SOLID Plus : Waagner-Biro-Jost: "Unter diesen Umständen nicht mehr"
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SOLID: Der Dome des Louvre von Abu Dhabi ist neben der Botlek-Brücke eines Ihrer beiden aktuellen Großprojekte. Haben Sie mit diesem Entree Ihre Finger auch bei den anderen Projekten auf der Museumsinsel Saadiyat im Spiel?
Thomas Jost: Wir haben bei zwei weiteren ursprünglich angeboten, aber dann gesagt: Da muss sich an den Bedingungen sehr viel ändern, damit wir bereit sind mitzugehen. Die lokalen Strukturen sind nicht dafür gemacht, solche Bauwerke zu errichten. Da stößt man an alle Grenzen, und nicht nur wir. Die lokale Infrastruktur ist nicht dafür ausgelegt, in solchen kurzen Bauzeiten derartige Bauwerke zu errichten. Da ist in Summe nicht genug Logistik und Knowhow verfügbar. Das sind Komplexitäten, die man wahrscheinlich auch in Mitteleuropa nicht so hin bekommt, und in den Emiraten stößt es eben an klare Grenzen. Heißt das, dass man so etwas in der Zeit gar nicht bauen kann? Das will ich gar nicht sagen. Es gibt sicher Firmen, die das machen können, aber wir machen das unter solchen Rahmenbedingungen sicher nicht mehr. Da muss sich das Setup für alle ändern. Ihr Vorstand Johann Sischka sagt: der Louvre Abu Dhabi wird unter anderem deshalb nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt fertig (die Eröffnung ist an sich für den 2.12.2015 geplant, den Nationalfeiertag der VAE, wackelt aber sehr), weil sich der Architekt Jean Nouvel noch immer nicht für den Stein entschieden hat. Stimmt das? Das ist auch ein Grund. Die Architekten leben da manchmal auch in einer eigenen Welt, die mit den Realitäten und Zeitabläufen am Bau wenig zu tun hat. Je prestigeträchtiger und größer ein Projekt ist, desto knackiger sind diese vielen Wünsche von allen Seiten aufzulösen. Aber Sie sind so weit abgesichert, dass die Sache wirtschaftlich gut geht? Das wissen wir leider noch nicht. Da gibt es immer lange Zeiträume, wo man um sein Geld kämpfen muss. Das machen wir auch und das beschäftigt uns sehr. Daher kommt ja auch meine Überzeugung, dass bei solchen großen Projekten das Umfeld absolut stimmen muss. Solange das so ist wie jetzt, haben wir da kein Interesse mehr.Wenn es dann fertig ist, sagt jeder: super! Aber die drei Jahre Wahnsinn und das Geld, das man dort versenkt, ist es einfach nicht wert.Aber dass es geht, sieht man zum Beispiel beim YAS Marina Formel 1 Race Track in Abu Dhabi - da gab es ein klares Commitment und eine klare Deadline und es ging nicht darum zu beweisen, wer Schuld ist und wer Recht hat. Aber wenn es schnell gehen muss, wird ja manchmal an Qualität eingespart - kommt das nicht negativ zurück? Das war gerade bei diesem Beispiel (Yas Marina, Anm.) nicht so, weil wir aufgrund der Geschwindigkeits- und Qualitätsanforderungen in Europa fertigen haben lassen und nur die Montagen vor Ort gemacht haben. Beim Louvre ist das anders. Da war aus Kosten- und anderen Gründen eine hohe lokale Wertschöpfung gefordert und da stößt man eben an Grenzen, was vor Ort in einer gegebenen Zeit möglich ist. Bei Standardfertigungen ist das kein Problem, aber beim Louvre ist ja kein Teil wie der andere und da haben auch wir sehr viel lernen müssen. Wir haben etwa seit Dezember letzten Jahres einen eigenen Fertigungsleiter unten bei unserem Lieferanten, der die Produktion der Sterne auf der Außenhaut leitet. Das ist aber eigentlich nicht unser Geschäftsmodell, in dem kaufen wir fertige Sterne zu - aber wenn der Lieferant das nicht zusammen bringt, müssen wir das machen. Das geht nicht anders. Das klingt ähnlich wie komplizierte Geburtsschmerzen. Gibt es keine Möglichkeit für einen Kaiserschnitt? Den bautechnischen Kaiserschnitt gibt es durchaus, wenn alle daran interessiert sind und nicht gegenseitig claimen, sich auf der Baustelle und administrativ behindern etc. Beim Race Track war das so. Es ist aber auch klar, dass das einen gewissen Mehrpreis hat.
SOLID: Wo ziehen Sie dann in Zukunft die Grenze? Was ist das Learning, auf welche Projekte man sich einlässt? Jost: Das Learning ist, dass wir einfach aussteigen, wenn ein Projekt einen gewissen Stand hat und die Parameter nicht zusammen stimmen. Und wenn von Anfang an klar ist, dass ein Projekt unter hohem Preis- und Zeitdruck ist, dann werden wir nicht anbieten. Dann soll jemand anderer den nächsten Louvre bauen. Es war aber nicht das erste Mal, dass sie so etwas gelernt haben, oder? Das ist so und da sind wir auch nicht so happy damit. Man muss aber auch sagen: Wenn man bei einem solchen Projekt zehn Prozent Unsicherheit hat, dann ist das zwar viel Geld, aber im Verhältnis wiederum gar nicht so arg. Man kann solche Dinge nicht ad infinitum richtig einschätzen. Und der Anlagenbau lebt davon, dass sich das, was man unterschätzt, die Waage hält mit dem, was man überschätzt.Es gibt Projekte, da läuft alles super - und es gibt Projekte, da läuft alles schwierig. Und ein solches Projekt ist der Louvre. Gibt es etwas Positives auch am Louvre Abu Dhabi? Es ist sicher eine der Herzeige-Landmarks dort, vergleichbar mit der Kuppel beim Reichstag in Berlin ... ... aber genau davon hieß es doch, dass er damals fast Waagner-Biro von der Landkarte gelöscht hätte? Das hängt davon ab, wen Sie fragen! Es war sicher nicht eines unserer erfolgreichsten Projekte, aber es war nicht das große Problem. Das Problem war die Sanierung des Hauptbahnhofs Leipzig. - Das war damals der Start des Sonderfassadenbaus mit Stahl und Glas und da gab es viel zu lernen, aber auch tolle Ergebnisse und technische Features, die man eigentlich erst sieht, wenn man im Gebäude ist. Heißt das alles zusammen gefasst, dass die Lernkurve von Waagner-Biro in Zukunft ein bisschen weniger steil sein darf? Werden Sie kleinere Brötchen backen? Ich liebe steile Lernkurven, denn da werden wir schnell besser! Wir nehmen ja immer alles mit und können es hoffentlich auf neue Projekte anwenden. Aber wenn wir merken, dass ein Projekt widersprüchlich aufgesetzt ist - ein herausragendes Bauwerk mit komplexer Kontruktion soll in kürzester Zeit zu geringen Kosten aufgestellt werden -, dann wissen wir jetzt, dass das nicht geht. Und das Thema Hoffnung, dass sich das einrenkt, kann man begraben. In dieser Region renkt sich das nicht ein. Das hat nichts mit kleineren Brötchen zu tun, sondern mit anderen Brötchen. Dazu kommt, dass wir als Unternehmen ja schon vergleichsweise alt sind und auch da unsere Lernerfahrungen haben. Wir wissen auch, dass wir die Welt nicht erfunden haben und dass wir gut daran tun, uns immer wieder gute Partner zu suchen. Sie sprachen bei der Präsentation Ihrer Bilanz von einem lachenden und einem weinenden Auge. Können Sie das etwas präzisieren? Das Projekt Louvre beschäftigt uns eben sehr und bindet viele Ressourcen. Wir kämpfen aber auch in zwei unserer vier Bereiche mit dem Auftragseingang. Wir feiern ja gern, dass wir um 10 Cent billiger tanken, was volkswirtschaftlich irrelevant ist. Aber alle erdölexportierenden Länder haben Budgetprobleme - und diese Länder waren der Wachstumsmotor und unsere Kernmärkte der letzten Jahre, nicht nur für Waagner-Biro. Bei uns sind die davon betroffenen Bereiche der Stahl-Glas- und der Brückenbau.Wir hatten zwar über 200 Millionen Auftragseingang mit einer guten Splittung in der Größe, aber wir hätten uns mehr gewünscht - und das ist das weinende Auge.Es sind ja auch ausreichend Projekte am Markt und wir sind bei etlichen Ausschreibungen unter den letzten Zwei - aber die Kunden schieben, fragen neu an, wollen es noch fünf Prozent billiger. Und irgendwann einmal ist es zu Tode angeboten. dann wird es nicht mehr besser. Aber auch dieser Trend ist ein allgemeiner: Die Wachstumsmärkte treffen keine Investitionsentscheidungen und Europa ist sowieso schwach. Und es gibt keine Alternative? Es gäbe die Alternative Nordamerika. Aber die USA sind für uns kein Zielmarkt, weil das rechtliche Umfeld dort sehr, sehr schwierig ist. Dort in der Baubranche tätig zu sein, ist noch einmal eine andere Liga. Weil? Wir schätzen ja Nordamerika gerne als einheitlichen Markt ein, aber das ist eine Illusion. Es ist in Wahrheit sehr fragmentiert, sie haben in jedem Bundesstaat andere Vorschriften und Lizenzen und es ist stark gewerkschaftlich organisiert. Wenn sie dort einen Arbeitsunfall haben, ist das kostspielig bis unlösbar. Im Baugeschäft ist das aber nie auszuschließen, egal wie gut ihre Sicherheitsvorkehrungen sind.Wir schauen uns Nordamerika schon sehr genau an und blenden es nicht weg, aber es ist für uns noch keine echte Option.
Was ist dann die Strategie für heuer unter diesen Umständen? Wir haben sicher eine Seitwärtsbewegung. Der Fokus liegt auf den Kosten, auf der Fertigstellung der beiden Großprojekte Louvre Abu Dhabi und Botlek in Rotterdam und einem gesunden Auftragsstand für das nächste Jahr. Mission oder missionsarme Zeiten? Mission. Wir haben einen sehr starken Impuls gesetzt, wohin sich die Waagner-Biro in den nächsten zehn Jahren entwickeln soll. Bis Mitte letzten Jahres waren wir diesem Plan sogar voraus. Ich habe aber wie viele andere nicht damit gerechnet, dass der Ölpreis nachhaltig im Keller bleibt. Das hindert uns dennoch nicht daran, unsere Marktstrategie mit der großen örtlichen Streuung gegen regionale Schwankungen weiter zu verfolgen. Aber auch das Geschäft im Kaukasus hängt davon ab, ob der Ölpreis und die politische Situation passen. Dass die Ukraine-Krise sich so auswächst, war vielleicht am Horizont, vielleicht auch nicht. Das weiß man immer nachher. Und die Risikoverteilung gilt auch für unsere vier Divisionen, die weltweit tätig sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Divisionen gleichzeitig auf der ganzen Welt Probleme haben, ist nicht hoch. Und eine viel breitere Aufstellung lässt sich komplexitätsmäßig nicht mehr beherrschen. Verspüren Sie einen Zwang zum Wachstum? Die Kosten in Europa steigen ja durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die arbeitsrechtlichen Bestimmungen ständig. Dadurch allein wird es um mindestens drei bis vier Prozent pro Jahr teurer. Wenn ich das nicht durch Produktivitätsgewinne herein bringen kann, muss ich wachsen, um meine Fixkosten zu decken.Es ist aus meiner Sicht außerdem so, dass die Waagner-Biro eine andere Größenordnung als heute erreichen muss, wenn sie weiter in der Major League spielen möchte. Das Einzelprojektrisiko ist im Vergleich zum Gesamtumsatzvolumen einfach zu hoch. Die Projektgrößen können wir uns ja nicht aussuchen. Und wir als Waagner-Biro können bei komplexeren Projekten vergleichsweise mehr einbringen als andere und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir solche Aufträge bekommen und vernünftige Margen umsetzen können. Wo liegt diese andere Größenordnung? Derzeit haben wir ca. 250 Millionen Umsatz, 2023 wollen wir 480 bis 500 Millionen machen. Und ich rechne mit keiner Hyperinflation, wenn ich auch kein Hellseher bin.- Wir wollen weiter große Projekte machen, aber zusätzlich kleinere und regionalere, die von der Komplexität her überschaubarer sind. Da geht es auch um Erweiterungen bestehender Projekte und die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit bestehenden Kunden. Wir wollen Wiederholkunden und wir wollen überschaubare Pakete. Wird es zur Finanzierung auch einen Schritt in der Aktionärsstruktur geben? Das haben wir nicht vor. Unser Geschäft einer breiteren Aktionärsstruktur zu erklären ist zu schwierig. Und es interessiert mich auch nicht, meinem Mitbewerb quartalsweise zu erzählen, wie es mir geht. Unsere Kernaktionärsstruktur liegt sehr nahe am operativen Geschäft. Das Liaunig-Umfeld liegt mit meinen Anteilen zusammen bei 68 Prozent und das braucht so eine Unternehmung auch. Wir denken weder an einen Börsegang noch an eine Kapitalerhöhung.
Das Gespräch führte Thomas Pöll Zur Person Thomas Jost Der Viertel-Eigentümer Thomas Jost, Jahrgang 1971, absolvierte die HTL Mödling und das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach Tätigkeit als Steuerberater ist Jost seit Herbst 2000 in einem der Liaunig Industriegruppe zugehörigen Unternehmen tätig: Begonnen bei der Waagner-Biro AG, dann Geschäftsführer bei der Ing. Batik GmbH, später kaufmännischer Leiter der Waagner-Biro Austria Stage Systems AG, dort dann Vorstand, von 2005 bis Juni 2012 Geschäftsführer der auf optomechatronische Systeme spezialisierten Wild Gruppe. Seit März 2012 ist Thomas Jost Vorstand der Liaunig Industrieholding, zusätzlich war er von Juli bis Dezember 2012 Vorstand der Waagner-Biro AG.Im Herbst 2013 erwarb Thomas Jost 25 % der Anteile an der Waagner-Biro AG. Zudem wurde er im September 2013 zum Vorstandsvorsitzenden der Waagner-Biro AG bestellt. Thomas Jost ist verheiratet und hat zwei Söhne.