Alpine-Debakel : Deloitte zur Alpine-Causa: Gutachten "teils grob falsch"

Der Wirtschaftsprüfer Deloitte, der in der Causa Alpine ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist, wehrt sich gegen Vorwürfe der Beihilfe zum Betrug und der Bilanzfälschung. Deloitte habe bei der Prüfung der strittigen Bilanzen des pleitegegangenes Bauriesen sehr wohl auf Risiken hingewiesen. Die Bestätigungsvermerke zu untersagen oder einzuschränken wäre gar nicht möglich gewesen.Deloitte hat sowohl die Bilanzen der Alpine Holding als die auch der Alpine Bau und der gesamten Gruppe geprüft. Nach Ansicht der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hätte Deloitte für die Jahre 2009 bis 2011 aber kein uneingeschränktes Testat mehr ausstellen dürfen, da die finanzielle Schieflage des Baukonzerns schon ersichtlich gewesen sei. Bei richtiger Bilanzierung, so der Vorwurf der Ermittler, wäre die Alpine spätestens im Herbst 2010 zahlungsunfähig gewesen. Die Insolvenzanmeldung erfolgte erst im Sommer 2013.In der Causa Alpine als Beschuldigte geführtDie drei Alpine-Prüfer von Deloitte werden seit Kurzem im Strafverfahren als Beschuldigte geführt. Im Dezember gab es eine zweitägige Razzia im Wiener Headquarter von Deloitte.Wie von SOLIDbau.at hier berichtet, ging Deloitte erneut in die Offensive: Man habe die Bestätigungsvermerke für die letzten Alpine-Abschlüsse 2009, 2010 und 2011 mit sogenannten Ergänzungen versehen.

Diese hätten jedes Mal den "ausdrücklichen Hinweis an die Adressaten der Jahres- bzw. Konzernabschlüsse auf die im Anhang des Konzernabschlusses berichteten Risken, in denen auf eventuell drohende Risiken aus Bauprojekten in Polen, Deutschland und Griechenland in dreistelliger Millionenhöhe ausdrücklich verwiesen wurde", enthalten, erklärte Deloitte in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA. Mit Ergänzungen versehene Bestätigungsvermerke seien bei börsennotierten Unternehmen eine absolute Ausnahme und hätten daher umso mehr als Warnsignal Beachtung finden sollen, argumentiert der Wirtschaftsprüfer und zieht einen Vergleich zu Skifahrern: Diese fahren auch oft trotz Lawinen-Warntafeln in ungesichertes Gelände ein.Eine Einschränkung oder Versagung des Testats wäre gesetzlich nur dann möglich, wenn entweder wesentliche Abschlusspositionen definitiv falsch gewesen wären oder wenn der Fortbestand des Unternehmens mit hoher Wahrscheinlichkeit zweifelhaft gewesen wäre. Bei der Alpine sei das aber nicht der Fall gewesen.Auch zur 70-Millionen-Euro-Forderung der Alpine Bau an ihre Polen-Tochter aus dem Jahr 2009, die laut Staatsanwaltschaft gänzlich wertzuberichtigen gewesen wäre, nahm Deloitte Stellung. Die Einbringlichkeit dieser Forderung sei unmittelbar mit der Einbringlichkeit der wesentlich höheren Forderungen der Polen-Tochter an ihre Auftraggeberin, die öffentliche Straßenbaugesellschaft des Landes, verknüpft gewesen. Deloitte seien positive Einschätzungen von verantwortlichen Alpine-Mitarbeitern sowie einer polnischen Anwaltskanzlei vorgelegen, was die Werthaltigkeit dieser Forderung betraf. Die Bauleistungen der Alpine bei dem Autobahnprojekt seien gut dokumentiert worden, an der Bonität der Auftraggeberin bestünden keine Zweifel.Aufträge in Polen - ein Problemfall bis heute

Um das Geld aus Polen wird immer noch vor Gericht gestritten. "Bemerkenswert" findet Deloitte, dass die Insolvenzverwalterin der polnischen Alpine-Gesellschaft im Juli 2014 davon geschrieben habe, dass der Gesellschaft Forderungen im Nominalwert von 280 Mio. Euro zustünden.Der Vorwurf, die Alpine Holding habe 2009 eine Haftung für einen Kredit der Alpine Bau in Höhe von 200 Mio. Euro fälschlicherweise nicht ausgewiesen, sei ebenfalls zurückzuweisen. Der Kredit sei erst Anfang 2010, also nach dem Bilanzstichtag, seitens der Banken zugezählt worden. "Die Haftung bestand also für einen Kredit ..., der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ... ausgenutzt war und betrug daher auch null", erklärte Deloitte. Nach österreichischen Bilanzierungsregeln müsse in so einem Fall die Haftung in der Bilanz nicht ausgewiesen werden.Deloitte könne die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft nur schwer nachvollziehen, zumal die strafrechtlichen Vorwürfe auf einem Privatgutachten der BDO basierten, das von den Alpine-Masserverwaltern in Auftrag gegeben wurde. Das Gutachten habe nicht die Arbeit des Wirtschaftsprüfers untersucht und sei außerdem "inhaltlich teilweise grob falsch bzw. unschlüssig", so Deloitte.Die Masseverwalter der Alpine Bau und der Holding haben Deloitte auf 92 Mio. Euro geklagt. Auch sie sind der Meinung, Deloitte hätte die Bestätigungsvermerke für die Jahre 2010 und 2011 so nicht ausstellen dürfen.

Einer der "big four" der WirtschaftsprüferDeloitte gehört zu den sogenannten "big four" der Wirtschaftsprüfer, die allesamt weltweit vertreten sind. Konkurrenten sind PwC, EY (Ernst & Young) und KPMG. Deloitte ist kein Konzern im eigentlichen Sinne, sondern eine Art Netzwerk von einzelnen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften, die unter der gleichen Marke auftreten und jeweils im Eigentum ihrer Partner stehen. Deloitte Touche Tohmatsu ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht (früher: ein Verein schweizerischen Rechts) und haftet nicht für seine Mitgliedsunternehmen. 2014 arbeiteten rund 214.000 Menschen in 150 Ländern für Deloitte weltweit. Der Gesamtumsatz betrug 34,2 Mrd. Dollar (30 Mrd. Euro).In Österreich haften Wirtschaftsprüfer bei fahrlässiger Handlung mit maximal 12 Mio. Euro - pro geprüfter Gesellschaft und Jahr. Zahlen würde dann aber die Versicherung, die sie zwingend abschließen müssen. Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung fällt die Haftungsobergrenze. (apa/pm)

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