Sanierung : Parlamentsumbau: „Immer ein Plan B“

Kranfahrt über das Parlamentsdach. Fertig montierte Glaskuppel

Die Glaskuppel über dem Sitzungssaal des Nationalrats ist eines der sichrbaren architektonischen Highlights

- © Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Am Anfang stand die Variantenentscheidung

Solid: Wie lange sind sie in dieses Prestigeprojekt Parlamentsumbau insgesamt involviert gewesen?

Christian Marintschnig:
Da wir die gesamte Projektsteuerung überhatten und damit auch für Vergaben verantwortlich waren, sind wir bereits seit Ende 2013 im Projekt. Es hat damals noch keinen Architekten oder Generalplaner gegeben, noch keine ÖBA und so weiter, sondern wir waren beim Aufsetzen des Projekts maßgeblich mitbeteiligt, also schon in der Projektvorbereitungsphase.

Wie lange hat die Vorbereitung dann gedauert? In der Bauwirtschaft ist ja jedes Projekt einzigartig, aber manche Projekte sind doch einzigartiger als andere. Wie stellt man sich ein auf sowas? Weiß man in Wahrheit, worauf man sich einlässt?


Marintschnig
: Die Komplexität war uns schon bewusst. Wir haben ja den Vorteil, dass wir quasi für alle Fachkräftekompetenzen so besetzt sind, dass wir für alle Fachbereiche ein Double-Up im Projektteam haben.

Aber am Anfang ging es einmal darum, überhaupt zu fassen, welche Variante überhaupt umgesetzt wird. Wir haben ein Optionenpapier ausgearbeitet, das vom Neubau des Parlaments auf der grünen Wiese und aus dem bestehenden Parlament ein Museum zu machen über eine Minimalsanierung bis hin zu einer umfassenden Sanierung ging. Jede Variante wurde mit Kosten und Terminen hinterlegt.

Christian MArintschnig ist seit 2001 bei Vasko+Partner, ÖGNI-Auditor und seit 2013 Partner und geschäftsführender Gesellschafter von Vasko + Partner.

Verzögerungen durch Corona und Akustikprobleme

Ein Neubau wäre wahrscheinlich günstiger gewesen?

Marintschnig
: Ein Neubau im 22. Bezirk wäre aus Repräsentationsgründen nicht so gut gewesen. Es wurde dann auf jeden Fall die umfassende Sanierung von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen.

Wie ging es dann weiter?


Marintschnig
: Wir haben dann den Folgeprozess der Ausschreibung des Architektenvertrags beratend begleitet und bei der örtlichen Bauaufsicht, den Prüfstatikern und anderen Konsulenten waren wir ganz nahe dran.

Es hat ja dann doch die eine oder andere Verschiebung gegeben – warum?


Marintschnig
: Zum Teil war es doch noch Corona bzw. die Folgen bei diversen Bauteilen und der Inbetriebnahme – und die akustischen Probleme im Sitzungssaal sind ja ohnedies durch die Medien gegangen, da hat die Simulation doch nicht alles hergegeben.

© Vasko Partner
© Vasko Partner
© Michael Buchner

Details zu Ausschreibungen und Überraschungen

Können sie uns ein bisschen etwas aus dem Nähkästchen der Ausschreibungsmodelle verraten?

Marintschnig
: Im Grunde hatten wir einfach ein sehr flexibles Vergabemodell mit einem klaren Zielkostendeckel für das Gesamtprojekt – inklusive Interimslokation. Und wenn wir in einem Bereich drüber waren – zum Beispiel aufgrund der Marktsituation, musste es immer einen Plan B geben. Wie geht man weiter, hebt man auf, teilt man die Ausschreibung, geht man in ein Verhandlungsverfahren, um wieder die Zielkosten zu erreichen? Das war sicher eine Herausforderung.

Ist irgendwas aufgetreten, mit dem man vorher so gar nicht gerechnet hatte? Oder war das alles sozusagen Normales?


Marintschnig: Wir erlebten schon ein paar Überraschungen – damit ist bei Bestandsbauten aber immer zu rechnen, aber nichts, was uns komplett am falschen Fuß erwischt hätte.

Zum Beispiel?


Marintschnig
: In einigen Bereichen fanden wir Tragstrukturen vor, welche gemäß ursprünglicher Planung beibehalten werden sollten, aber man dann draufgekommen ist, das geht sich nicht aus und man muss sie erneuern.
Das Parlament war ja vor dem Umbau bis ganz zum Schluss im Betrieb und wir haben zwar im Vorfeld schon Untersuchungen durchgeführt, aber das hat natürlich seine Grenzen.

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AKTUELLE AUSGABE

SOLID Bau - Fachmagazin

Vorbereitungszeit und strenges Änderungsmanagement als A und O

Was passiert jetzt nach der Übergabe und bis zum kompletten Abschluss noch?

Marintschnig
: Jetzt laufen die ganzen Schlussrechnungen, Mängelmanagement ist natürlich ein Thema, Nutzereinstellungen etc. Es ist ja nicht alles ein Mangel, sondern auf manches kommt man einfach im Betrieb erst überhaupt drauf. Das Projekt ist ja sehr technologisiert, der Haustechnikanteil der technischen Gebäudeausrüstung enorm hoch und Sicherheit natürlich ein großes Thema.

Was würden Sie als Resümee ziehen?


Marintschnig
: Es war und ist natürlich ein großartiges Projekt von einer riesigen Dimension. Spannend war, dass der Kostendeckel allen und öffentlich bekannt war. Wenn Firmen informiert sind über die geplanten Kosten, ist das ein gewisser Nachteil. Auf der anderen Seite hat man sich klar deklariert, welche Kosten gemeint sind, sogar inklusive Valorisierung und Umsatzsteuer.
Es gab dadurch nicht dieses Verwirrspiel, das öfter getrieben wird, dass nach Kraut und Rüben vergeben wird – der einer meint die Bauwerkskosten, der andere die Kosten inklusive Valorisierung, der dritte meint wieder Kosten mit Honorar und so weiter. Man hat sich klar deklariert und das war sehr gut.
Einzigartig war auch die Begleitung des Rechnungshofs in der gesamten Bauphase und von Transparency International bei den Ausschreibungsverfahren.

Kann man aus so einem einzigartigen Projekt etwas für Zukünftige lernen?


Marintschnig
: Man wird darin bestärkt, dass die Vorbereitungszeit das A und O ist. Also im Vorfeld die wesentlichen Themen zu klären ist - glaube ich - der Schlüssel zum Erfolg.
Und ein strenges Änderungsmanagement ist wichtig.
Durch die richtige Projektorganisation waren wir in Summe optimal aufgestellt und auch die Besteller-Hersteller-Trennung war wichtig. Wenn ein Bauherr gleichzeitig Auftraggeber ist, hat man es oft schwer mit Änderungen. Hier war es klar: Das Parlament war der Bauherr und die BIG der Auftraggeber. Die Parlamentsdirektion war der Besteller, also der Nutzer und wir waren vergebende Stelle. So eine klare Trennung wäre bei vielen Projekten gut!

Zahlen und Fakten zum Parlamentsgebäude

• Größe (einschließlich Rampe): Länge 151,68 Meter/Breite 132,72 Meter
• Grundstücksfläche: 20.142 Quadratmeter
• 1.600 Räume
• Größter Raum: Säulenhalle (24x41 Meter, Gesamtfläche fast 1.000 Quadratmeter)

Zahlen und Fakten zur Sanierung

• 55.000 m2 Netto-Geschoßflächen saniert
• 40.000 m2 Böden abgebrochen und inkl. Technikinstallationen neu verlegt
• 800 m2 Gastronomiefläche samt ca. 400 m2 Terrassen
• 900 m2 neues Besucherzentrum im Erdgeschoß
• 740 Fenster thermisch saniert
• Rund 600 historische Türen saniert
• 500 Luster / Leuchten demontiert, gereinigt und wieder montiert
• Glaskuppel, elektrochromes Glas – Durchmesser 28 m, Fläche ca. 550 m2
• Gewerke: rund 90 ausführende Gewerke beschäftigt

Flächengewinn durch Projektumsetzung

• 10.000 m² Steigerung Nutzfläche
• 3.000 m² Steigerung Fläche für Büroarbeitsplätze