Baustoffe : Warum der wichtigste Baustoff auch das größte Problem ist
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Dubai – für die Stadt im Sand braucht es viel Sand, den nach Luft und Wasser am meisten verwendeten Rohstoff der Welt. In Dubai schießen Gebäude wie Pilze aus dem Boden und wachsen in die Höhe. Auch das höchste Gebäude der Welt, das Burj Khalifa, befindet sich hier. Vor der Küste werden künstliche Inseln erschaffen, zum Beispiel die Palm Islands. Was wenige wissen: Die hübschen Inselchen in Palmenform bestehen aus eigens importiertem australischen Sand. Denn liegt Dubai auch in der Wüste, hat es damit den wichtigsten Baustoff der Welt nicht vor der Türe liegen.
Dubai ist mit seinem massiven Sandimport bei weitem nicht alleine. Die meisten Länder bekommen das Material von weit her gekarrt – meistens per Lkw. Denn haben auch viele Länder ein hohes Vorkommen, ist Sand nicht gleich Sand.
Arabische Palm Islands aus Australien
Sand ist erst Sand, wenn die Körner zwischen 0,065 und zwei Millimeter groß sind. Alles darunter ist Schluff oder Ton, alles darüber Kies. Der weltweite jährliche Verbrauch liegt bei 40 Milliarden Tonnen. Dem stehen aber nicht wirklich die 120 Billiarden Tonnen am weltweiten Sandvorkommen gegenüber, denn nur ein kleiner Teil davon kann für Bauzwecke genutzt werden. Der Flugsand etwa, der in vielen Wüsten zu finden ist, ist für die Bauindustrie zu glatt. Zudem ist ein großer Teil der Vorkommen schwer oder gar nicht zugänglich, weil am Meeresboden oder unter anderen Sedimentschichten verborgen. Im Bau wird Beton aus Sand, Kies, Wasser und Zement hergestellt. Auf eine Tonne Zement kommen etwa sieben Tonnen Sand und Kies. Für den Bau eines durchschnittlichen Hauses werden 200 Tonnen, für einen Kilometer Autobahn bereits 30.000 Tonnen benötigt. Zudem wird Sand auch in großen Mengen für die Glasindustrie, das Fracking und die Elektronikindustrie benötigt. Selbst in Zahnpasta findet sich das Material.
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Sand statt Fisch
Der Bedarf für Sand hat große Auswirkungen auf die ganze Welt, besonders auf Küstenregionen. An den Stränden allein soll es 10 Trillionen Sandkörner geben, doch die Strände verschwinden – in Cap Verde, Kenia, Neuseeland, Marokko und Jamaika etwa.
Cap Verde ist ein Inselstaat vor der Küste Mauretaniens und Senegals. Auf Santiago, der Hauptinsel der zehn Eilande vulkanischen Ursprungs, ist der Strand Ribeira da Barca bereits fast verschwunden. Die Bevölkerung verkauft den Sand an Bauunternehmen im eigenen Land und im Ausland und gleicht damit die weniger werdenden Gelder aus dem Fischfang aus. Sogar der Sand vom Meeresgrund wird bereits verkauft – nicht die beste Entscheidung für das Ökosystem im Ozean, denn beim Ausbaggern werden viele Fische und Meerespflanzen mitgerissen, in weiterer Folge sinkt die Fortpflanzungsrate der Fische. Ein Teufelskreis also – der Grund für den Rückgang des Fischfangs ist der Rückgang des Fischfangs.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: Das Problem hört bei Miami nicht auf.
Miami – das Problem im eigenen Backyard
Daneben hat das Verschwinden der Strände klar negative Auswirkungen auf den Tourismus, die küstennahe Landwirtschaft und sogar das Grundwasser, da Salzwasser nun leichter eindringen kann. Sogar in Miami sind 90 Prozent der Strände bereits vom Verschwinden bedroht. Spürbare Auswirkungen hat das auch im Fall von Umweltkatastrophen wie etwa Wirbelstürmen, da natürliche Barrieren fehlen – Florida kann hier besonders betroffen sein.
https://youtu.be/E3P1kvnCiXE
Der Verbrauch von Sand bleibt nicht konstant, sondern nahm über die letzten Jahrzehnte immer mehr zu. Ganze Landvergrößerungen werden damit geschaffen – so wurde der Inselstaat Singapur etwa seit 1989 dank Sandaufschüttungen um 22 Prozent vergrößert. Bis 2030 sollen noch weitere 20 Quadratkilometer dazukommen. Das ist für das reiche Singapur kein Problem und sogar auf gewisse Art notwendig, da die Bevölkerung wächst – die Bevölkerungsdichte ist sogar die zweithöchste weltweit. Doch woanders fehlt der hier aufgehäufte Sand natürlich.
Vom Bevölkerungswachstum bis Fracking
Doch nicht nur in Singapur wächst die Bevölkerung. Auf der ganzen Welt wachsen die Städte und damit mehren sich auch die Bauvorhaben, für die natürlich – erraten – Sand benötigt wird. Bis 2050 werden laut Prognosen 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, derzeit sind es noch 55 Prozent. Der Trend ist weltweit zu beobachten. Der Sandverbrauch stieg in den letzten Jahrzehnten in Industrieländern wie Entwicklungsländern, wie auch Schwellenländern stetig an. Laut Prognosen wird besonders Indien auch in den kommenden Jahrzehnten immer mehr Sand brauchen, wobei der Verbrauch in China etwas zurückgehen soll. Chinas Verbrauch ist aber derzeit extrem hoch. Zwischen 2011 und 2013 produzierte das Land mehr Beton als die USA im ganzen 20. Jahrhundert – 6,6 Gigatonnen stehen hier 4,5 Gigatonnen gegenüber.
Die größten Exporteure von Sand sind die USA, Australien, Belgien, Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate und Malaysia. Die größten Importeure verwenden Sand zu sehr unterschiedlichen Zwecken – Kanada fürs Fracking, Singapur eben für die Landvergrößerung. Danach kommen Belgien, Italien, Japan, Südkorea und die Niederlande. Dass Belgien in beiden Listen hoch oben auftaucht, ist mit den verschiedenen Sandarten zu erklären, die sich nicht alle für jeden Anwendungsbereich eignen.
Lesen Sie weiter auf Seite 3 von der Sand-Mafia und illegalem Sand.
Die Mafia macht jetzt in Sand
Doch es ist nicht so, als gäbe es keine Lösungen für das weltweite Sandproblem – wie etwa die Wiederverwendung. In Deutschland etwa fallen im Jahr über 50 Millionen Tonnen Bauschutt an, in Frankreich sind es 60 Millionen. 80 Prozent davon könnten recycelt werden, nur wird vielerorts darauf verzichtet, da die Sandpreise noch relativ niedrig sind. Österreich ist beim Bauschutt-Recycling im internationalen Vergleich hingegen bereits recht gut aufgestellt. Zwischen sechs und zehn Millionen Tonnen an Bauabfällen – die Angaben variieren teils stark – werden im Jahr österreichweit gesammelt.
Wird das Baustoff-Recycling nicht vorantrieben, könnten die Folgen fatal sein, sofern sie es nicht bereits sind – denn natürlicher Sand kommt nicht annähernd so schnell nach, wie er abgebaut wird. Gut erkennbar ist das am Beispiel Indonesien, das wie Malaysia viel Sand nach Singapur exportierte. Von der indonesischen Insel Karimun etwa wurden noch bis 2002 drei Millionen Kubikmeter pro Monat abgebaut – die Insel droht tatsächlich zu verschwinden, was sogar Auswirkungen auf die Staatsgrenze im Meer haben könnte. Andere indonesische Kleininseln sind bereits verschwunden – nicht aufgrund des steigenden Meeresspiegels, sondern tatsächlich wegen des massiven Sandexportes. Die Regierung von Indonesien verbot schließlich 2007 den Sandexport nach Singapur. Thailand, Vietnam und Malaysia folgten diesem Beispiel. Dadurch stieg der Preis für eine Tonne Sand kurzfristig von drei auf 190 Dollar an. Singapur importiert seither illegal Sand von Vietnam und Kambodscha über Sandschmuggler und Scheinfirmen. Derzeit exportieren laut der NGO Coastal Care 60 Länder illegal Sand – keine internationale Organisation fühlt sich für die Überwachung zuständig. Verhaftungen wegen Sandschmuggelns gab es tatsächlich schon, doch oft ist die Sandmafia einfach zu mächtig – wie etwa in Indien, wo Verbindungen zu Politik und Polizei ein offenes Geheimnis sein sollen. Das Resultat: über 8.000 illegale Sandförderstellen in Indien.
Leider werden manche Verbote auch wieder rückgängig gemacht – in Surinam ist das Ausbaggern von Sand etwa seit 2016 wieder erlaubt – eine weitreichende Erosion wird befürchtet. Es war also kein unerschöpfliches Vorkommen, dass die Wiederlegalisierung des Abbaus in Surinam bewirkte – es war wohl viel mehr der wirtschaftliche Druck.
https://youtu.be/orXr6hLe67Y
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