SOLID: Herr Birtel, gibt es Vorzeichen, wenn ein Bauunternehmen wie die Alpine in den Konkurs zu schlittern droht?Thomas Birtel: Ja. Das erste Anzeichen ist immer eine aggressive Preispolitik. Klassisches Beispiel waren die Fußball-EM-Stadien in Polen, wo vier öffentliche Projekte ausgeschrieben wurden. Wir hatten uns für zwei interessiert und sind unterlegen. Jetzt ist das in unserem Geschäft normal. Aber der Abstand war sehr, sehr deutlich, und darüber macht man sich seine Gedanken. Über das eigene Anbot, aber auch über den Mitbewerber. Und dann ging es schon mit den Gerüchten in der Branche los. Daraufhin haben sich die Entwicklungen überstürzt. Sind Unternehmen, die von großen internationalen Konzernen aufgekauft werden, stärker von Problemen bedroht als heimische?Birtel: Solche Verallgemeinerungen sind nicht zulässig. Wir glauben, im Konzern selber ein Gegenbeispiel darzustellen. Wir haben heute bei der STRABAG AG in Köln eine Eigenkapitalquote von fast 50 Prozent. Und die Züblin AG ist mit einem Eigenkapital von 25 Prozent auch wieder solide aufgestellt.
Das war nach der Walter-Insolvenz anders. Den beiden Unternehmen hat nichts Besseres passieren können als durch die seinerzeitige Bau Holding übernommen zu werden. Und ich darf das sagen, weil ich ja selbst einer der Übernommenen war. (lacht)Die Strabag hat in den vergangenen Jahren eine sehr ebenmäßige, um nicht zu sagen ruhige Entwicklung genommen. Kritiker vermissen ein dynamisches Wachstum. Ihre Antwort?Birtel: Wir verfolgen ja eine Strategie der breiten Diversifikation, sowohl geografisch als auch bausegmentmäßig. Und der Sinn von Diversifikation ist gerade zu stabilisieren. Das gilt im Positiven wie im Negativen. Die Krise 2008 und 2009 war in unseren Zahlen nicht zu lesen. Umgekehrt sehen Sie einen signifikanten Aufschwung in einem einzelnen Markt auch nicht so deutlich. Wir erwarten heuer zweistellige Zuwächse in Ungarn und der Slowakei, sind auch wieder optimistisch für Polen. Dafür fallen Spezialeffekte aus Russland weg. Wir gehen derzeit von einer Stabilität auf hohem Niveau aus, weil wir ausgewogen aufgestellt sind.Wie groß ist der Wettbewerbsdruck durch chinesische Unternehmen auf dem internationalen Parkett?Birtel: Wir spüren die chinesische Konkurrenz seit langem – vor allem in Afrika. Derzeit gibt es allerdings einen kleinen Turnaround. Das Tauschgeschäft Bauprojekt gegen Rohstoffe geht nicht immer gut für die Auftraggeberländer aus. In Europa glaube ich nicht an große Konkurrenz. Das chinesische Konzept funktioniert nur, wenn die eigenen Baukolonnen mitgebracht werden. Und das ist im EU-Raum aus Kontingentsgründen unmöglich. Ein Versuch in Polen ist ja dramatisch gescheitert.In den vergangenen Monaten haben prominente Vertreter aus Industrie- und Finanzwelt den Standort Österreich stark kritisiert. Zu Recht?Birtel: Für die Industrie, die ich vertrete, sehe ich keine signifikanten Probleme, die neu wären. Natürlich klagt man immer über bestimmte Vorschriften. Aber wenn man andere Jurisdiktionen und Administrationen kennt, dann weiß man, was man zu Hause hat. Ich stelle für unser Unternehmen die Frage nach dem Holding-Standort nicht. Da habe ich in den letzten Jahren keine signifikante Verschlechterung festgestellt.