SOLID 03/2018 : Dämmung: gegen Kälte, Hitze und den harten Markt
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Der breite Aufschwung am Bau hat endgültig auch die Dämmstoffproduzenten in Österreich erfasst. „Die Situation in unserer Branche stellt sich derzeit durchaus positiv dar“, sagt Gerald Prinzhorn, Geschäftsführer des niederösterreichischen Herstellers Austrotherm. Von einer „positiven Tendenz“ spricht auch Roland Hebbel, Geschäftsführer des Tiroler Herstellers Steinbacher: „Zum Glück ist die negative Grundhaltung der letzten Jahre einer weitaus hoffnungsvolleren Gemütslage gewichen. Darüber hinaus sind Impulse durch die neue Regierung zu erwarten. Ich bin fest davon überzeugt, dass es 2018 weiter aufwärts gehen wird.“ Absatz und Umsatz steigen Grund zur Hoffnung kommt vor allem von der Baukonjunktur insgesamt. Nach einem wirtschaftlich guten Vorjahr prognostiziert das Bauforschungsnetzwerk Euroconstruct auch 2018 in ganz Europa ein deutliches Wachstum.
„Das österreichische Bauwesen entwickelt sich äußerst dynamisch“, heißt es dazu beim Wifo, das für heuer in der heimischen Bauwirtschaft ein Plus von 2,8 Prozent erwartet. Ein Wert, der ähnlich hoch sei wie in der Gesamtwirtschaft Österreichs und „vor dem Hintergrund der unterdurchschnittlichen Wachstumsraten der Bauwirtschaft der vergangenen Jahre besonders bemerkenswert“, so die Wirtschaftsforscher. Die ausführlichsten Zahlen zur Dämmstoffindustrie stehen im Branchenradar von Kreutzer, Fischer und Partner. Demnach ist der Absatz von Dämmstoffen in Österreich im Vorjahr um über drei Prozent auf 5,3 Millionen Kubikmeter gestiegen, wobei der Anstieg bei Schaumstoffen fast doppelt so hoch ausgefallen ist wie bei Mineralwolle. Auch der Umsatz stieg um über drei Prozent auf 277 Millionen Euro.
Studienautor Andreas Kreutzer erwartet nach entsprechenden Meldungen der Hersteller für das laufende Jahr einen weiteren Anstieg von vier Prozent auf 289 Millionen Euro. Trotzdem „ein herausforderndes Jahr“ Freilich sind auch in guten Zeiten keineswegs alle Sorgen vom Tisch. „2018 wird für alle Beteiligten ein herausforderndes Jahr“, sagt Roland Hebbel und verweist auf die Material- und Ressourcenknappheit, die in der Branche zu Lieferverzögerungen auf den Baustellen führe. Auch der sich verschärfende Mangel an Facharbeitern und damit Engpässe bei den Verarbeitern sind für die gesamte Baustoffindustrie und auch für die Dämmstoffhersteller eine große Herausforderung.
Ein anderes beachtliches Problem ist der weiter anhaltende Preisdruck. Angesichts der guten Nachfrage müssten die Umsätze eigentlich deutlich stärker steigen, so Marktanalyst Andreas Kreutzer – doch in der Vergangenheit habe Preiswettbewerb geherrscht, „der im Schaumstoffmarkt besonders erbittert tobt.“ Laut den jüngsten verfügbaren Zahlen des Branchenradar sind zuletzt die Preise sowohl bei EPS als auch bei XPS und Steinwolle um zwei bis fünf Prozent gesunken, während sich die Preise bei Glaswolle, PUR und organischen Dämmstoffen eher seitwärts entwickeln.
Für heuer zeichnen sich die ersten Preiserhöhungen ab. Auch sonst helfe gegen den Preisdruck nur die Positionierung als österreichische Qualitätsmarke mit Wertschöpfung im Inland, sagt Gerald Prinzhorn: „Dass das nicht unbedingt immer zum günstigsten Preis zu realisieren ist, gebe ich zu. Jedoch zeigen langjährige Partnerschaften mit unseren Kunden, dass wir für beide Seiten einen Vorteil generieren.“ Einfachere Regeln bei Förderungen nötig Unbestritten ist, dass der Bedarf an Dämmstoffen weiterhin hoch sein wird – schließlich gehen in Österreich nach Zahlen der TU Wien 28 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Raumwärme und sorgen damit für 14 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen hierzulande.
Seit Jahren steuert die Politik mit vielen Förderungen dagegen, doch die angepeilten Ziele sind noch lange nicht erreicht. „In Sachen Förderungen sind neue Akzente erforderlich, um die Sanierungsrate auf das geplante Niveau von drei Prozent zu heben“, sagt Roland Hebbel. „Für 2018 sehen die Konjunkturdaten gut aus. Aber was ist danach?“ Die ganze Branche sei nun „sehr gespannt, was die neue Bundesregierung wie umsetzen wird“, meint dazu Gerald Prinzhorn und betont, dass im Bereich der Förderungen vor allem einfachere Gesetze notwendig seien: „Konkret geht es um die Sanierung, welche in den letzten Jahren unter den umständlichen Rahmenbedingungen gelitten hat. Ein einfaches Konzept wie in Südtirol wäre hier sicher hilfreich.“
Beim Thema Förderungen muss sich die Branche der Dämmstoffhersteller immer wieder auch kritische Fragen zum Brandschutz, den verarbeiteten Chemikalien und zur tatsächlichen Lebensdauer ihrer Produkte gefallen lassen – zuletzt etwa Ende Jänner bei der Fachtagung der Architekten und Wohnbauträger in Salzburg. Dagegen heißt es beim Institut für Baubiologie und Bauökologie, der energetische und ökologische Aufwand der Dämmstoffe amortisiere sich ökologisch in sehr kurzen Zeiträumen. Bei Niedrigstenergiegebäuden dauere die Amortisation sogar „in der Regel wenige Monate bis maximal zwei Jahre.“
Neue Investitionen und Standorte
Allen Schwierigkeiten zum Trotz nutzen heimische Dämmstoffhersteller die gute Konjunktur, um ordentlich zu expandieren. Der Familienbetrieb Steinbacher etwa, der 40 Prozent seiner Produktion exportiert, hat im Vorjahr nicht nur an seinem Firmenstandort in Erpfendorf investiert, sondern verfügt nun über zwei Standorte im Ausland. Nach der schon vorher erfolgten Übernahme der Firma Izoterm in Polen kauften die Tiroler 2017 das Unternehmen Gefinex in Brandenburg.
Der ostdeutsche Hersteller machte zuletzt mit 90 Beschäftigten einen Umsatz von rund 14 Millionen Euro. Gefinex ist auf Trittschallmaterialien, Feuchtesperren und Dehnfugenprofile aus extrudiertem Polyethylen spezialisiert – ein wesentlicher Aspekt bei der Übernahme, weil Steinbacher mit diesem neuen Werk auch seine Produktpalette erweitert. „Die Akquisition ist somit auch eine Stärkung des Firmenstandortes in Tirol“, so Geschäftsführer Hebbel.
Auch Austrotherm investierte im Vorjahr in Brandenburg, und zwar in die Erweiterung seines Standortes in Wittenberge, das auf XPS spezialisiert ist. Außerdem nahmen die Niederösterreicher, die Teil der Baustoffgruppe Schmid Industrie Holding sind und inzwischen in 21 Werken in elf Ländern produzieren, heuer ihr drittes Werk in Rumänien in Betrieb.
Dabei entschied sich Austrotherm für einen nicht unbedingt üblichen Weg: Der Hersteller mietete zunächst ein bestehendes EPS-Werk, adaptierte es und passte die Produktion an seine Standards an. Nun gehört Austrotherm, der bereits kurz nach der Wende den Schritt Richtung Osten wagte, in Rumänien zu den drei größten Herstellern für EPS und XPS. Und die Nachfrage in dem Land steige schnell, heißt es beim Hersteller.
Gesamtumsatz
2016: 268,4 Millionen Euro
2017: 277,0 Millionen Euro (+3,2 Prozent)
2018: 289,0 Millionen Euro (+4,3 Prozent, Prognose)
Anteile Produktgruppen 2017
Mineralwolle: 42,6 Prozent (Prognose 2018: +0,7 Prozent)
Schaumstoffe: 47,7 Prozent (Prognose: –0,8 Prozent)
Sonstige: 9,3 Prozent (Prognose: –0,9 Prozent)
Absatz und Wachstum 2017
Alle: +3,1 Prozent auf 5,30 Mio. m3 (Prognose 2018: +1,0 auf 5,36 Mio. m3
Mineralwolle: +1,7 Prozent auf 2,26 Mio. m3 (Prognose: +1,8 Prozent auf 2,30 Mio. m3)
Schaumstoffe: +3,5 Prozent auf 2,53 Mio m3 (Prognose: +0,2 Prozent auf 2.53 Mio. m3)
Sonstige: +7,5 Prozent auf 0,51 Mio. m3 (Prognose: +1,9 Prozent auf 0,52 Mio. m3)
Quelle: branchenradar.com
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