Gaspipeline : Memorandum zu Jamal II-Pipeline bringt Warschau in Erklärungsnot

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Widersprüchliche Informationen über ein Memorandum zu einer zweiten Gaspipeline zwischen Russland und Polen ("Jamal II") bringen die Regierung in Warschau in Erklärungsnot. "In der Regierung herrscht Chaos", schrieb auch die regierungsfreundliche, liberale Zeitung "Gazeta Wyborcza". Während die Gesellschaft Europolgaz, an der Polen zu 48 Prozent beteiligt ist, am vergangenen Freitag die Vereinbarung mit dem russischen Konzern Gazprom bekanntgab, reagierte Ministerpräsident Donald Tusk auf eine Frage dazu ratlos. "Diese Information muss ich erst überprüfen." Offenbar wird die Pipeline-Planung in der Regierungskoalition zudem unterschiedlich bewertet. Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski von der Bauernpartei PSL sprach von "großem Interesse" am Projekt, während Grzegorz Schetyna von Tusks rechtsliberaler "Bürgerplattform" (PO) warnte.

"Russland benutzt Fragen der Energiesicherheit, um politische Ziele umzusetzen, und hier haben wir ein klassisches Beispiel", erklärte der Vorsitzende des Außenausschusses im Parlament am Wochenende dem Radiosender RMF FM. Es gehe Moskau darum, die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine zu stören. Die beiden Länder versuchen derzeit, unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland zu werden.

Auch die "Gazeta Wyborcza" vermutet hinter der Vereinbarung unter anderem einen Schlag gegen Kiew. Mit einer zweiten Pipeline, die über Weißrussland und Polen in die Slowakei führen würde, könne Russland ganz auf den Gastransport durch die Ukraine verzichten, so das Blatt. Gleichzeitig würde ein in Kroatien geplantes Terminal für Flüssiggas möglicherweise unnötig. Ähnliches gelte für das EU-Pipelineprojekt "Nabucco", das Gas aus dem Kaspischen Meer direkt in die Europäische Union befördern soll. Insgesamt wolle sich Gazprom das "Monopol in Mitteleuropa sichern", so die Zeitung.

Der polnische Schatzminister Mikolaj Budzanowski (PO) beschwichtigte, über den Bau der Pipeline sei noch nicht entschieden. Das Memorandum beinhalte nur den "Informationsaustausch für eine tiefere ökonomische, technische und juristische Analyse einer möglichen Umsetzung des Projekts in der Zukunft", so der Minister. Budzanowski räumte ein, dass auch er erst im Nachhinein von der Unterzeichnung erfuhr.

An der Europolgaz sind die Gazprom und der staatliche polnische Gaskonzern PGNiG zu jeweils 48 Prozent beteiligt. Vier Prozent hält die Gesellschaft Gas-Trading SA, die von einem polnischen Geschäftsmann dominiert wird. Europolgaz ist Eigentümer und Betreiber der sogenannten Jamal-Pipeline, die Gas aus Sibirien über Weißrussland und Polen nach Deutschland leitet. Eine zweite Pipeline durch Polen, auch Jamal II genannt, würde nach russischen Vorstellungen von Polen aus in die Slowakei führen. Polnische Experten halten sie eigentlich für derzeit sinnlos, weil Russland gleichzeitig mit der Pipeline "South Stream" eine Leitung durch das Schwarze Meer nach Bulgarien legen möchte. (APA/red)