SOLID Plus : Gescheit statt nur smart - die drei Toptrends im Massivbau
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Massivbau gilt als stabil und besonders wertbeständig. Damit einher geht nicht selten eine Wahrnehmung als ein bisschen altbacken. Das Image von Beton war lange schlecht, die "Betonierer" und "Betonköpfe" stehen für Bauen um jeden Preis und vor allem auf Kosten der Umwelt, auch für lange Trockenzeiten auf der Baustelle und nicht so ganz kontrollierbare Qualität nach dem Transport. Ziegel wiederum galt als zwar schön und heimelig, aber arbeitsintensiv, teuer und innovationsfern.Doch in den letzten Jahren ist viel passiert und nun ist der Massivbau bereit, seinen Platz neu und mit Selbstbewusstsein zu definieren: Bauelemente aus Beton eignen sich mittlerweile auch bestens für die Vorfertigung - und das Riesenthema der Zukunft ist die Bauteilaktivierung, die nach etlichen Jahren des Experimentierens nun vor dem Durchbruch stehen dürfte. Und der jahrhundertealte Baustoff Ziegel kann noch heute so manche hochmoderne Bauweise weit hinter sich lassen.Hier die wesentlichen Trends, die den Massivbau auch in den nächsten Jahren bestimmen werden: Trend 1: Schnell mit schlanken Fertigwänden Die Errichtung neuer Wohnungen ist zur Zeit der stärkste Treiber für den heimischen Massivbau. Vor allem der soziale Wohnbau sorgt für Aufträge, während die Lage in anderen Marktsegmenten angespannt bleibt. Doch auch in diesem Bereich stehen Bauträger angesichts der ständig steigenden Preise unter einem enormen Druck. Zusätzlich hat angesichts immer weiter steigender Mieten die Politik das Thema für sich entdeckt – und seither steht auch der Vorwurf im Raum, dass vor allem die vielen Vorschriften und immer höhere Qualitätskriterien die Kosten im Wohnbau so nach oben drücken. Am teuren Baugrund können heimische Baubetriebe und Zulieferer bekanntlich nichts ausrichten. Doch viele richten ihre Produktpalette gezielt nach den neuen Gegebenheiten aus. Zum Beispiel Maba. Die Tochter der Kirchdorfer Gruppe ist auf Betonfertigteile für die unterschiedlichsten Bereiche spezialisiert – seit kurzem produziert der Hersteller auch für den Wohnbau. Dazu hat Maba schlanke, hochfeste Wände aus Betonfertigteilen entwickelt, die vorgefertigt inklusive Leerverrohrungen an die Baustelle geliefert werden. Alternativ wird auch Ziegelit verbaut, der aus Ziegelsplitt, Zement, Sand und Wasser produziert wird. Der Clou: Die Wände sind nur 15 Zentimeter dick und sind trotzdem als tragende Elemente im mehrgeschossigen Wohnbau einsetzbar. Das Ergebnis sind deutliche Verbesserungen bei der Baugeschwindigkeit und natürlich vor allem den Errichtungskosten. Geschäftsführer Bernhard Rabenreither rührt aber auch mit einem weiteren Vorteil die Werbetrommel: Aufgrund der geringen Wanddicke gebe es auch einen Gewinn an Nutzflächen von 3,4 und bis zu sechs Prozent. Bezogen auf ein Haus mit beispielsweise 16 Wohnungen à 70 Quadratmeter ergäbe das im Idealfall eine zusätzliche Fläche von 67 Quadratmetern. Ob allerdings auch auf den Verputz verzichtet werden soll, so wie es Maba vorschwebt, bleibt jedem Bauträger selbst überlassen. Wie das in der Praxis aussieht, wird beim geförderten Wohnbauprojekt citycom2 am Wiener Nordbahnhof sichtbar. Gemeinsam mit dem Österreichischen Siedlungswerk entwickelte der Architekt Stephan Ferenczy Wohnbauten, die unterhalb der vorgegebenen Preisvorgaben für den sozialen Wohnbau geblieben sind. Oder ein Mehrgeschosser im niederösterreichischen Himberg. Bei einer Nutzfläche von 1400 Quadratmetern seien 45 Quadratmeter zusätzliche Wohnfläche gewonnen worden, so Maba.
In jüngster Zeit gewinnen Bauweisen massiv an Zulauf, die auf möglichst dicke Dämmung und rund um die Uhr laufende, umfassend vernetzte technische Gerätschaften setzen. Tatsächlich ist Österreich im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl zum Beispiel bei Passivhäusern weltweit einsame Spitze. Trotz der Vorteile dieser Bauweise und der riesigen Werbekampagnen dahinter zeigen sich nicht alle überzeugt. Kritiker sprechen vom „Wohnen in einer Thermoskanne“ – und für das Herumsitzen im eigenen Wohnzimmer müsse man zuerst eine faustdicke Gebrauchsanweisung studieren, damit das eigene Wohnverhalten der Zimmertemperatur nicht in die Quere kommt. Andere stört die permanent eingeschaltete elektrische Lüftung, die das frühere offene Fenster ersetzt. Das Ergebnis: Der Energieverbrauch sinkt, während der Aufwand für Wartung und Instandhaltung immer weiter steigt.
Wie man ein Haus nach höchsten energetischen Standards baut und trotzdem ohne Computernetze, Pumpen und Thermostate auskommt, zeigt das viel beachtete Bauprojekt "2226" des Vorarlberger Architekturbüros Baumschlager Eberle. Das Bürogebäude in Lustenau folgt dem Motto „Atmosphäre statt Maschine“ und verzichtet konsequent auf Heizung, Lüftung und Kühlung. Trotzdem herrschen drin auch bei Raumhöhen von 3,40 bis 4,50 Metern Temperaturen zwischen 22 und 26 Grad, womit auch der Name erklärt wäre. Der Architekt Dietmar Eberle setzt hier auf eine zweischalige Hülle aus Ziegel: Die innere Schicht trägt, die äußere isoliert. Die Konstruktion aus 2 x 38 cm-Hochlochziegel sei die optimale Schnittmenge aus Tragfähigkeit und U-Werten, so Eberle. Sein Gebäude scheint einen Nerv getroffen zu haben: Von dem schlichten Bürogebäude im Lustenauer Gewerbegebiet schwärmen Architekturzeitschriften von Lissabon bis London.
Wienerberger geht seit einiger Zeit zum selben Thema einen anderen spannenden produktseitigen Weg, bei dem Ziegel und Dämmung ineinander verschränkt werden und keine großen Wanddicken notwendig sind. Wenige Tage vor Drucklegung dieses Magazins präsentierte der Weltmarktführer aus Österreich mit dem Porotherm WDF quasi als Ergänzung zum Porotherm w.i. ein diffusionsoffenes und kapillaraktives Innendämmsystem, das sich vor allem für nachträgliche Dämmung hervorragend eignet.
Denn Beton stellt eine ungeheure Energiespeichermasse dar. Gerade nach einem Sommer wie 2015 ist klar, dass das Thema Heizung beileibe nicht das einzige ist, das für Energieeffizienz und das Erreichen von Klimaschutzzielen relevant ist. Während der Heizwärmebedarf bei den unterschiedlichen Baustoffen sich nicht wesentlich unterscheidet, sei das bei der Kühlung eklatant anders und aktivierte Betonbauteile könnten ihr Potenzial voll ausspielen. Speziell bei Passivhäusern werde das Kippen des Systems bei großer Hitze gern übersehen, sagt Lafarge-Innovationsdirektor Tritthart. Wie weit ist man bei diesem Thema tatsächlich, das in breiten Kreisen noch vor eineinhalb bis zwei Jahren eher als Spielerei und Zukunftsmusik gehandelt wurde? "Ich glaube, dass wir über 50 Prozent des Weges zur flächendeckenden Markteinführung der Bauteilaktivierung hinter uns haben", sagt Tritthart. Denn während man Anwendungen außerhalb des Bürohausbaus noch vor kurzer Zeit explizit suchen musste, dürfte nun die Kritische Masse langsam, aber sicher erreicht werden - was nicht so einfach war. Die österreichische Zementindustrie hatte das Thema zwar schon 2009 entdeckt und versucht seitdem, die Bauteilaktivierung flächendeckend und glaubwürdig auf dem Markt zu platzieren (und dabei geht es am Ende des Tages bauvolumsbedingt selbstverständlich ums Wohnen). Das Problem dabei war nur: es gab lange Jahre keine standardisierten Berechnungsmethoden. Diese Rechenmodelle wurden mittlerweile erstellt und an Simulationsobjekten am Lehrbauhof in Salzburg getestet. Mittlerweile geht es darum, diese Erkenntnisse in Normen und Richtlinien zu verpacken, damit Bauteilaktivierung in Ausschreibungen als echte Variante berücksichtigt bzw. gefordert und bewertet werden kann. Damit wird der letzte Schritt von den Einzelstücken im Bürohaus- und Gewerbsbau zur Serienreife getan. Planern der Zukunft sollen Ausrichtung, Flächendetails, Fensteranzahl und Details der Nutzungsart genügen, um die richtige Dimensionierung für die Raumtemperierung zu finden. "Es wird wie ein Domino-Effekt sein", sagt Tritthart, "denn wenn künftige Häuslbauer einmal ganz klar erkennen können, was Heizen und Kühlen mit aktivierten Betonbauteilen leisten kann, welche Kosten in der Errichtung und im Betrieb anfallen und welches Einsparungspotenzial damit erzielbar ist, dann ich gehe jede Wette ein, dass wir damit ein unschlagbares System anbieten werden." Die Anschaffungskosten würden überschaubar sein und vor allem im Dauerbetrieb sehr niedrig, noch dazu, wenn man für die Stromgewinnung auch auf Methoden wie Photovoltaik, Energiepfähle etc. setzen könnte. Tritthart: "Auf einmal würde dieser oft so fälschlich kritisierte Baustoff Beton über den Lebenszyklus berechnet sogar die nachhaltigste Lösung darstellen." Das Prinzip der Bauteilaktivierung ist dabei denkbar einfach und raffiniert zugleich: In Bodenplatten, Wände oder Geschossdecken aus Beton werden Röhren aus Kunststoff verlegt. Durch diese Röhren strömt im Sommer kaltes und im Winter warmes Wasser – die massive Betonmasse verwandelt sich in einen Wärme- oder Kältespeicher. BTA-Systeme sind wartungsarm, reagieren sehr träge auf Temperaturänderungen und sorgen so für hohen Wohncomfort bei minimalem Energieverbrauch. Und oft genug machen sie Klimaanlagen ebenso überflüssig wie dicke Dämmstoffschichten. Gerade Beton eigne sich wie kein zweites Baumaterial zur thermischen Aktivierung, heißt es bei der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie – allerdings ist auch die Kombination von BTA auch mit Ziegel und sogar mit Holzbauweisen möglich. Das zeigt das Salzburger Forschungsprojekt „Ziegel Bau Zukunft“, das noch bis Ende 2014 mit Unterstützung des Landes Salzburg und der EU die energetisch günstigste Kombination aller drei Baustoffe erforscht. Wie BTA in der Praxis aussieht, zeigt nicht zuletzt der Neubau der Wiener Wirtschaftsuniversität – im Vergleich zu den schrägen Fassaden diverser Stararchitekten ist es kaum bekannt, dass sämtliche Gebäude über BTA temperiert werden. Ein ungewöhnliches, aber zugleich alltagstaugliches Massivbauprojekt mit BTA ist die neue Kletterhalle „Felsenfest“ in Saalfelden, die das Büro FIN Kuster Energielösungen betreut und heuer auf dem Kongress für zukunftsfähiges Bauen in Wien vorgestellt hat. Die Eckdaten: Das Gebäude ist 19 Meter hoch und hat eine Grundfläche von 400 Quadratmetern. In der Bodenplatte wurden 150 Quadratmeter Beton plus eine Bauteiaktivierung verbaut, die mit der Solaranlage auf dem Dach verbunden ist. Die 52 Zentimeter dicke Bodenplatte kann heizen wie kühlen – und während des ersten Jahres hat sich gezeigt, dass tatsächlich weder in der Hitze noch in der Heizperiode Energiekosten angefallen sind. Kuster zufolge konnte sogar ein Energieüberschuss an die Gemeinde verkauft werden.
Peter Martens/Thomas Pöll