Bauwesen : „Es wird eine Katastrophe passieren“
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Additive Fertigung – so manch einer kennt den Begriff nicht, sehr wohl aber, was dahintersteckt: 3D-Druck. Dabei erklären die Worte Additive Fertigung noch viel besser als das fast schon geflügelte 3D-Druck, worum es sich wirklich handelt – das Markante liegt ganz klar in der Unterscheidung von den herkömmlichen, abtragenden Fertigungsmethoden.
Spricht man nun von Additiver Fertigung im Bauwesen, kann das gebräuchlichste Einsatzfeld wohl im Rapid Prototyping gesehen werden. Doch ist das auch das wichtigste Einsatzfeld? „Mich als Forschenden interessiert eher, wie wir zu echten Anwendungsprodukten kommen“, sagt etwa Ulrich Knaack, Professor an der TU Darmstadt, und nennt gleich hinterher als Beispiel die Betonforschung. „80 Prozent der Additiven Fertigung beschäftigt sich mit Beton.“
Noch keine saubere Lösung
Was der wichtigste Einsatzbereich im Bauwesen ist oder bald sein könnte, hält der Professor am Institut für Statik und Konstruktion aber für schwer abschätzbar. Momentan gebe es einfach viele Forschungsfelder, einige beschäftigen sich damit, die Drucker zu verbessern, andere mit der Bewährung von beispielsweise Brücken, bei denen Additive Fertigung eingesetzt wurde. „Da gibt es noch keine saubere Lösung“, so Knaack.
Hürden hin oder her, dass die Additive Fertigung und das Bauwesen zusammengehören, findet auch der Architekt Klaudius Henke – besonders wegen der Anfertigung von Einzelteilen. „Jedes Gebäude sieht anders aus, schon allein deswegen, weil ich mich immer auf ein anderes Baugrundstück einlassen muss. Und zum anderen habe ich auch oft komplexe Objekte.“ Henke entwickelt an der
München 3D-Druckverfahren für verschieden geformte Einzelteile aus Beton. Er ist also in dem Gebiet der Additiven Fertigung in Verbindung mit Bau tätig, in der sich derzeit die meisten Forscher tummeln.
„Im Vergleich zu allgemeinen Betonforschern ist aber auch das noch eine kleine Nische“, meint Ulrich Knaack. Die TU Darmstadt, an der er lehrt, und die Konferenz Formnext haben diesen Monat eine mehrjährige Forschungszusammenarbeit in der Additiven Fertigung für das Bauwesen angekündigt. Eine logische Allianz, wie Knaack sie nennt, in der verschiedene Materialien abgearbeitet werden sollen, Beton aber nicht.
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Noch lange kein Massenmarkt
Der Zusammenarbeit wie jeder anderen Forschung in dem Bereich liegt eines zugrunde: die Überzeugung, dass 3D-Druck den Bau effizienter gestalten kann und wird. Doch wo genau soll diese Effizienzsteigerung liegen – rein in der Zeitersparnis? Geht es nach Knaack, liegt sie jedenfalls nicht in der Kostenersparnis bei Standard-Massenprodukten. „Aber die Additive Fertigung ermöglicht zweierlei. Erstens die Herstellung komplexer Bauteile, wobei nur das Material genutzt wird, das auch tatsächlich gebraucht wird – also das Gegenteil vom Herausfräsen etwa; und zweitens die Herstellung komplexer Bauteile, die wir anders gar nicht herstellen können.“ Das klassische Beispiel für zweiteren Vorteil ist der Hinterschnitt, eine eher komplexe Geometrie. „Und in dem Bereich sind wir schon gut unterwegs.“
Knaack gibt aber auch zu bedenken, dass - wiewohl das wirtschaftliche Potential klar erkennbar ist - es noch nicht von vielen erkannt wird. „Wir sind noch in einer sehr frühen technischen Phase. Aber das ist vergleichbar mit dem Baustoff Glas – hier haben wir immer noch neue Ideen, die wir früher nicht für möglich gehalten haben. Und so wird es auch mit der Additiven Fertigung sein.“ Ob er einen Zeitpunkt nennen kann, an dem er den 3D-Druck im Bau schon als gang und gäbe sieht? Nicht wirklich. „In fünf bis zehn Jahren wird das schon ein breiteres Spiel sein, aber immer noch kein Massenmarkt. Aber auch der wird kommen – wegen des Potenzials.“ Dass die Additive Fertigung keine große Zukunft im Bau hat – das schließt Knaack dezidiert aus.
Damit es in die Richtung geht, von der der Darmstadt-Professor so überzeugt ist, könnten genau solche publik gemachten Kollaborationen wie jene mit dem Formnext-Event hilfreich sein. „Durch die Kooperation mit der TU Darmstadt wollen wir dazu beisteuern, dass sogar im Bauwesen das innovative Potenzial der Additiven Fertigung breiter gefächert genutzt werden kann“, so Sascha F. Wenzler, Vizepräsident bei Formnext.
Der Widerstand wird steigen
Tatsächlich wird das Potenzial in ganz anderen Bereichen schon länger erkannt und auch eingesetzt. „In vielen Branchen hat sich die additive Fertigung bereits als Stand der Technik durchsetzen können“, sagt auch Architekt Klaudius Henke – wie etwa in der Medizintechnik. Im Bauwesen müsse man eben noch auf den Masseneinsatz hinarbeiten, so Ulrich Knaack. „Was wir finden und benutzen können, werden wir auch benutzen. Das ist auch sich heraus eine Logik.“ Auf die Frage nach Widerstand aus der Baubranche, gibt Knaack nicht nur zu, dass es welchen gibt, sondern sagt sogar voraus, dass der noch steigen wird. „Denn es wird irgendeine Katastrophe passieren. Hoffentlich kein Menschenschaden – aber irgendetwas wird nicht funktionieren. Damit das nicht passiert, forschen wir – und wenn es passiert, ist es umso wichtiger, die Fehler zu erkennen und zukünftig auszuschließen.“ Aber es ist ja auch nicht so, als ob Bauwerke ohne 3D-Druck nie zusammenbrechen würden.
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