Finanzdienstleister : Atrium verklagt Meinl auf 21 Milliarden Euro

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Aus Sicht der Meinl-European-Land-Nachfolgegesellschaft Atrium war Julius Meinl V. "Mastermind" und "Anstifter" bei den Deals rund um den umstrittenen Aktienrückkauf bei der MEL - das sei die Verdachtslage nach den bisherigen Ermittlungen.Atrium hat eine 2,1 Milliarden Euro schwere Klage gegen Julius Meinl V. und andere frühere Verantwortliche bei der Meinl Bank und bei Meinl European Land wegen "Untreue am Gesellschaftsvermögen" eingebracht. Erstbeklagter der in der britischen Hauptstadt eingebrachten 80-seitigen Klagsschrift ist Julius Meinl, zweitbeklagt die Meinl Bank und dann erst folgen die Julius Meinl AG und damalige Manager aus dem MEL-Imperium.Julius Meinl V. ist britischer Staatsbürger Bei der Klagseinbringung in London eine Rolle gespielt hat, dass Julius Meinl britischer Staatsbürger ist und seinen Wohnsitz dort hat. Die Wiener Atrium-Anwältin Bettina Knötzl schloss nicht aus, dass versucht wird, auf das Vermögen von Julius Meinl zuzugreifen. Das werde sicher nicht leicht werden, wurde eingeräumt.Auch dass nach dem Verdacht der Atrium Jersey-Recht gebrochen wurde, ist mitentscheidend. Die Eile bei der überraschenden Klagseinbringung wurde freilich auch damit begründet, dass nach österreichischem Recht jetzt im August (nicht strafrechtlich relevante) Ansprüche verjährt wären.Der Prozess könnte bis zu sieben Jahre dauern, meinte Knötzl, Partnerin der Kanzlei Wolf Theiss auf Anfrage.Inhalt der Klage sind Milliardenschäden im Zusammenhang mit dem 2007 erfolgten Aktienrückkauf (1,8 Milliarden Euro) und "sonstige grobe Pflichtverletzungen". Weil ein Vorwurf auf "Verstoß gegen die Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft" lautet, sei auch gegen Jersey-Recht verstoßen worden. Der Rest auf die Klagssumme von 2,1 Milliarden Euro seien zu viel bezahlte Gebühren und Ähnliches.Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Die Anwälte von Wolf Theiss halten fest, dass alles die Verdachtslage beschreibt.

Die Meinl Bank weist alle Vorwürfe von Atrium zurück und betont, sie habe "als Dienstleister für MEL immer im Rahmen des Rechts agiert". Auch habe Julius Meinl seinen Wohnsitz nicht in London, sagt seine Bank. Julius Meinl sei in Österreich hauptgemeldet und habe hier auch seinen Lebensmittelpunkt.Die Klagshöhe von zwei Milliarden Euro sei "absurd", die Einbringung der Klage "populistisch", so ein Sprecher am Mittwoch. In Wahrheit sei dies eine öffentlichkeitswirksame Aktion mit dem Ziel, "sich aus der Verantwortung als Rechtsnachfolgerin der MEL zu stehlen".Die Meinl Bank sehe daher derzeit auch keinen Anlass, für diese neue Klage Rückstellungen zu bilden. Für frühere zivilrechtliche Verfahren hat die Bank 60 Millionen Euro zurückgestellt.Der Rückkauf der MEL-Zertifikate 2007 habe Jersey-Recht entsprochen, betont die Meinl Bank. Das sei von einem Gutachten des zuständigen englischen Queens Council vom 14.08. 2007 bestätigt worden. Früheres Urteil bestätigt den Standpunkt der Meinl BankAuch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien habe am 22.1.2009 rechtskräftig entschieden, dass der Rückkauf von Zertifikaten nicht veröffentlichungspflichtig war. Auch sei auf die Möglichkeit von Rückkäufen in jedem Kapitalmarktprospekt ausdrücklich hingewiesen wordenDas Landesgericht Wien habe am 5. Juli 2010 weiters festgestellt, dass es keine Beweise dafür gebe, die Julius Meinl in direkten Zusammenhang mit den Zertifikatsrückkäufen bringen, so die Meinl Bank.

In der Causa um die ehemalige Meinl European Land sind nicht nur die Meinl Bank und der Bankier Julius Meinl V. im Visier von Anlegeranwälten, sondern auch unabhängige Finanzdienstleister, die die MEL-Papiere vertrieben haben. Mehrheitlich wird ihnen Fehlberatung vorgeworfen. Nun haben zwei Anleger vor Gericht gegen den Finanzberater Euro Finanz Service Vermittlungs AG (EFS) Recht bekommen, berichten die "Salzburger Nachrichten" (SN) am Mittwoch. In einem Fall sah das Oberlandesgericht (OLG) Linz "eine besonders schwerwiegende Verletzung von Aufklärungspflichten". Das Urteil gilt als richtungsweisend für ähnlich gelagerte Fälle.EFS muss der Anlegerin, einer Sekretariatsmitarbeiterin, 15.000 Euro - die gesamte Veranlagungssumme samt Zinsen - zurückzahlen. Das Besondere an dem Urteil: Darin erkenne ein Gericht die Beratung nicht nur als fehlerhaft, sondern als "grob schuldhaft" an belaste den Finanzdienstleister mit der "vollen Haftung", so die Zeitung. EFS müsse daher nicht nur einen Kursverlust rückerstatten, sondern "Schadenersatz im gesamten Wert der Anlage samt Zinsen gegen die Rücknahme der Zertifikate samt Kostenersatz leisten". Das Urteil sei laut dem Anwalt der Anlegerin, Klaus Perner, bereits erfüllt worden, so die Zeitung.Dem Gerichtsspruch zufolge habe schon die Beraterschulung von EFS darauf abgezielt, "Bedenken der Anleger durch bewusst manipulative Wortwahl erst gar nicht aufkommen zu lassen". Der Zweck des Anlegerprofils sei "geradezu vereitelt" worden. EFS war gegenüber der Zeitung zu keiner Stellungnahme bereit.In einem zweiten Fall hat das Landesgericht Salzburg laut "SN" ähnlich entschieden. EFS habe in diesem Fall nur mehr gegen die Höhe des Streitwerts (25.000 Euro) Einspruch erhoben und ein Mitverschulden der Klägerin, eine Anlegerin aus Salzburg, geltend gemacht. "Damit hat der Finanzdienstleister den Vorwurf grob fahrlässiger Beratung auch bereits rechtskräftig auf sich genommen", wird Perner zitiert.Aus Sicht des Anwalts gehen die Urteile über den Einzelfall hinaus und "könnten unter Umständen auch anderen Betroffenen helfen". Ähnlich sieht das Kleinanlegervertreter Wilhelm Rasinger, der den OLG-Entscheid als "mutiges Urteil" bezeichnete. "Das gibt allen Auftrieb, die bei der Beratung ganz gezielt einseitig informiert wurden", sagte er den "SN". Auch Margit Handschmann von der Arbeiterkammer (AK) glaubt, dass der Spruch des OLG "ausstrahlen wird auf ähnlich gelagerte Verfahren." Selbiges hofft Peter Kolba, Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), der bereits zwei Musterprozesse gegen EFS angestrengt hat. Die Meinl Bank sieht sich durch den OLG-Spruch in ihrer Rechtsansicht, dass die Meinl Bank nicht die richtige Adressatin für "solche Klagen" sei, bestätigt.Mit den Papieren der ehemaligen MEL haben Tausende Anleger viel Geld verloren. Infolge der umstrittenen Zertifikatsrückkäufe vor drei Jahren ist der MEL-Kurs dramatisch eingebrochen. Zahlreiche mutmaßlich Geschädigte sind bereits gegen die Meinl Bank oder Finanzberater vor Gericht gezogen. Die Meinl Bank weist jegliche Schuld von sich, es gilt die Unschuldsvermutung. (APA/pm)