl auf vier Milliarden angestiegen. Die Kurve geht weiter nach oben, ein Absacken gab es in den letzten knapp 50 Jahren nicht. 2037 sollen es bereits 8,2 Milliarden sein – mehr als die heutige Weltbevölkerung.

Känguru-Route und Billig-Boom

Dass sich Flughäfen zum Wachstum gezwungen fühlen, ist also wohl gar keine Einbildung. Ende Oktober eröffnete offiziell der neue Flughafen Istanbul, der bis 2027 zum größten der Welt ausgebaut werden soll. Mit einem großen Umzug am vergangenen Wochenende löste er den alten Flughafen Atatürk für den Passagierverkehr ab. Der über 100 Jahre alte Betrieb war an die Grenzen seiner Kapazität gestoßen und ein Ausbau war kaum bis gar nicht mehr möglich. Natürlich stellt sich aber auch die berühmte Huhn-Ei-Frage: Kommen die Passagiere ganz von alleine und machen so das Wachstum notwendig; oder ziehen wachsende Flughäfen nicht auf mehr Passagiere an?

Weltweit gibt es rund 2.500 Flughäfen. Die laut Airport Council International, dem Dachverband der Flughafenbetreiber, 20 wichtigsten verbinden die drei stärksten Wirtschaftsregionen miteinander, also Asien, Westeuropa und Nordamerika. Fünf davon liegen schön gleichmäßig über die USA verteilt. Hier befindet sich auch der größte Flughafen der Welt, der Hartsfield-Jackson International Airport in Atlanta mit über 107 Millionen Passagieren letztes Jahr – genau den will Istanbul überholen. Die bevölkerungsreichste Stadt der Türkei hat bereits bisher einen der fünf bedeutendsten Flughäfen Europas gehabt, neben Paris, London, Frankfurt am Main und Amsterdam.

Die Dichte überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass es in Europa auch weltweit die meisten Touristen gibt. In Asien wiederum ist es das starke Wirtschaftswachstum, das die Standorte von neun der laut ACI wichtigsten Flughäfen erklärt. Der größte Hub ist hier mit 96 Millionen Passagieren jährlich Peking, (noch) zweitgrößter Flughafen der Welt. Keiner der 20 größten Hubs liegt allerdings in Südamerika oder Afrika.

Von Hub zu Hub

Dass Atlanta der größte und wichtigste Hub der Welt ist, ist kein Zufall. Es handelt sich zwar nur um die 38-bevölkerungsreichste Stadt der USA, doch leben im Radius von zwei Flugstunden 80 Prozent der Amerikaner, die beruflich viel fliegen. Mit acht Flugrouten werden hier neun Flughäfen miteinander verbunden. Dennoch geht die Bedeutung der amerikanischen Drehkreuze im Allgemeinen zurück. So waren im Jahr 2000 noch 13 der 20 wichtigsten Hubs der Welt in den Vereinigten Staaten, aktuell sind es nur mehr fünf.

Im selben Zeitraum rutschte Heathrow im Ranking ab, obwohl der britische Mega-Flughafen immer noch die meisten internationalen Verbindungen hat – denn Paris, Frankfurt und Amsterdam wuchsen zuletzt stark. Hier gibt es bereits vier, beziehungsweise in Amsterdam sechs Pisten. Grund genug für London, nach langen Diskussionen in Heathrow eine dritte Piste zu bauen.

In Asien währenddessen erscheint der Ausbau der Flughäfen wie eine natürliche Gegebenheit – die Bevölkerung wächst, die Mittelschicht ebenso, und damit die Reisefreudigkeit. Zur Jahrtausendwende lagen nur zwei der größten Flughäfen in Asien und China war nicht einmal darunter. Noch überwiegen im Reich der Mitte die Inlandsflüge. In den kommenden zwei Jahrzehnten wird aber mit einer Verdreifachung der internationalen Luftreisen gerechnet – eine unglaubliche Vermehrung in relativ kurzer Zeit. Die Planer können gar nicht früh genug reagieren.

China im Kommen

Und sie reagieren. China baut neben Peking Capital, dem zweitgrößten Flughafen der Welt, den Peking Daxing. Damit soll die chinesische Hauptstadt „endlich“ auch mehrere internationale Flughäfen besitzen. Der bereits bestehende Flughafen ist an die Grenzen seiner Kapazität gestoßen und wurde bereits mehrmals erweitert, zuletzt 2008. Die Fertigstellung des neuen Flughafens ist nach aktuellem Stand nach fünf Baujahren für Ende Juni 2019, die Eröffnung für Ende Oktober geplant. Zunächst soll die Kapazität 45 Millionen, nach und nach aber 130 Millionen Passagiere betragen. Das wären 70 Millionen Passagiere weniger pro Jahr als derzeit noch dem neuen Flughafen Istanbul nachgesagt wird. Die Stadt liegt auch mit dem 1.44 Millionen Quadratmeter großen Hauptterminal im Größenranking vor dem Pekinger Projekt. Hier kommt mit 700.000 Quadratmetern immerhin das zweitgrößte Hauptterminal der Welt hin. Auf dem Gelände am haben acht Start- und Landebahnen Platz, vier sind für die erste Bauphase geplant. 650.000 Flugbewegungen pro Jahr sollen hier abgewickelt werden. Die Baukosten belaufen sich offiziell auf 14 Milliarden Dollar.

Die Terminals sind in Form eines Seesterns zueinander angelegt. Das Hauptterminal entsteht in einer britisch-französischen Zusammenarbeit der Architektenbüros Zaha Hadid Architects und ADP Ingénierie, als Architekt für das Gesamtprojekt zeichnet der Engländer Norman Foster verantwortlich, der bereits mit Ausbauten des alten Flughafens Peking betraut war. Er ist bekannt für den Commerzbank Turm in Frankfurt und den Umbau des Reichstagsgebäudes in Berlin. Für Mexiko-Stadt wurde ebenfalls Foster mit dem Bau eines neuen Mega-Flughafens beauftragt. Das Projekt wurde allerdings letztes Jahr per Volksabstimmung gestoppt.

Wie eine natürliche Gegebenheit

Gebaut und vergrößert wird aber nicht nur in der Türkei und China. Denn im Zentrum vieler wichtiger Flugrouten liegt Dubai. Der Flughafen mit seiner Ruheoase im Zentrum und goldenen Palmen ist seit langem vielen Flugreisenden bekannt – nicht unbedingt, weil sie in Dubai Urlaub, sondern weil sie hier auf Langstreckenflügen Zwischenlandung machen. Die Position des Flughafens am persischen Golf als Umsteigepunkt gewinnt immer mehr an Gewichtigkeit. Reisende aus Europa oder Asien, die nach Afrika, Australien oder in die Amerikas wollen, haben große Chancen, hier ihre zweite Maschine zu boarden. Und je größer die Reisefreudigkeit in Asien, desto größer Dubais Bedeutung auf diesen Reisen.

Das arabische Emirat ist mittlerweile der größte Flughafen für internationale Flüge und weltweit das drittgrößte Drehkreuz. Bis 2030 sind 36 Milliarden Dollar für eine 140 Quadratkilometer große Flughafen-City geplant – Golfplatz inklusive. Wie viel Macht sich vom Dubaier Drehkreuz nach Istanbul verschieben wird, wird sich erst noch zeigen.

Konkurrenz aus Afrika?

In Afrika hat der Konkurrenzkampf der Drehkreuze mittlerweile auch begonnen, wenn die Dimensionen hier auch noch etwas kleiner sind – 21 Millionen Passagiere jährlich sind es beim größten des Kontinents in Johannesburg. Dahinter rangieren Addis Abeba, Nairobi, Kairo und Casablanca. Mit Entwicklungen ist aber zu rechnen, da 2018 der afrikanische Luftraum von der Afrikanischen Union liberalisiert wurde, um eben den Markt für den Wettbewerb zu öffnen, wie es in den USA bereits vor 40 und in der EU vor 30 Jahren. Addis Abeba macht als Hub der Ethiopian Airlines, größte afrikanische Fluggesellschaft, und mit 100 Destinationen dem 2.500 Kilometer entfernten Dubai bereits Konkurrenz.

Was bei all diesen Projekten wenig berücksichtigt wird, ist die Umwelt. Flugzeuge stoßen pro Person mehr Treibhausgase aus als Autos. Mit dem wachsenden Verkehr in der Luft steigen auch die CO2-Emissionen. In knapp 30 Jahren haben sich die Emissionen in Deutschland bereits verdoppelt. Es gibt zwar Bemühungen hin zu sparsameren Antrieben – zwischen 1995 und 2015 hat sich der Treibstoffbedarf aufgrund des technischen Fortschrittes um rund 30 Prozent verringert –, doch das Wachstum im Luftverkehr ist mit etwa sieben Prozent jährlich höher als die errungenen Einsparungen.

Das wenig beachtete Thema

Die höchsten Anteile an den Emissionen haben CO2 und Wasserdampf – beide sind klimarelevant. Der Luftverkehr soll immerhin vier bis fünf Prozent der aktuellen Erderwärmung ausmachen. Auch toxische Stoffe werden durch die Verbrennung von Kerosin, dem gängigen Treibstoff, freigesetzt – vor allem Kohlenmonoxid, Stickoxide und Schwefeldioxid und Kohlenstoff in der Form von Ruß.

Ein weiterer Umweltaspekt ist der Flächenverbrauch. Da die Flächen bei großen Flughäfen meistens und bei internationalen immer asphaltiert oder betoniert sind, wird der Boden versiegelt und während des Baus häufig eine Grundwasserabsenkung durchgeführt. Laut Experten sind die Folgen für die Vegetation oft weitreichend. Durch den Verlust an Grundwasseranschluss kann es sogar zu Waldsterben und großflächigen Dürreschäden kommen. Dennoch ist der Flächenverbrauch von Flughäfen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln – und wenn man die großen Abfertigungsmengen berücksichtigt – noch gering, da die Fortbewegung selbst natürlich keine Fläche benötigt. Schienen und Straßen kommen insgesamt also auf einen sehr viel größeren Flächenverbrauch als Terminals und Rollbahnen.

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