Investment : Ist das Studentenwohnheim eine Immobilien-Blase?

Die Website der niederländischen Wohnheim-Kette The Student Hotel ist poppig aufgemotzt. Sofort wird einem hier klargemacht, dass es bei dem Konzept nicht nur Studentenzimmer gibt, sondern eben auch Hotelzimmer. Erklärt den Namen. Trotzdem – ob der so gut gewählt ist? Welcher Student will sich gerne ein oder mehrere Semester wie auf der Durchreise fühlen?

Es wird in Wien bald feststellbar sein, wie gut Idee und Name ankommen – 2020 macht die erste österreichische Ausgabe der niederländischen Melange aus Coworking-Spaces, Hotel, Studentenwohnheim und Serviced Apartments in Wien auf und wird das größte Studentenheim des Landes. 38.000 Quadratmeter, 820 Zimmer, dazu Restaurants, Bars, Eventräume und Fitnessangebote. Eine eigene telefonische Anlaufstelle für Wien gibt es noch nicht und der Button zur Voranmeldung für ein Zimmer führt ins Nirwana. Bekommen die Räumlichkeiten aber die gleichen Preisschilder wie etwa in Berlin, wird die billigere der zwei Varianten für Studenten bei 918 Euro für 16 Quadratmeter pro Monat liegen. Alles inklusive natürlich – aber trotzdem recht happig.

Dagegen schauen die meisten anderen Angebote in Wien schon preiswert aus – und an Angeboten oder bald kommenden Angeboten mangelt es nicht. Ein regelrechter Boom an Studentenwohnheimen ist derzeit in der Bundeshauptstadt zu verzeichnen. Sie ist mit 92.000 Studenten die in dem Sinne größte Stadt im deutschsprachigen Raum. Die Zahlen der Studierenden in Gesamtösterreich steigen seit Jahren, bis 2035 geht eine Prognose der Statistik Austria mit einem Wachstum von weiteren 14 Prozent aus – das wären dann 423.000 statt derzeit 370.000.

Poppig und teuer

Im The Fizz im 20. Wiener Gemeindebezirk kosten die 633 Wohneinheiten zwischen 465 (für 15 Quadratmeter) und 772 Euro (für39 Quadratmeter). Für eine der oberen Etagen kommt ein Aufpreis von 20 Euro monatlich dazu. Ein zweites The Fizz eröffnet voraussichtlich diesen Oktober am Hauptbahnhof. Dort haben vergangenen Oktober bereits die Smartments für Studenten eröffnet. Die 165 Zimmer beginnen hier bei 450 Euro Miete pro Monat. Projektentwickler ist die deutsche GBI. Die Liste der Anbieter geht weiter – was bei den neueren Projekten auffällt, ist der Hang zum High-End-Wohnheim. Die Kleinwohnungen sind meist voll ausgestattet, die Gemeinschaftsküche für ein ganzes Stockwerk am Gang, die Gemeinschaftsduschen, all das ist nicht mehr Standard. Ob die Preise dafür, in denen Energiekosten und Internet für gewöhnlich schon enthalten sind, dann noch als hoch eingestuft werden, liegt wohl im Auge des Betrachters. Viele Betreiber argumentieren damit, dass ein WG-Zimmer in Wien nicht billiger ist. Nimmt man allerdings eine 90-Quadratmeter-Wohnung in Wien-Rudolfsheim zum Beispiel, und geht von drei WG-Bewohnern aus, kommt man im Schnitt auf knapp 368 Euro pro Person, und rechnet dazu noch etwa 50 Euro pro Person monatlich für geteilte Energie- und Internetkosten, sind die Ausgaben immer noch niedriger als in den billigeren neuen Studentenheimen und das Zimmer wahrscheinlich größer.

Trotzdem wurde das Studentenwohnheim, und vor allem das etwas komfortablere, als neue Asset-Klasse im Immobilieninvestment entdeckt. Die Renditen dafür liegen seit ein paar Jahren schon bei etwa vier Prozent, wie es kürzlich auch Dietmar Steger, Leiter Investment bei Colliers International, bezifferte. Damit liegt die Rendite knapp über Gewerbeimmobilien. Büros in Österreich bringen derzeit etwa 3,5 bis 3,85 Prozent.

Für wen wird gebaut?

Es wird auf Investorenseiten auch damit gerechnet, dass der Markt noch nicht erschöpft ist. „Wenn man Wien mit anderen Städten Europas vergleicht, dann reicht die Anzahl der Betten noch immer nicht“, so Samuel Vetrak, Geschäftsführer des Wiener Beratungsunternehmens Studentmarketing. Ansprechen wollen die Projekte aber in erster Linie eine Zielgruppe – die internationalen Studenten, also jene, die sich erstes auf dem Wiener Immobilienmarkt nicht auskennen, und zweitens möglicherweise nur für ein, zwei Semester bleiben und sich nicht länger an eine Wohnung binden können. Außerdem kommen Gaststudenten zumeist erst kurz vor Semesterbeginn in der Stadt an und haben dann nicht die Kapazitäten, sich auch noch nach einer WG umzusehen – da erscheint es vielen doch besser, in ein bereits möbliertes Zimmer zu ziehen, Networking-Möglichkeiten Tür an Tür inklusive. Ungefähr 7.000 Erasmus-Studenten sind derzeit in Österreich. Das Land ist für Studenten eine mittelmäßig beliebte Destination für ein Auslandssemester, bei Eltern ist es sogar sehr beliebt. Das ist wohl mit Grund, warum die Startseite von The Student Hotel sogar eine eigene Rubrik hat, die sich direkt an die Eltern richtet. Zu Erasmus-Gästen kommen natürlich noch Langzeit-PhD-Kandidaten aus dem Ausland, Expats und Young Professionals hinzu – auch alles junge Menschen, an die sich die High-End-Projekte richten wollen.

Weitaus nicht alle glauben an die Rentabilität der neuen Investment-Klasse. „Diese großen, teuren Wohnformen werden irgendwann an ihre Grenzen stoßen“, so Walter Tancsits, Vorstand der Stuwo. Der Wohnheim-Betreiber hat vergangenen September in der Seestadt Aspern ein Wohnheim mit 295 Plätzen ab 412 Euro im Monat eröffnet. Und Günther Jedliczka, Geschäftsführer der OeAD-Wohnraumverwaltung glaubt sogar: „Mittlerweile gibt es in Wien fast ein Überangebot.“ Tatsächlich seien die Heime der Stadt alle mindestens zu 90 Prozent belegt, so Samuel Vetrak. Das ist eine hohe Quote, aber eben auch keine Überlastung in dem Sinne, die nach weiteren Neubauten schreit. Ein Rundruf unter den Wiener Anbietern vor exakt einem Jahr durch den „Standard“ ergab, dass viele Betten leer standen. Das gleiche Bild ergibt sich heute, ebenfalls wenige Wochen nach Semesterbeginn. Donauhomes im 22. Bezirk etwa berichtet auf Anfrage von Solidbau.at von einem Auslastungsgrad von 93,8 Prozent. Eigentlich könnten damit alle zufrieden sein: Die Betreiber sind durchaus erfolgreich und neu ankommende Studenten finden sehr schnell noch Zimmer. Aber wird wirklich der Anschein eines tollen Investments geweckt? Welche Kundschaft will The Student Hotel ab nächstem Jahr mit seinen Zimmern über 900 Euro dann noch bedienen? Jene, die Wien bislang fernblieben, weil es ihnen zu billig war? Oder vielleicht die berühmten Erasmus-Studenten, die sich bislang notgedrungen in Dachgeschoßwohnungen einmieten mussten?

Aufwand geringer oder unterschätzt?

Ein weiterer Punkt beim Betrieb von Studentenheimen spaltet die Gemüter – die Einfachheit. Dietmar Steger von Colliers International erklärt den Run auf die Asset-Klasse nämlich mit ihrer Stabilität: „Der Aufwand fürs Asset-Management ist geringer, da die Mietverträge mit den Betreibern auf 15 oder 20 Jahre abgeschlossen werden.“ Andererseits gibt aber Carola Lindenbauer, Geschäftsführerin vom Döblinger Studentenheim base, zu bedenken, „dass die Betreuungsintensität manchmal unterschätzt wird.“ Die Heime würden sich im Unterschied zu Wohnhäusern schneller abnutzen.

Argumente für oder gegen die Investment-Sparte lassen sich also viele finden. Der Hype scheint angesichts der stabilen Vier-Prozent-Rendite nicht ganz gerechtfertigt, nach einer Blase sieht es aufgrund der guten Auslastung auch nicht aus. Was aber sicher erscheint, ist die Möglichkeit einer Co-Existenz gemeinnütziger und teurer Studentenwohnheime. So gibt es eben für alle etwas.

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