Die nicht fristgerechte Bezahlung berechtigter Geldforderungen ist nicht nur ärgerlich, sondern unter kaufmännischen Gesichtspunkten auch schädlich für die Liquidität und erhöht - gerade in der Bauwirtschaft - die Dauer der erforderlichen Vorfinanzierungen. Das Unternehmensgesetzbuch (UGB) sieht für Geldschulden unter Unternehmern deswegen seit geraumer Zeit einen erhöhten Zinssatz vor, welcher die Zahlungsmoral verbessern soll. Soweit die Statistiken dies beurteilbar machen, gelingt dies auch zum Teil. Das Thema scheint sich jedoch in letzter Zeit so ähnlich zu entwickeln wie das mit dem Handyverbot am Steuer: man telefoniert wieder vermehrt ohne Freisprecheinrichtung. Welche konkreten Verzugszinsen stehen dem unternehmerischen Gläubiger nun zu? 4% oder 9,2% Verzugszinsen? Die geltende Rechtslage (§ 456 UGB) ist Ausfluss der Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU und ist auf Verträge anwendbar, die nach dem 16.03.2013 abgeschlossen wurden. So manches noch im Bau befindliche Großprojekt ist daher noch nach der alten Rechtslage zu beurteilen!Die geltende Regelung sieht zwei verschiedene Zinssätze vor: Ist der Schuldner für die verzögerte Zahlung nicht verantwortlich, so hat er (nur) Verzugszinsen in Höhe von 4% über dem Basiszinssatz zu zahlen. Ist er jedoch dafür verantwortlich, so hat er die (hohen) Verzugszinsen in Höhe von 9,2% über dem Basiszinssatz zu zahlen. In Abweichung zur Rechtslage vor dem 16.03.2013 ist der Anspruch auf den hohen Verzugszinssatz also von der "Verantwortlichkeit" des säumigen Schuldners abhängig. Davon ist jedenfalls der subjektive (verschuldete, vorwerfbare) Zahlungsverzug umfasst. Da das Gesetz aber von "Verantwortlichkeit" spricht, ist davon auszugehen, dass ein Verschulden an der verspäteten Zahlung gar nicht erforderlich ist; es genügt, dass der Zahlungsverzug kausal aus der Sphäre des Schuldners entspringt. Ein praxisrelevantes Beispiel hierfür wäre z.B., dass es zu einem Zahlungsverzug kommt, weil eine Teilrechnungsprüfung oder eine Mehrkostenforderungs (MKF)-Prüfung über den Fälligkeitszeitpunkt hinaus dauert, obwohl eine fristgerechte Prüfung/Zahlung eher möglich gewesen wäre. Liegt die Ursache für die Zahlungsverzögerung außerhalb der Beeinflussungssphäre des Schuldners, so kann nicht mehr von dessen Verantwortlichkeit ausgegangen werden. Die geltende Rechtslage zu den unternehmerischen Verzugszinsen ist dispositiv. Dabei sind natürlich die Zulässigkeitsgrenzen der Geltungs- und Inhaltskontrolle zu beachten (Sittenwidrigkeit, gröbliche Benachteiligung und Wucher). Verzugszinsen bei Bauwerkverträgen vor dem 16.03.2013
Auf vor dem 16.03.2013 abgeschlossene Verträge ist die alte Rechtslage (§ 352 UGB) weiter anzuwenden. Es gelten hier generell - also auch ohne Ansehung der Verursachung - Verzugszinsen von 8 % über dem Basiszinssatz. Auch nach der alten Rechtslage waren die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen der Zulässigkeitsgrenzen der Geltungs- und Inhaltskontrolle dispositiv. Was gilt im Vollanwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes?
Die Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU führte u.a. zur Aufnahme des § 87a BVergG. Dieser sieht vor, dass die Ausschreibung keinen Verzugszinssatz festlegen darf, dessen Höhe den in § 456 UGB festgelegten gesetzlichen Zinssatz unterschreitet (dort sind in Abhängigkeit der Verantwortlichkeit die Zinssätze 4% oder 9,2% gemeint). Anzuwenden ist diese Regelung auf öffentliche Auftraggeber entsprechend dem Art 1 Abs 9 der RL 2004/18/EG und auf Vergabeverfahren, welche nach dem 12.Juli 2013 anhängig wurden. Durch den Verweis auf den gesetzlichen Zinssatz gem §456 UGB ist jedenfalls klargestellt, dass es darauf ankommt, ob die öffentliche Stelle als Schuldner der Geldschuld für den Zahlungsverzug verantwortlich ist oder nicht. Praxistipp: Aus Sicht des Bauunternehmens sollte im Falle des Zahlungsverzuges jedenfalls geprüft werden, ob die Zahlungsverzögerung dem Bauherrn kausal zuzurechnen ist. Dieser ist allenfalls aufzufordern, sich darüber zu erklären, wie der Zahlungsverzug zustande gekommen ist. Es sollte auch dem Bauherrn in Erinnerung gerufen werden, dass es sich bei Zahlungsverzug aus unternehmerischer Sicht nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.
Erstmals erschienen in SOLID 7+8/2015, Autor: Wolfgang Müller