Baustoffe : Müssen wir Beton oder bloß den Sand darin ersetzen?

Wasser, ach nein, Sand überall und wir können ihn nicht nutzen. Dass der Welt und damit der Bauwirtschaft der Sand ausgeht, ist jedem in der Branche bekannt. Schließlich wird der natürliche Rohstoff dringend für die Produktion von Beton und auch Glas gebraucht – doch seine Beschaffenheit spielt dabei eine große Rolle.

Deswegen ist der Sand, von dem die Welt wirklich genug hat, nämlich der Wüstensand, auch ungeeignet für die Herstellung von Baustoffen. Er ist zu rund und fein – schade, denn genau von diesem Sand gibt es aufgrund der Klimakrise immer mehr.

Nach Alternativen zu Beton wird natürlich schon seit längerem geforscht – vor allem allerdings wegen seiner energieintensiven Herstellung. Das geht von neuen Super-Betonarten aus dem Labor bis zur Rückkehr zum Baustoff Holz.

Dabei muss möglicherweise gar keine Alternative zu Beton gefunden werden, sondern eine zum Sand im Beton. Hierzu gibt es weniger Forschungen, doch dafür eine besonders vielsprechende Idee.

Alternative zu Beton oder zu Sand?

Genau genommen ist Polycare gar keine Idee mehr, sondern schon ein marktfähiges Produkt. Das Thüringer Unternehmen ist ein Zusammentreffen des Gründers Gerhard Dust, der sich in seiner Pension noch einmal aufmachte, die Bauwelt zu verändern – und des Miteigentümers Gunther Plötner, der mit Jahrzehnten der Forschung zur aktuellen Rezeptur gelangt ist.

Diese Rezeptur nun ersetzt Sand nicht, macht aber Wüstensand plötzlich zum zentralen Element in der Betonherstellung. Dieser wird mit Polyesterharz und einer Chemikalie für den Härtungsprozess angereichert. Aus dem Gemisch werden direkt einzelne Bauteile hergestellt. Innerhalb von 20 Minuten trocknen diese vollkommen, Brennen ist nicht nötig.

Zwar ist der Polymerbeton, wie er dann genannt wird, in der Herstellung noch fünfmal so teuer wie herkömmlicher Beton; doch bringt er so viele Vorzüge mit sich, dass er im Endeffekt kostengünstiger ausfallen sollte.

Das beginnt einmal damit, dass der Polymerbeton drei- bis fünfmal druck- und biegefester ist. Auch die kurze Trocknungsdauer ist positiv. Vor allem aber sind die neuen Bauteile um ein Wesentliches leichter, weil hohl. Mit Noppen versehen, können sie sogar von Laien einfach gehandhabt und zusammengesteckt werden. Das bedeutet eine enorme Ersparnis an Arbeitskräften, Arbeitszeit und bestimmten Bauwerkzeugen.

Eine gute Rezeptur

Denn die Bauteile aus dem Polymerbeton werden mit Aussparungen – etwa für Rohre – fertig in der Fabrik hergestellt und können dann wie leichte Bausteine zu einem richtigen Haus zusammengesetzt werden. Dafür sind weder Fundament, noch Baukleber, noch Hebegeräte notwendig – es reichen Grundleisten, Schraubverbindungen und arbeitswillige Hände.

Wer ein solches Haus noch nicht gesehen hat, möchte meinen, es sei nur in der Theorie möglich, praktisch spreche sicher noch etwas dagegen. So sieht es derzeit aber nicht aus.

Diesen Februar eröffnete Polycare seine erste Fabrik am Rande von Windhuk, der Hauptstadt von Namibia. Das Land hat nicht nur besonders viel Wüstensand, sondern auch ein großes Wohnungsproblem unter den Armen. 15 Einheimische haben in der Fabrik mittlerweile eine Vollzeitstelle, stellen die Bauteile her und setzen sie an Ort und Stelle auch zusammen. Mit der namibischen Regierung gibt es bereits Gespräche zur Errichtung ganzer Wohnviertel auf diese Weise.

Laut Geschäftsführer Dust zeigt aber auch China großes Interesse. Und in ein paar Jahren will Polycare in 30 Ländern vertreten sein und bis 2030 schon 100.000 Häuser gebaut haben. Die Idee ist, dass eine mobile Fabrik, nicht größer als ein Frachtcontainer, direkt vor Ort produziert. So könnten auch Zeit und Geld im Transport gespart werden.

Namibias Sand könnte doch plötzlich brauchbar sein

In Deutschland läuft derzeit der Genehmigungsprozess für den Polymerbeton. Irgendwann, so das Ziel des Unternehmens, könnten Häuser dann im Baumarkt gekauft werden können und nicht mehr als ein mittelgroßes Auto kosten. Momentan werden die Kosten für 60 Quadratmeter mit 16.000 bis 22.000 Euro beziffert – abhängig von der Verfügbarkeit der Rohstoffe vor Ort.

https://youtu.be/E1aB6icPLOI

Etwas theoretischer geht es bei einer anderen Idee zu – zugegeben, die ist auch nicht ganz von dieser Welt. Doch dafür würde das Konzept, bei dem Mondstaub zu Beton gemacht wird, immerhin ganz auf Sand verzichten.

Genauer gesagt geht es um das Lockermaterial Regolith, das eben auch auf unserem Mond vorhanden ist. Die Proben, die es davon auf der Erde gibt, sind natürlich sehr kostbar und werden nicht einfach so zu Beton verbrannt. Doch Tests der NASA konnten den Stoff bereits mit Kohlenstoff und Epoxidharz zu einer Art Beton verdichten.

Das Verfahren interessiert die Forschung derzeit aber weniger wegen des Sandproblems auf der Erde, sondern für zukünftige Baupläne im All. Doch manche Erkenntnisse könnten für die irdische Bauwelt genauso interessant sein.

Wie man Asche zum Schmelzen bringt

So verwendet Matthias Sperl, Materialforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, statt Mondstaub Vulkanasche für seine Versuche im Sonnenofen. Vulkanasche ist praktischerweise physikalisch wie chemisch dem Mondstaub fast ident. Im Sonnenofen nun konzentriert eine wabenartige Spiegelwand das Sonnenlicht um das Fünftausendfache in einem einzigen Strahl. Dieser könnte mit seinen 2.500 Grad sogar dicken Stahl durchlöchern. Stattdessen schmilzt er die Asche Schicht um Schicht, bis sie zu einem festen Ziegel verschmolzen ist.

Auch hier geht es um Konzepte, wie einmal auf dem Mond gebaut werden könnte, ohne viele Materialien erst von der Erde hinzutransportieren.

Aber wäre Vulkanasche auch ein Sandersatz im Beton? Versuche am MIT, bei denen 30 bis 50 Prozent des Zements durch die Asche ersetzt wurden, ergaben eine höhere Stabilität und um 16 Prozent weniger Energieaufwand.

Aber auch wenn es in vielen Gegenden der Welt noch reichlich Vulkanasche gibt – in sehr vielen Gegenden gibt es gar keine und irgendwann würde auch dieses Material zur Neige gehen. Das Sonnenofen-Prinzip aus Köln würde sich derweil auch zu einem teilweisen Verschmelzen von Wüstensand eignen.

Das Unternehmen Polycare bringt allerdings auch den Vorteil mit sich, dass die extrem leichten Bauteile von jedermann zusammengesteckt werden können und so eine echte Lösung zum Wohnproblem der Armen darstellt. Und was den Umweltgedanken angeht – der Polymerbeton verursacht ein Zehntel der CO2-Emissionen der herkömmlichen Zementindustrie und stellt sein Harz zu 38 Prozent aus recycelten PET-Flaschen her. Und die Arbeit an einem Bio-Polymerharz läuft.

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