SOLID 09 / 2014 : Großbaustelle Erste Campus: Der "Erste" Eindruck
Ohne Bauhelme darf niemand auf die Baustelle. Der Innenausbau der vier Bauteile des Erste Campus ist in vollem Gang. Baukräne stehen keine mehr am Gelände. 74.000 Kubikmeter Beton (was ungefähr der Ladung einer 77 km langen LKW-Schlange auf der Strecke Erste Campus – Bratislava entspricht) und 3.100 Tonnen Stahl auf einer Grundstücksfläche von 26.000 Quadratmetern wurden von 1.000 Bauarbeitern verarbeitet. Die dominante Glasfassade hat eine Fläche von insgesamt 40.000 Quadratmeter. Der gesamte Erste Campus hat fast einen Kilometer Umfang.Zahlen, die mehr als nur beeindrucken. Der Erste Campus wird alle Mitarbeiter der Erste Group von 20 Standorten in ganz Wien an diesem Ort zentrieren, nur das Gebäude der heutigen Zentrale in der Wiener Innenstadt wird als Traditionshaus bestehen bleiben. Dieses Vorhaben, alle Mitarbeiter in Wien gleichzeitig an einen Standort umzusiedeln, ist ein Novum in der Geschichte der Bank. Spektakuläre Lage Der Erste Campus liegt auf dem ehemaligen Gelände des Wiener Südbahnhofs neben dem neuen Hauptbahnhof Wien im Areal des Quartier Belvedere. Er ist umgeben von historischen Gebäuden wie Belvedere, Arsenal oder dem 21er Haus im Schweizergarten.Vom 13. Obergeschoß, der höchsten begehbaren Ebene, sieht man von allen Seiten über ganz Wien. Der Ausblick ist fast noch schöner als der vom Belvedere (dabei heißt das doch auf Italienisch: schöne Aussicht).Die zentrale Lage mit einer sehr guten öffentlichen Anbindung an das ÖBB- und Wiener-Linien-Netz sowie zum Vienna International Airport ist bewusst gewählt: Die Erste Group ist heute einer der größten Finanzdienstleister in Zentral- und Osteuropa und da der Südbahnhof als Tor zur Monarchie galt, wird der neue Standort Erste Campus neben dem Hauptbahnhof als moderne Fortführung des historischen Fokus gesehen.Vom Erdgeschoß direkt in den letzten StockStart der Führung ist im Erdgeschoß. Das 7,5 Meter hohe Atrium mit Loungecharakter soll als Kommunikationsraum mit Café genutzt werden. Im Gespräch fällt auf, dass es überall, wo nur die Möglichkeit besteht, Sitzgelegenheiten, Cafés oder Restaurants geben wird. Man kann von fast jeder Ebene bequem ins Freie, um dort zu arbeiten oder zu relaxen. Im Erdgeschoß wird es eine Flagship- Filiale der Erste Bank geben, die den klassischen Bankagenden nachkommt.Vom Atrium geht es direkt in eine zweigeschoßige Veranstaltungshalle für 500 Personen. Die Halle hat eine Besonderheit: sie ist komplett stützenfrei, wobei die weißen Deckenträger ein Gewicht von 140 Tonnen tragen.Direkt angrenzend befindet sich ein begehbarer Innenhof, damit ist der Raum immer von natürlichem Tageslicht beleuchtet. Zum Schweizergarten orientiert ist das FLC oder Financial Life Center geplant, ein Learning Center, in dem vor allem Schulklassen Finanzbildung erhalten sollen.Alles wird mit 110 flachwurzelnden Bäumen – insgesamt 22 Sorten – begrünt. Wer will, kann jederzeit den Schweizergarten als nächstgelegenen öffentlichen Grünraum nützen. Ab der zweiten Ebene beginnen in allen Gebäuden die Büroräume, die natürlich nicht öffentlich zugänglich sind. Bis jetzt sind 4.500 Büroarbeitsplätze geplant. Licht fällt auf alle Ebenen der Gebäudeteile. Die Orientierung ist überall im ganzen Areal gleich gut, da immer Ausblicke möglich sind, die den Standort erklären.Bau im Plan, sogar der Lift ist nachhaltig „Das Besondere am Erste Campus ist“, erklärt Michael Hamann von der Projektleitung mit hörbarer Begeisterung, „dass alle Arbeitsplätze gleichwertig, demokratisch sind.“Nur das straßenseitig dem Gürtel zugewandte Gebäude wird an den Drittmarkt vermietet, alle anderen Gebäude sollen nur von der Erste Group genutzt werden. Die Mieter stehen bis dato noch nicht fest. Einen Kindergarten mit 120 Plätzen wird es auch geben, als betriebseigene KITA (Kindertagesstätte) ist er aber nicht geplant.Die Höhe der Bauteile beträgt zwischen 29 und 50 Meter, das sind 7–13 Obergeschoße. Von unten sieht alles sehr übersichtlich aus, wir fahren mit dem einzigen Lift, der innen mit OSB-Platten verkleidet ist, in das 13. Obergeschoß. Die Liftsysteme werden als Beitrag zur Nachhaltigkeit mit Energierückgewinnung als Energiesparlösung betrieben: Die kinetische Energie, die bei der Liftbewegung entsteht, wird in elektrische Energie umgewandelt und wieder in das Stromnetz eingespeist.Der Lift ist permanent in Betrieb, die Stimmung professionell, jeder Bauarbeiter hat sein Werkzeug und sein Material dabei oder in Griffweite vor sich stehen. Die Hallen sind sauber und leer, bis auf konkrete Arbeitsplätze mit dem jeweiligen Fachpersonal. Hin und wieder stehen mit in Säcken verpacktem Material beladene Paletten zum Transport an den jeweiligen Arbeitsort herum. Am Betonboden vor dem Lift stolpert man beinahe über die Befestigungselemente für Eingänge und Geländer. An der Fassade werden gerade die noch offenen Glasfugen verfugt, die Bauarbeiter winken und stellen sich in Fotopositur.Alles im Plan, sagen die beiden Projektleiter und wir glauben das. Im 13. Obergeschoß angelangt macht Michael Hamann darauf aufmerksam, daß der sogenannte Canaletto-Blick mit seinen Sichtachsen, Blickbeziehungen und Sichtwinkeln erhalten geblieben ist. Das Schutzdach musste eigens mit einer Neigung versehen werden, um diese städtebauliche Anforderung zu erfüllen.Gold fürs GeldIm Dezember 2012 wurde dem Campus auf jeden Fall das Vorzertifikat „Gold“ der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) verliehen.Maßnahmen zur Nachhaltigkeit sind Betonkernaktivierung für Heizung und Kühlung gespeist aus Geothermiepfählen in Verbindung mit dem Wiener Fernwärme- und Fernkältenetz, eine Doppelfassade mit intelligentem außenliegendem Sonnenschutz und öffenbaren Fenstern, weiters einer Temperaturabsenkung in der Nacht, moderne LED-Beleuchtung, die bereits beschriebene Energierückgewinnung bei den Aufzugssystemen und die angestrebte Senkung des Primärenergiebedarfs.Das Personal bekommt „Ausmisttage" „Das Umzugsmanagement soll innerhalb von einem Quartal stattfinden. Geplant ist das erste Quartal 2016“, informiert Michael Hamann. Was das leichter macht: Die gesamte Ausstattung im Erste Campus wird neu gemacht. Es werden keine Möbel und keine Computer von den verschiedenen Standorten mitgenommen. Bis dahin gibt es regelmäßig sogenannte „Ausmisttage“, an denen alle Mitarbeiter ihre Ablage auf maximal 2,4 Laufmeter reduzieren, so dass der Übersiedlungsaufwand maximal 2,4 Laufmeter Ablage plus einen Mitarbeiter plus EDV beträgt. Das bestehende Mobiliar wird in diesen Tagen nach Bosnien und Serbien transportiert und kommt dort den Flutopfern zugute.Barock 2.0 an der FassadeDer Erste Campus lebt von seiner offenen und einladend großflächigen Glasfassade mit außenliegendem Sonnenschutz und von innen öffenbaren Fenstern. Die versetzten Fensterelemente zeigen durch Lichteinfall ein Oszillieren, was der Fassade ein liquid leichtes Aussehen verleiht und zusätzlich Bewegung schafft.Die Holzfassade innen besteht aus Lärchenholz, die die raumhohen Glaswände an den Seiten abschließt. Die komplett transparente Glasfassade gibt einem von innen das Gefühl, draußen zu sitzen, zum Beispiel im angrenzenden Park. Von außen ist sie einsehbar. Die doppelschalige hinterlüftete Glasfassade besteht aus 8.309 Scheiben, wobei die organisch geschwungenen Gebäudeformen die Verbindung des Urbanen mit der Natur zeigen. Architekturhistorisch ist die Weiterentwicklung der konvex-konkav schwingenden Barockfassade des barocken Wien sichtbar. Die Biene – ein Symbol kehrt zurückDer Erste Campus hat schon 2 Bienenstöcke auf der Baustelle stehen, die von dem Dach der Secession übersiedelt wurden. Auf dem Honigglas der Ersten ist die Information zu finden, dass im Sommer rund 70.000 Bienen für den Campus Honig gesammelt haben. Bei der Gründung der Erste Bank im Jahr 1819 führte die Bank die Biene vor dem Bienenstock als Symbol für Sparsamkeit und Fleiß im Logo.
(SOLID 09 / 2014)ECKDATENERSTE CAMPUS
Standort: 1030 Wien, Ecke Wiedner Gürtel / Arsenalstraße
Projektentwickler: Erste Campus Immobilien GmbH & Co KG
Gebäudemanagement: Group Service/s OM
Architektur: Henke Schreieck
Baukosten: ca. 300 Mio. Euro
Baustart: 2012
Fertigstellung: 2015
Übersiedlung: Erstes Quartal 2016
Grundstücksfläche: 26.000 qm entsprechen der Größe von 3 Fußballfeldern.
Gebäudehöhe: zwischen 37 und 50 m (7–13 Obergeschoße, bis zu drei Untergeschoße)
Arbeitsplatzkapazität: 4.500 Büroarbeitsplätze
Zusätzliche Geschäfts- und Büroflächen: 2.000 qm und 12.500 qm
Parkplätze: 600 Parkplätze
Verbaute Betonmenge: 74.000 Kubikmeter
Verbaute Stahlmenge: 3.100 Tonnen
________________ECKDATENERSTE BANK GROUP
Stand: Mai 2014
Mitarbeiter: 46.000 Mitarbeiter
Filialen: 2.800 Filialen in 7 Ländern
Bilanzsumme: 203,9 Mrd. Euro
Gesamtkapital: 15,1 Mrd. Euro
Nettogewinn: 103,3 Mio. Euro
Kernkapitalquote: 11,1 %
Kredit-Einlagen-Verhältnis: 100,3 %
Marktführer in: AUT, CZ, RO, SK
(SOLID 09 / 2014)