Die Renaissance traditioneller Baustoffe im modernen Bauwesen : Synergie aus Holz und Beton: Der Verbund als neuer Weg für nachhaltiges Bauen

Holzverbunddecke
© Toni Rappersberger

Die Besonderheit der Holz-Beton-Verbunddecke liegt dabei in ihrer Flexibilität: Sie kann sowohl in Neubauten als auch in der Sanierung von Bestandsgebäuden eingesetzt werden, wodurch sie eine breite Anwendbarkeit in verschiedenen Projekttypen besitzt. Dank des reduzierten CO2-Fußabdrucks des Holz-Betonbauteils und der strukturellen Vorteile des Betons ist die HBV-Technologie eine tragfähige Lösung für die klimafreundliche Transformation der Bauwirtschaft. 

Grundlagen: Holz und Beton - Die Brücke zwischen Natur und Technik

Holz und Beton sind bewährte Baumaterialien mit jeweils einzigartigen Eigenschaften. Holz, ein nachwachsender Rohstoff, zeichnet sich durch seine hohe Zugfestigkeit, Leichtigkeit und Vielseitigkeit aus. Neben seiner Funktion als CO₂-Speicher zeichnet sich Holz durch seine Zugfestigkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an vielfältige bauliche Anforderungen aus. 

Neben der hohen Zugfestigkeit wird zunehmend Brettsperrholz (CLT) als bevorzugtes Material für Holz-Beton-Verbunddecken eingesetzt. Durch die kreuzweise Verleimung der Holzlagen zeichnet sich CLT durch eine außergewöhnliche Dimensionsstabilität, Tragfähigkeit und Formbeständigkeit aus, was es ideal für hybride Konstruktionen macht. Zudem ermöglicht die präzise Vorfertigung von CLT-Elementen eine hohe Planungs- und Bauqualität. 

Beton hingegen punktet mit seiner (Druck-)Festigkeit, seiner Wärmespeicherfähigkeit, seiner Dauerhaftigkeit, seinen Vorteilen im Brand- und Schallschutz, sowie durch seine vollständige Rezyklierbarkeit. Durch die Kombination dieser beiden Materialien in Holz-Beton-Verbunddecken können deren spezifische Vorteile synergetisch genutzt werden. 

Visualisierung SWIE timber
© timber

Konstruktionsprinzip der Holz-Beton-Verbunddecken

Bei Holz-Beton-Verbunddecken wird zugfestes Holz unten und druckfester Beton oben angeordnet, wodurch der Einsatz von Bewehrungsstahl in der Zugzone vollständig durch Holz ersetzt wird.  

Brettsperrholz wird wegen seiner hohen Festigkeit und Formstabilität häufig als Basis für Holz-Beton-Verbunddecken verwendet. Diese Materialeigenschaften gewährleisten eine gleichmäßige Lastverteilung und ermöglichen größere Spannweiten bei gleichzeitig reduzierten Querschnitten. 

Holz-Beton-Verbunddecken erfüllen die bauphysikalischen Anforderungen an Schallschutz, Brandschutz und das Schwingungsverhalten. Sie sind aufgrund ihrer Flexibilität in vielen Bauprojekten zur Standardlösung für Planer geworden. 

Das Konzept der Bauteilaktivierung im Holz-Beton-Verbund

Ein wesentlicher Vorteil der Holz-Beton-Verbund-Systeme ist die Möglichkeit der Bauteilaktivierung. Hierbei wird die thermische Masse der Decke genutzt, um Gebäude zu heizen oder zu kühlen. Dies erfolgt durch in den Beton integrierte Rohrsysteme, durch die temperiertes Wasser zirkuliert. Die Bauteilaktivierung nutzt die Speicherkapazitäten des Betons und verbessert dadurch die Energieeffizienz. In Kombination mit regenerativen Energiequellen wie Wärmepumpen trägt die Holz-Beton-Verbunddecke so zur Reduktion der Betriebskosten bei. 

Diese Form der Energieverteilung ist im Vergleich zu konventionellen Heizsystemen nicht nur effizienter, sondern ermöglicht auch eine gleichmäßigere Wärmeverteilung im Raum. Gerade in Niedrigenergie- und Passivhäusern hat sich die Bauteilaktivierung als effektiv erwiesen, da sie den Bedarf an zusätzlicher Heiztechnik reduziert und die thermische Trägheit des Gebäudes optimal ausnutzt. Ein angenehmes Raumklima ohne kalte Oberflächen wird durch diese Technologie ebenfalls forciert. 

Industrielle Vorfertigung: Ein technologischer Durchbruch in der Holz-Beton-Verbundbauweise

Um die Effizienz und Qualität der Holz-Beton-Verbunddecke zu steigern, gründeten die Mayr-Melnhof Holz Holding AG und die Kirchdorfer Fertigteilholding GmbH im Jahr 2013 das Joint Venture MMK Holz-Beton-Fertigteile GmbH. Das Ziel war es, eine neuartige Bauweise zu entwickeln, die es ermöglicht, Holz-Beton-Verbundelemente durch industrielle Vorfertigung optimal zu nutzen und damit einen neuen Standard in der Bauindustrie zu setzen. 

Die Mayr-Melnhof Holz Holding AG, einer der führenden Hersteller für Holz- und Holzwerkstoffe in Europa, und die Kirchdorfer Fertigteilholding GmbH, bekannt für ihre Technologieführerschaft bei der Entwicklung und Herstellung von Betonfertigteilen, kombinierten ihre Expertise, um die Vorteile beider Materialien in einer standardisierten Produktion zu vereinen.  

Durch diesen Zusammenschluss wurde die Grundlage für die Entwicklung der X-Lam Concrete-Technologie (XC®) gelegt, die den Materialverbund von Holz und Beton unter kontrollierten Bedingungen optimiert. Diese industriell vorgefertigten XC®-Deckenelemente verkürzen die Montagezeiten und minimieren die Schnittstellen zwischen den Gewerken, was zu einer effizienten Bauweise beiträgt. 

MCI Linz Produktion Rauter
© Kirchdorfer

Technologie und Umsetzung: Die Verbunddecke aus Holz-Beton

Im Bereich der Holz-Beton-Verbundbauweise ist die XC-Verbunddecke ein speziell entwickeltes Produkt. Sie kombiniert die strukturellen Vorteile von Brettsperrholz (CLT) und Beton, um eine hohe Tragfähigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht zu erreichen. Diese Decke eignet sich sowohl für Wohn- als auch für Gewerbebauten und zeigt ihre Vorteile besonders in mehrgeschossigen Projekten, bei denen komplexe Brandschutzanforderungen berücksichtigt werden müssen. 

Technische Details und Aufbau der Holz-Beton-Verbunddecke 

Eine XC®-Verbunddecke besteht aus vorgefertigten CLT-Elementen, die über Kerven (rechteckige Fräsungen im Holz) effizient und kraftschlüssig mit Beton verbunden werden. Die kreuzweise angeordneten Holzlagen in CLT minimieren das Schwinden und Quellen des Materials und erhöhen die Schubfestigkeit der Verbundkonstruktion. Diese Konstruktion gewährleistet eine stabile Schubübertragung zwischen Holz und Beton. Die Querschnittshöhe der Decke kann so reduziert werden, bei gleicher Tragfähigkeit. 

Ein optionales technisches Merkmal der XC-Verbunddecke ist der integrierte Randunterzug, der dann zum Einsatz kommt, wenn keine Linienauflager wie tragende Wände vorhanden sind. Er ermöglicht eine optimierte Lastverteilung bei punktuellen Auflagerungen, etwa auf Stützen, insbesondere fassadenseitig. Durch die Möglichkeit, die Elemente in verschiedenen Größen und Dicken vorzufertigen, passt sich das System flexibel an unterschiedliche Bauprojekte an. Diese Modularität spart Zeit und Kosten, insbesondere bei der Anpassung an individuelle Bauanforderungen.

Montage und Vorteile einer XC-Verbunddecke im Bauablauf 

Die XC-Verbunddecke wird werkseitig vorgefertigt und als montagefertiges Element auf die Baustelle geliefert. Dadurch entfallen das zeitintensive Schalen und Betonieren vor Ort. Durch die Vorfertigung können nachfolgende Gewerke wie Trockenbau schneller mit ihren Arbeiten beginnen können. Zudem wird keine zusätzliche Feuchtigkeit während des Bauprozesses eingebracht, was besonders bei der Sanierung von Bestandsgebäuden von Vorteil ist – beispielsweise bei Dachgeschossausbauten und Aufstockungen. 

Zu den weiteren Vorteilen der Holz-Beton-Verbunddecke gehören ihre guten bauphysikalischen Eigenschaften: Die Betonschicht bietet hervorragenden Schallschutz, was den Einsatz in lärmsensiblen Bereichen wie Schulen oder Wohnbauten unterstützt.  

Darüber hinaus erfüllt die XC-Decke auch bei sichtbarer Holzuntersicht die hohen Anforderungen an den Brandschutz, beispielsweise R90 oder höher. Dies wird durch eine Heißbemessung des Abbrandes der Holzuntersicht gewährleistet, wodurch die Stabilität und Sicherheit der Konstruktion selbst im Brandfall erhalten bleiben. 

Holz-Beton-Verbunddecken im Vergleich zur Ortbeton-Verbundbauweise

Bei der Entwicklung der industriell vorgefertigten Holz-Beton-Verbunddecken stand die Vereinfachung der Bauprozesse auf der Baustelle im Fokus. Während herkömmliche Holz-Beton-Verbunddecken häufig in Ortbetonbauweise errichtet werden, was eine Vielzahl von Arbeitsschritten wie Unterstellen, Abdichten, Bewehrungseinbau, Betonieren und Trocknungszeiten erfordert, bieten die XC® Elemente eine effiziente Alternative. Diese vorgefertigten Deckenelemente werden im Werk nach festgelegten Standards produziert und montagefertig geliefert. 

Eine Studie des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz belegt, dass bei einem Vergleichsprojekt in Wien-Simmering die Baukosten der XC®-Variante um nahezu ein Drittel geringer waren als bei der Ortbetonbauweise. Die Bauzeit und der Einsatz von Arbeitskräften konnten sogar um über 40 % reduziert werden. Diese Einsparungen sind besonders bei komplexen und mehrgeschossigen Bauvorhaben relevant, bei denen die Koordination der Gewerke eine große Herausforderung darstellt. 

Holz-Beton-Verbunddecken
© Toni Rappersberger

Die Bedeutung der Holz-Beton-Verbunddecke in der Kreislaufwirtschaft

Die Konstruktion einer XC® Holz-Beton-Verbunddecke erleichtert die Trennung von Holz und Beton am Ende des Lebenszyklus, da sie überwiegend durch Schubkräfte zusammengehalten werden. Das erlaubt ein sortenreines Recycling der Bestandteile. 

Mit einer Recyclingquote von über 90 % in der mineralischen Baustoffbranche in Österreich wird Beton oft als Granulat im Straßenbau wiederverwendet. Das Brettsperrholz kann in seine Bestandteile zerlegt und weiterverarbeitet werden, sei es für Dämmmaterialien, Holzfasern oder als Rohstoff für die Papierindustrie. 

Best Practice: Holz-Beton-Verbunddecken in der Anwendung

Holz-Beton-Verbunddecken kommen in unterschiedlichsten Bauprojekten zum Einsatz, die sowohl auf Effizienz als auch auf Nachhaltigkeit setzen. Die folgenden Beispiele illustrieren eindrucksvoll, wie diese Bauweise selbst bei anspruchsvollen Vorhaben ihre Stärken ausspielt. 

1. Ein Vorzeigeprojekt im Holz-Hybridbau: HoHo Wien in der Seestadt Aspern 

Das HoHo Wien ist mit einer Höhe von 84 Metern das höchste Holzhochhaus Österreichs und ein international beachtetes Vorzeigeprojekt. Es setzt einen markanten städtebaulichen Akzent in der Seestadt Aspern, einem der größten Stadtentwicklungsgebiete Wiens. Der Holz-Hybridbau umfasst 24 Stockwerke und vereint ein Hotel, Büros sowie Gewerbeflächen. Das Projekt hebt sich durch seine durchdachte Planung und Ausführungsqualität hervor, insbesondere im Hinblick auf den komplexen Brandschutz. 

Die Tragstruktur besteht aus einem massiven Erschließungskern, vorgefertigten Wandelementen aus Brettsperrholz (CLT) und Holz-Beton-Verbunddecken. Diese vorgefertigten XC® Decken erfüllen die hohen Brandschutzanforderungen der Klasse CC2 nach EN 1990. Durch den Einsatz von Sprinkleranlagen und maßgeschneiderten Brandschutzkonzepten konnte die Holzsichtigkeit in den Innenräumen erhalten werden, was den warmen, natürlichen Charakter des Materials zur Geltung bringt. Die Kombination aus vorgefertigten Elementen und einer effizienten Planung führte zu einer Reduktion der Bauzeit und machte das HoHo Wien zum Vorbild für den modernen Holz-Hybridbau. 

Ho Ho Wien in der Seestadt Aspern
© MMK Holz-Beton-Fertigteile